Machtspiele im Spielcasino

Unter Bankstern - Teil 7

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Macht an sich

Für den Ökonomen Ludwig von Mises ist menschliche Macht die Fähigkeit, fremdes Handeln zu bestimmen. Dabei beruht alle Macht auf Ideologie. Die Ideologie der Bankmanager lautet: Wer Geld verleiht, hat die Autorität, über die Wirtschaft Richter zu spielen. Hierbei lassen sich Macht und die Ausübung von Gewalt nicht mehr trennen. Wenn Banken Unternehmern ihre Kreditlinie kündigen, ist dies ein Gewaltakt, der Tausende von Arbeitnehmern in den Ruin treiben kann. Betrachtet man die wirtschaftliche Macht, die Banken in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, so stellt sich die entscheidende Frage, welchen Sinn diese Macht hat, wenn das Streben nach Größe keine Sinngebung mehr zulässt.

Größe allein kann nicht zielführend für Banken sein, da selbst die größten Banken straucheln können. So lange alles gut läuft, versucht die Macht sich zu verstecken. Sichtbar werden Fehler in der Machtausübung immer in Krisen, wenn die Immunität der Mächtigen nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Dann offenbart sich, welche großen Räder Bankmanager unter Ausschluss der Öffentlichkeit gedreht haben. Dass Macht per se weder gut noch böse ist, sondern dass sich deren Ausprägungen erst durch die gefällten Entscheidungen manifestieren, liegt auf der Hand. Dass Bankmanager zu Brandstiftern werden, liegt an ihrem Größenwahn, der vor nichts und niemandem, vor allem nicht vor kriminellen Verbriefungen und Weiterverkäufen von Schulden halt macht. Dass Macht eine Versuchung ist, die zu großen Fehlentscheidungen führen kann, haben in der Vergangenheit auch viele große Feldherren erfahren müssen.

Das Streben nach Größe führte die Bankmanager zur Hybris. Doch Übermut, Anmaßung und Selbstüberschätzung wurden durch die Nemesis der Kreditkrise gerächt. Letztlich war es die Hybris, die größte Investmentbank der Welt werden zu wollen, welche die schweizerische UBS und viele andere Banken zu Fall brachte. Die UBS ignorierte in ihrer Überheblichkeit die Gesetze des Marktes, was unvermeidlich zum Absturz der Bank führen musste. Mit dem Investmentbanker hat sich ein gefährlicher Typus Mensch entwickelt, der nur noch im Augenblick des Shareholder Value lebt, anstatt das langfristige Überleben des Ganzen im Auge zu behalten.

Betrachtet man die großen Tradingzentren der Investmentbanken, so hat das Ziel, der Größte zu werden, zu einer Automatisierung des Menschen geführt, die so weit ging, das selbst die Vorstände der Unternehmen die Risiken nicht mehr überblicken konnten. Größenwachstum mit einer zu hohen Geschwindigkeit hat den entscheidenden Nachteil, dass es oft alles andere als gesund ist. Als sich die ersten Metastasen bildeten, war der Krebs im Finanzsystem schon so weit fortgeschritten, dass nur noch eine Radikaloperation der UBS geholfen hätte. Wer zu schnell zu groß geworden ist, muss sehr schnell handeln, wenn er nicht unter die Räder kommen will. Wer zu lange wartet, den bestraft nicht das Leben, sondern der Markt.

Bankmanager sind jahrelang ihrer eigenen Macht verfallen, was als Konsequenz in eine globale Finanzkatastrophe führen musste. Deshalb müssen Bankmanager wieder die elementare Frage nach dem Wesen des Bankwesens stellen. Sie müssen, wie es Guardini formulierte, wieder lernen, dass die Herrschaft über die Welt die Herrschaft über sich selbst voraussetzt. Sie müssen ihren Narzissmus aufgeben, der dazu geführt hat, nur noch in den Kategorien: mein Sportwagen, meine Villa, meine Yacht zu denken. Die Psychoanalyse schreibt narzisstischen Menschen den Hang zu Größenwahn, Minderwertigkeitgefühlen, fehlender Sensitivität, Bestätigungssucht, Ausbeutungstendenzen ihrer Mitmenschen sowie Neidkomplexen zu. Wer Türme baut, hat keine Zeit zum Lesen und Nachdenken. Dies ist jedoch die Voraussetzung dafür, das eigene Handeln zu hinterfragen und die Zukunft verantwortlich zu gestalten. Es stimmt bedenklich, dass unter den 400 reichsten Amerikanern im Jahr 2006 erstmals kein Millionär mehr zu finden war. Wer heute Macht ausüben will, muss schon Milliardär sein.

Bankiavellismus

Die Machtausübung der Banken und ihr Streben nach Beherrschen ihrer Kunden können heute als Banken-Machiavellismus (benannt nach dem italienischen Staatsmann Niccolò Machiavelli) bezeichnet werden. Bankmanager streben nach der uneingeschränkten Macht über die Konten ihrer Kunden, sie wollen das Geld der Kunden unkontrolliert nutzen und setzen auf die unbegrenzte Akkumulation des Geldes. Hierbei werden die Wahrheit und das Gute im Handeln oftmals eliminiert und nur noch auf dessen Nützlichkeit reduziert. Soziales Denken findet nur insoweit statt, als dass es der Erreichung von noch mehr Macht und Geld dient. Für Bankmanager heiligt der Zweck, oder besser gesagt der Scheck, alle Mittel.

Niccolò Machiavelli

Die wichtigste Machtstütze der Banken sind ihre Sichteinlagen. Daraus schöpfen sie Geld, welches sie dringend für ihr Wachstum brauchen. Zentralbanker schöpfen Geld aus dem Nichts, indem sie es einfach drucken. Da die Zentralbank in den USA den Privatbanken gehört, konnte Mayer Amschel Rothschild seinen Machtanspruch mit folgender Aussage zementieren: "Gib mir die Kontrolle über die Währung einer Nation, dann ist es für mich gleichgültig, wer die Gesetze macht." Bankmanager stellen sich in ihrem Machtanspruch über den Gesetzgeber. Sie sind als Monetative (eine Bezeichnung von Bernd Senf) die verborgene vierte Macht im Staate, die am liebsten unsichtbar, dafür aber mit umso größerer Wirkung agiert.

Die zeitgenössischen Machiavellisten verfügen über ausgewiesene "Bilanzierungskünste", mit denen sie sogar massivste Verluste so lange verschleiern können, bis ganze Kartenhäuser zusammenbrechen. Solange die Banker Erfolg hatten, konnten sie scheinbar immer größere Räder drehen, ohne dass die Zentralbanken dem ausufernden Treiben durch höhere Zinsen ein Ende gesetzt hätten. Doch als die Hebel, welche die Banker eingesetzt hatten, immer größer wurden und die Finanzmärkte in die Krise gerieten, wurden Bankiavellisten zu tragischen Figuren. Doch nicht nur diese Herren, auch die meisten Anleger, die auf Rendite hofften, wurden durch die Machtspiele von Bankmanagern zu tragischen Helden, deren Konten unter Kurseinbrüchen, Bankenpleiten und Inflationszunahme litten.

Bankiers beherrschen wie keine zweite Berufsgruppe das Metier der Vermögensvernichtung im großen Stil. Durch regelmäßige Krisen werden Enteignungsschübe ausgelöst, die einerseits die Kaufkraft jedes einzelnen unterminieren, andererseits durch ausufernde Risikoausweitung die Eigenkapitalquoten der Unternehmen aushöhlen. Aber auch die Handlager, wie Analysten oder Bankberater, die ihren Kunden Anlagen angedient haben, als die Krise schon abzusehen war, gehören an den Pranger gestellt.

Es darf prognostiziert werden, dass es, auch wenn sich die Märkte noch einmal erholen sollten, in zehn Jahren mit der Ethik und der Moral des Bankgewerbes nicht besser aussehen wird als jetzt. Der Tod des Berufstandes der Banker kommt nicht von außen, sondern von innen, ausgelöst durch das Streben nach Macht und die Gier, mit immer größeren Banken immer höhere Renditen erzielen zu wollen. Der finale Höhepunkt wird vielleicht der Staatsbankrott einer Vielzahl von Ländern sein, und die Einlagensicherungsfonds werden nicht einmal einen Bruchteil der verarmten Bürger mit genügend Liquidität versorgen können.

Berufshochstapler

Wenn der Stand der Berufshochstapler untergegangen ist, wird die Welt zwar nicht anders, aber besser sein. Solange es im Bankgewerbe nicht um vorzeigbare Resultate, sondern ausschließlich um das Blenden der Anleger geht, wird keine Glaubwürdigkeit in die Branche zurückkehren. Zur schlimmsten Gattung zählen so genannte Privatbankiers, die besonders stark blenden und sich auf besonders zahlungskräftige Multimillionäre beziehungsweise Multimilliardäre spezialisiert haben. Für einen Privatbankier zählt nur das Halten der bestehenden Kunden um jeden Preis und die auf Beziehungsnetzwerken basierende Neuakquisition, damit die verwalteten Kapitalsummen möglichst schnell in neue Dimensionen geführt werden können. Viele Portfolio- oder Hedgefonds-Manager sind keinen Deut besser als die Bankmanager, die in diesem Buch kritisiert werden, da 95 Prozent dieser Artgenossen nicht einmal die Indizes schlagen.

Auch hier geht es nur darum, möglichst viel Kapital einzusammeln, da Aus- und Rückgabeaufschläge von Anteilen sowie Management- und Performance-Gebühren genügend Einnahmen in die Hände der Kapitalakkumulateure fließen lassen, um sich ein sorgenfreies Leben zu gönnen. Es sollte selbst dem dümmsten Anleger klar sein, dass niemand den Index schlagen kann, wenn er mit überbordenden Gebühren abgezockt wird. Clint Eastwood brachte es auf den Punkt:

Men have to know their limitations.

Doch wie wir immer wieder lernen müssen, kennen Banken, die immer größer werden wollen, ihre Grenzen nicht. Am Bankwesen wird die Welt sicher nicht genesen, solange Banker ihr Unwesen straffrei ausüben können. Nicht umsonst bezeichnete man Banker in den 1930er Jahren als Bankster, ein Begriff, der heute mehr denn je zutrifft.

Spiel der Spiele

Es hilft niemandem, wenn Bankmanager versuchen, ihre Kunden oder andere Marktteilnehmer für dumm zu halten. Bear Stearns hat seine Verharmlosung der Probleme nicht geholfen, sondern eher geschadet. James Cayne ruinierte mit seinen Fehlspekulationen die US-Investmentbank Bear Stearns Chart nahezu vollständig, da für ihn Milliarden nur Peanuts waren. Als im Jahr 2007 zwei seiner Hedgefonds kollabierten, reiste der Big Boss von Bear Stearns zu einem Bridgeturnier nach Nashville, Tennessee. Denn nur wer immer weiter spielt, kann alles verspielen. Angeblich war sogar sein Handy abgeschaltet. Marcel Ospel und seine Nieten in Nadelstreifen waren dermaßen von Ja-Sagern umgeben, dass selbst, als klar war, dass man gegensteuern müsste, der bisherige Kurs noch beibehalten wurde. Sie pflegten ihre Hybris, bis sie wie Daidalos der Sonne zu nahe kamen, abstürzten und verglühten.

Doch die Großbanken waren in ihrer Gier und Dummheit nicht alleine. Da auch viele Volksbanken am Spiel der Spiele teilhaben wollten, haben mehr als 200 der insgesamt 1.250 Genosseninstitute teilweise große Teile ihres Anlagevermögens in verbriefte Kredite aus den USA angelegt. So kam es, wie es kommen musste. Seit dem 23. Juli 2007 nahm die zum Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken gehörende Union Investment keine Anteile mehr an dem eine Milliarde Euro schweren Fonds zurück. Der Fonds ABS-Invest wurde geschlossen. Rückgabewünsche konnten wegen fehlender Liquidität nicht mehr erfüllt werden. Was lehren uns diese Beispiele. Banken haben vergessen, dass man nur Geld verdient, wenn man bereit ist, zu dienen. Gier und Dienen schließen sich jedoch komplett aus. Entweder man ist gierig und zockt, oder man versucht für seine Kunden vernünftige Anlageperspektiven zu entwickeln.

Spielcasino-Kapitalisten

Die allgemeine Zockerei auf globalem Niveau sollte Stukturanpassungen und Ertragsschwächen möglichst wirksam verschleiern. Bankmanager neigen zur Beibehaltung des Status Quo und sind, wenn es um schnelles Anpassen und Erfassen von Situationen geht, meist überfordert. So mutierten viele Banken zu Spielcasinos, wie die Mittelstandsbank IKB, die schon lange längst keine regionale Industriepolitik mehr im Auge hatte, sondern mithalf, den Bauboom in Las Vegas auf die Spitze zu treiben, indem es marode Hypothekenprodukte im Überschwang erwarb. Wie viel diese allgemeine Zockerei letztlich den deutschen Steuerzahler kosten wird, ist noch offen, jedoch könnte die Summe locker die 100-Milliarden-Euro-Grenze erreichen, sollten noch weitere Teilmärkte in den USA kollabieren.

Die fatale Folge: Der Staat muss nun auf dringende Investitionen in Bildung oder Infrastruktur verzichten, nur weil seine Banken lieber in Zocker als in die Bürger investieren. Hier hat auch das Risiko-Management der Politik versagt, die tatenlos zusah, wie BayernLB, WestLB oder SachsenLB Milliardengräber schaufelten. Es ist nicht so schlimm, eine falsche Entscheidung zu treffen, viel schlimmer ist es, dass, nachdem die Krise erkannt wurde, die Kreditpakete nicht sofort abgestoßen wurden.

Die Durchhalteparolen schlugen fehl und die Wertverluste wurden von Tag zu Tag größer. Mittlerweile spielt der eigentliche Auslöser des amerikanischen Hypotheken-Desasters, die Hypothekendarlehen an finanzschwache Bauherren ("Subprime"), nur noch eine Nebenrolle. Längst hat die Krise andere Bereiche der Finanzmärkte, sogar die Versicherungen, infiziert. Auch viele Investmentfonds mussten ihre Anlagen zu Schleuderpreisen auf den Markt werfen, weil Banken ihnen die Finanzierung kündigten. Selbst Kreditinstitute liehen sich untereinander nur noch Geld, wenn diese umfangreiche Garantien nachweisen konnten. Der Wert komplexer Kreditkonstrukte wurde immer geringer und scheint weltweit einen ökonomischen Winter einzuleiten. Gemessen an der Kapitalausstattung und dem Wissen um das US-Hypothekengeschäft engagierten sich deutsche Landesbanken weit stärker als Institute anderer Staaten.

Einstieg in artfremde Geschäfte

Den größten Realitätsverlust gab es bei der IKB, die zu etwa 40 Prozent im Besitz der Staatsbank KfW ist. Die IKB holte sich ihre Gewinne nicht beim Mittelstand, der nur 25 Prozent des Umsatzvolumens ausmachte, sondern auf den globalen Märkten. Das für das "Structured Credit Portfolio" zuständige IKB-Team kaufte Papiere ein, deren Risiko schon vor Ausbruch der Finanzkrise von Marktkennern als zu hoch eingeschätzt wurde. Bevorzugt investierte die IKB in Collateralised Debt Obligations (CDOs), deren Risiken vorab bekannt waren. Getrieben von ehrgeizigen Gewinnzielen des Vorstandes ging das Händlerteam immer absurdere Wagnisse ein. Mit einem Hinweis auf die mangelnde Kreditwürdigkeit ihres Kunden IKB brachte die Deutsche Bank das IKB-Kartenhaus im vergangenen Juli zum Einsturz. Dass die Deutsche Bank als Hauptlieferant für die Düsseldorfer diente, als man selbst schon auf einen Verfall des Marktes für amerikanische Hypothekendarlehen spekulierte, ist typisch für die Bankbranche, wo jedes Geschäft, das Geld bringt, ohne moralische Skrupel durchgezogen wird. Das Motto lautet: Je mehr Wettbewerber und Mitbanken pleite gehen, desto stärker werden die sein, die überleben.

Vielen Banken mangelte es infolge der Finanzkrise an der nötigen Liquidität. Die Deutsche Bank rettete vor allem eine glückliche Wette auf den Abwärtstrend am US-Immobilienmarkt vor weit größeren Verlusten. Wie viel durch Bilanzierungstricks an Verlusten bisher nicht angezeigt wurden, weiß wohl nur der Vorstand. Die amerikanische Zentralbank hat nicht verstanden, dass sie der Bevölkerung langfristig nicht dient, wenn die Leitzinsen zu niedrig angesetzt werden. Im Rahmen des niedrigen Zinsumfeldes wurden viele Marktteilnehmer gedrängt, Kredite aufzunehmen, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. So wurden in den USA Subprime- und Alt-A-Hypotheken in einer Größenordnung vergeben, die in etwa dem Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland entsprachen, konkret etwa 2.500 Milliarden Euro. Eine für den Hypothekenmarkt irrwitzige Summe.

Verstärkt wurde diese Entwicklung durch so genannte Carry Trades, bei der Kredite in einer Währung mit niedrigen Zinsen aufgenommen und in einer Währung mit hohen Zinsen investiert werden. Besonders für solche Trades eignete sich der japanische Yen, da der japanische Leitzins nahe bei Null lag. Die vielfältigen Formen der Verbriefung von Krediten erlaubten es, diese in handelbare Aktiva zu transformieren. Nur so war es möglich, US-Kredite auf ausländische Investoren zu übertragen. Insgesamt beliefen sich im Jahr 2008 verbriefte Verbindlichkeiten auf mehr als 10.000 Milliarden US-Dollar, was in etwa der Hälfte aller ausstehenden privaten Schulden der amerikanischen Volkswirtschaft entspricht.

Psychosen der Unternehmen

Großkonzerne sind heute durch die Managerspiele der persönlichen Bereicherung zu faulen Äpfeln mutiert. Beispiele wie Enron, Worldcom und Citicorp sind Ausdruck einer Ansammlung von Macht, die im Größenwahn und in der Skrupellosigkeit, Geld aus der Firmenkasse zu stehlen, ihren zweifelhaften Ausdruck gefunden hat. Banken haben in ihrer Gier im Jahr 2007 einen neuen Rekord aufgestellt, der seinesgleichen in der Geschichte von Unternehmen sucht. Weil Manager im Gegensatz zu Unternehmern keine freien Menschen sind, sondern Untergebene der Unternehmen, lassen sie sich ihre Versklavung besonders teuer bezahlen. Joel Bakan hat in seinem Dokumentarfilm "The Corporation" Unternehmen als Personen betrachtet, die den gleichen psychologischen Restriktionen wie alle Menschen unterliegen. Seit einer Entscheidung des U.S. Supreme Court aus dem Jahr 1886 haben Unternehmen dieselben Rechte wie Individuen. Deshalb weisen deren Exzesse sehr starke Ähnlichkeit mit dem menschlichen Verhalten auf.

Es kann kaum verwundern, dass man vor allem bei Bankmanagern schwerste psychische Störungen antrifft. Wenn Robert Hare, Psychologieprofessor an der University of British Columbia und FBI-Berater, profitgeleitete Konzerne klinisch einem Psychopathen gleichsetzt, so muss man für Banken das Ganze geradezu hinsichtlich von Hyperpsychosen untersuchen. Hass, Hochmut, Lügen, Neid, Geiz, Angst, Gier, Schamlosigkeit, Trägheit sind die schwersten Verbrechen an der Menschlichkeit. Bei Bankmanagern treffen wir diese Pathologien in der Form von Hass gegen die Kunden, Hochmut bei Kritik, Lügen zur Kapitalvermehrung, Neid auf die Unternehmer, Angst vor der Kommunikation, Gier zur Maximierung des Gehalts, Schamlosigkeit bei der Vertuschung von Problemen sowie Trägheit vor Veränderungen. Die Art und Weise, wie der Ernst der Lage beschönigt wurde und noch kurz vor dem Mini-Crash im Januar 2008 wieder auf schönes Wetter gemacht wurde, zeigt ein höchst asoziales Verhalten, welches die Gesellschaft und ihren Zusammenhalt beschädigt hat.

Machtkonzentration

Der unvermeintliche Trend zu wirtschaftlicher Konzentration hat die heute dominierenden großen Kapitalgesellschaften hervorgebracht, deren rechtmäßige Eigentümer, die Aktionäre, keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben können. Dies hat man professionellen Verwaltern, die man Manager nennt, überlassen. Diese Form der Bürokratie hat ein perfektes System entwickelt, seine Managementgehälter nach oben zu schrauben - mit Aktienoptionen. Um eine möglichst hohe Entlohnung zu bekommen, nimmt man einen Teil der Gewinne und investiert sie in den Rückkauf eigener Aktien, um den Kurs zu steigern. Damit sichern sich die Manager höhere Gehälter.

Anstatt das Geld in die Forschung und Entwicklung zu stecken, wo es besser aufgehoben wäre, führt die Gier nach mehr Geld zu einer Fehlallokation der Ressourcen. Mit den Übernahmen von großen Banken durch noch größere Banken wurde in der Finanzkrise klar, dass die Konzentration wirtschaftlicher Macht in Krisen noch weiter voranschreitet. Dabei ist abzusehen, dass Banken wie die Bank of America durch ihre schiere Größe über kurz oder lang im Bürokratismus erstarren werden. Die scheinbar niemandem verantwortlichen Top-Manager dieser Megainstitute haben sich längst zu einer Beziehungsgeflechts-Aristokratie entwickelt, bei denen der Staat und seine Bürger zur bloßen Marionetten verkommen sind, um noch üppigere Gewinne einzufahren. Staatliche Eingriffe sollten sich deshalb vor allem auf die Kontrolle der Macht der Superbanken konzentrieren, da sonst die nächste, noch schlimmere Krise in einigen Jahren vorprogrammiert ist.

Scheinheiligkeit der Bankmanager

Der Verrat an der Wahrheit hat eine besondere Systematik, die Studierenden und Doktoranden bereits an den Hochschulen beigebracht wird. Viele Professoren haben zu viele Nebenjobs, um noch als glaubwürdige Repräsentanten der Lehre auftreten zu können. Wie sollte es uns wundern, dass der Selbstbedienungsmentalität und dem Gehaltspoker auf den höchsten Ebenen keine rationalen Grenzen mehr gesetzt zu sein scheinen. Das Personenkarussell zwischen Vorstandspositionen und Aufsichtsräten funktioniert so perfekt, dass die Zustimmung des Verwaltungsrates oder einer Salärkommission zu Erhöhungen der Vorstandsvergütungen mittlerweile nur noch reine Formsache ist.

Um den Mythos aufrecht zu erhalten, dass die Vorstandsgehälter von den Aktionären oder deren bevollmächtigten Vertretern definiert werden, werden die Aktionäre einmal jährlich zu Selbstbeweihräucherungsveranstaltungen, genannt Hauptversammlung, geladen. Eine Wirtschaft aber, die auf der Mentalität des Absahnens, Betrügens und der Bestechung basiert, wird zukünftig nur eine Richtung nehmen: den ökonomischen Kollaps. Die Ausbildung von Managern im Finanzbereich muss auf eine neue Grundlage gestellt werden. Shareholder Value, kurzfristiges Gewinndenken und ausufernde Entlohnungssysteme sind die Folge eines nicht auf Ethik und Moral ausgelegten Bildungssystems.

Die Boni-Bonanza

Wie krank muss ein System sein, das noch 70 Milliarden US-Dollar an Boni bezahlt, also etwa zehn Prozent des amerikanischen Rettungspaketes, während Banken reihenweise untergehen oder unter die Fittiche des Staates fliehen. Setzt man die Zahlungen ins Verhältnis zu dem Wertverlust, den die Aktien vieler Banken seit Jahresbeginn zu verzeichnen haben, so sollten Banker ihre Bonizahlungen der letzten Jahre auf Heller und Pfennig zurückbezahlen. Wer so wirtschaftet, hat keine zusätzlichen Gehälter verdient. Manager, wie der Lehman-CEO Richard Fuld, haben sich sogar noch zusätzliche Boni gesichert, als das Unternehmen schon pleite war. Eine wahrhaft einzigartige Dreistigkeit, die ihresgleichen sucht und nur noch als Finanz-Kannibalismus bezeichnet werden kann. Anstatt sein Unternehmen Kaufinteressenten aus Südkorea oder China zu einem für die Aktionäre noch erträglichen Preis zu verkaufen, ließ er das Unternehmen in Rekordzeit untergehen. In einer nicht mehr zu überbietenden Dekadenz haben Boni-Hascher das Weltfinanzsystem an den Abgrund geführt.

Das Gelddrucksystem für die Managerkaste macht deutlich, dass wir keine Manager mehr brauchen, sondern wieder vermehrt Unternehmer, welche die Finanzmärkte nicht als Kriegsschauplatz betrachten. Viele Banken sind aktuell nur noch finanzielle Leichenschauhäuser, die immer mehr Schulden in Form von verstümmelten Finanzderivaten hervorbringen. Wenn Manager Boni einfordern, obwohl sie scheinbar keinen Überblick über die wahren Verhältnisse in ihren Unternehmen haben, dann hat ihr Realitätsverlust bedrohliche Züge angenommen. Dass Stan O’Neil, der Merrill Lynch an den Rand des Untergangs geführt hat, auch noch 161 Millionen US-Dollar einstreichen konnte, zeigt den vollständigen Verfall der Sitten an der Wallstreet. Wenn dann auch noch die Bank of America den übernommenen Brokern von Merrill Lynch bis zu hundert Prozent des jährlich generierten Einkommens als Bonus garantiert, um sie davon abzuhalten, die Firma zu verlassen, dann zeigt sich, dass staatliche Hilfen für Banken der grundlegend falsche Weg sind, weil hier nach dem Gießkannenprinzip auf Kosten der Steuerzahler das bestehende System fortgeschrieben wird.

Dipl.-Ing. Artur P. Schmidt studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin. Für die Promotion entwickelte er ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bücher wie "Endo-Management" und "Der Wissensnavigator" sowie Wirtschaftsbücher wie "Wohlstand_fuer_alle.com" oder "Crashonomics" hervorgingen. Heute entwickelt der Wirtschaftskybernetiker Lenkungs-Cockpits und ist Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie von Finanzportalen wie www.bankingcockpit.com und www.wallstreetcockpit.com.

Literatur