Die Gier nach mehr, doch Geld ist nicht alles

Unter Bankstern - Teil 10

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Das Midas-Prinzip

Habgier oder Habsucht ist das übersteigerte, rücksichtslose Streben nach materiellem Besitz. Banken und ihre Manager haben diesbezüglich in den letzten Jahren wahre Meisterleistungen vollbracht. Abfindungen und Boni von hunderten Millionen Dollar wurden unabhängig von dem Nutzen, den die Manager erbracht hatten, bezahlt und dem Eigenkapital der Banken entzogen. Wie beim phrygischen König Midas wollten Banken alles, was sie berührten, zu Gold werden lassen. Doch vor lauter Ehrgeiz, die größte Investmentbank der Welt zu werden, vergaßen die Banken, dass, wenn man Eigenkapital vernichtet, man kein Wasser mehr hat, um eine Durststrecke zu überbrücken.

Die internationale Banken AG arbeitet nach dem Prinzip: Je höher die Position, auf der man Unfug anrichten kann, desto mehr Belohnung. Nachdem viele Vorstände und Aufsichtsräte mittlerweile bewiesen haben, dass sie vom Bankengeschäft nicht wirklich etwas verstehen, lassen sie sich nachträglich mit ausufernden Boni belohnen. Was Kapitalvernichter vom Schlage eines Ron Sommer im Aufsichtsrat einer Münchner Rück suchen, liegt auf der Hand. Als ausgewiesener Rückversicherungsexperte in Sachen Gehältern hilft er sich selbst, seine Zukunft mit hohen Tantiemen rückzuversichern. Dass der ehemalige Vorzeigevorstand der New Economy ausgerechnet Aufsichtsrat eines Finanzunternehmens wird, ist vielleicht der größte Treppenwitz in der Finanzbranche.

Die falschen Vorbilder

Obwohl der Film "Wall Street" im Jahr 1987 eigentlich eine radikale Kapitalismuskritik sein sollte, wurde er zum unfreiwilligen Vorbild der heutigen Bankergeneration, die von Verantwortungslosigkeit, Gier und Machtstreben geprägt ist. Der Film handelt von den undurchsichtigen und illegalen Geschäften des Millionärs Gordon Gekko an der New Yorker Börse. Der junge, aufstrebende Börsenmakler Bud Fox möchte für Gekko arbeiten und steckt diesem vertrauliche Informationen über die Fluggesellschaft "Bluestar" zu, bei der sein Vater Carl als Monteur und Gewerkschafter arbeitet. Bei Gekko lernt Bud, dass der Schlüssel zum Erfolg an der Börse in der Beschaffung von Insiderinformationen liegt. Schnell erliegt Bud der Illusion des Reichtums und der Liebe eines Ex-Callgirls. Bud glaubt, dass Gekko das Unternehmen seines Vaters sanieren will. Doch Gekko denkt nicht daran, die Firma seines Vaters zu retten, vielmehr will er sie in Heuschreckenmanier ausschlachten. Als der Vater von Fox einen Herzinfarkt erleidet, kommt es zur Aussöhnung zwischen Vater und Sohn. Bud vereitelt durch Insiderhandel Gekkos Pläne und bringt ihm große Verluste bei. Als Fox von Polizei und Börsenaufsicht festgenommen wird, arbeitet er fortan mit ihnen zusammen und deckt damit Gekkos Machenschachten auf.

Vorbilder für Gordon Gekko waren die beiden Wallstreet-Millionäre Ivan Boesky, der in den 1980er Jahren einen der größten Wirtschaftsskandale auslöste, und Michael Robert Milken, der "Erfinder" der Junk-Bonds. Ivan der Schreckliche wechselte mit 29 Jahren als Arbitragehändler an die Wallstreet. Bereits mit 49 Jahren verfügte Boesky als "Corporate Raider" über ein Vermögen von 200 Millionen Dollar, welches er durch unehrliches Geschäftsgebaren zusammengerafft hatte. Besonders genau müssen die heutigen Banker bei einer Rede von Boesky 1985 vor Absolventen der University of California zugehört haben: "Es ist gut, wenn man habgierig ist. Ich möchte sogar behaupten, dass es gesund ist, habgierig zu sein. Du kannst gierig sein und dich dabei gut fühlen." Im Jahr 1986 wurde Boesky wegen verbotener Insidergeschäfte zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt.

Michael Robert Milken war der ungekrönte König des Junk Bond-Marktes. Er fand heraus, dass der Ertrag von Anleihen mit höherem Risiko eine überdurchschnittliche Performance brachte und wurde zu einem Initiator für eine Vielzahl von fremdfinanzierten Firmenkäufen (Leveraged Buy-outs) in den 1980er Jahren. Bei seinem Arbeitgeber Drexel Burnham Lambert verdiente Milken im Jahr 1986 die fast unglaubliche Summe von 550 Millionen Dollar an Gehalt und Bonus. 1989 wurde Milken wegen Finanzbetruges angeklagt, was im Laufe der weiteren Entwicklung zu Schadensersatzzahlungen und einer Haftstrafe von zehn Jahren führte, von der er jedoch nur 22 Monate absitzen musste. Sein Vermögen wird heute auf immer noch staatliche 2,1 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die milde Strafe und sein für damalige Verhältnisse unglaubliches Gehalt scheinen Bank- und Hedgefonds-Manager dazu motiviert zu haben, die Wallstreet als Selbstbedienungsladen zu sehen und die Gehälter und Boni in noch nie gekannte Dimensionen zu steigern.

Abschied von der Gier

Deutsche Bankmanager vergleichen ihre Gehälter gerne mit amerikanischen Vorständen und wollen durch diesen Vergleich eher bescheiden erscheinen. Doch was soll ein Bankkunde von einem solchen Vergleich halten, wenn Diskrepanz hin oder her, es nicht um seine Beratung, sondern nur um die Boni der Bankmanager geht. Auch wenn es keinen Sinn macht, das Gehalt absolut zu begrenzen, so sollte das Gehalt der Banker an wirksame Resultate geknüpft sein. Bankmanager scheinen vergessen zu haben, dass etwas nur gedeihen kann, wenn man das richtige Maß findet. Finden Übertreibungen statt, führen die wechselseitigen Abhängigkeiten über kurz oder lang zu Korrekturen, die das wahre Gesicht der Akteure offen legen. Nur wenn Banker den Wert der Anlagen ihrer Kunden nachhaltig steigern, dürfen sie auch mehr verdienen.

Dies ist bei einer Krise aber nicht der Fall, da hier Milliarden an Kundengeldern vernichtet werden. Es sollte der Spaß an der Werterhöhung im Vordergrund stehen und nicht die Gier nach möglichst vielen Nullen auf dem Gehaltsscheck. Überhöhte Gehaltszahlungen an Mitarbeiter sind oftmals nichts anderes als eine Form von Bestechung und Erpressung, mit der diese ihre Objektivität aufgeben sollen. Wenn Mitarbeiter langfristig an Unternehmen gebunden werden, dann sind sie viel eher bereit, auf kurzfristige Gewinnoptimierung zu verzichten. Anstatt Geld sollten deshalb Bankangestellte die Hälfte ihres Gehaltes in Form von Aktien der eigenen Bank bekommen, die sie jeweils mindestens fünf Jahre halten müssen. Das heutige, an Ziele gekoppelte Boni-System führt zu fehlendem Risikobewusstsein, einer Abnahme der Identifikation mit dem Unternehmen sowie zu einer mangelnden Teamorientierung.

Gier und Dummheit

Die US-Finanzkrise hat sich immer mehr zu einem Kriminalfall entwickelt. Als am 16. März 2007 diesen Jahres JP Morgan Chase & Co. ein Übernahmeangebot für die in Turbulenzen geratene Investmentbank Bear Stearns bekannt gab, erreichte die Krise, bezogen auf die Panik der Marktteilnehmer, ihren bisherigen Höhepunkt. Neben der US-Börsenaufsicht SEC (United States Securities and Exchange Commission) ermittelt nun auch die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums FBI (Federal Bureau of Investigation) wegen krimineller Methoden gegen einzelne Marktteilnehmer. Unter anderem wird ermittelt, ob gezielt gestreute falsche Gerüchte und missbräuchliche Handelspraktiken den Konkurs von Bear Stearns herbeigeführt haben. Die Behörde kündigte strengere Vorschriften für Börsenwetten auf fallende Kurse an und startete eine Untersuchungswelle bei Banken, Händlern, Anlageberatern sowie Hedgefonds.

Geschüttelt und gerührt

Binnen weniger Tage im September wurde das internationale Bankensystem so kräftig durchgeschüttelt und gerührt, wie fast niemals zuvor. Pleiten, Notfusionen und Staatskredite in exorbitanter Höhe. Banken mussten erkennen, dass sie sämtliches Vertrauen verspielt hatten. Dabei ist Vertrauen für Banken kein Luxusgut, es ist vielmehr für deren tägliches Geschäft überlebenswichtig. Kein Sparer oder Investor deponiert sein Geld bei einem Kreditinstitut, das möglicherweise kurz vor dem Konkurs steht. Insbesondere Investmentbanken, die keine Privatkundenbasis haben, sind darauf angewiesen, dass ihnen andere Banken jeden Tag kurzfristig Millionen- oder gar Milliardenbeträge leihen. Besteht hier kein Vertrauen der Banken untereinander, bricht das Geschäftsmodell der Investmentbanken zusammen. Investmentbanker, die mit einem Mausklick Millionen an Dollar bewegen können und damit riesige Boni-Zahlungen verdienen, galten als leuchtende Aushängeschilder des Wallstreet-Kapitalismus. Doch mit der Vorbildfunktion ist es längst vorbei, nachdem die Gier und Charakterschwäche dieses Berufszweiges offen zu Tage trat.

Wer in der Marktwirtschaft über seine Verhältnisse lebt, wird vom Markt abgestraft. Wer gierig ist und den Hals nicht voll kriegt, darf sich nicht beklagen, wenn er mal weniger gut verdient oder schlechte Ergebnisse erwirtschaftet. Doch es ist der Charakterzug der Gier, der auch nach einer Kompensation von Fehlentscheidungen und der Sozialisierung von Verlusten ruft, wenn selbst größte Managementfehler gemacht wurden. Anstatt für schlechte Zeiten zu sparen legt der gierige Bankmanager das Geld mit dem höchsten Zins an, ohne Rücksicht auf die Risiken und mögliche Verluste seiner Aktionäre. Dass jeder Milliardengewinn, der aus Gier resultiert, später als Verlust wieder in die Bücher zurückkommt, kam weder Ackermann noch dem anderen schweizerischen Geldvernichtungskünstler Ospel in den Sinn. Hunderte von Milliarden Dollar wurden von den Bankern scheinbar spurlos in amerikanischen Hypotheken versenkt.

Schon Schopenhauer sagte: "Es gibt Menschen, die zahlen für Geld jeden Preis." Gierige Bankmanager sind die schlimmsten Opportunisten, die es heute in unserer Gesellschaft gibt. Für sie ist die Marktwirtschaft ein reines Spielcasino. Wenn sie sich verzockt haben, rufen sie nach dem Staat, und wenn sie genügend Liquidität von der Zentralbank bekommen haben, erklären sie kurzerhand das Ende einer Krise, die gerade erst begonnen hat. Das Problem der gierigen Banker ist, dass sie nicht therapierbar sind und deshalb ausgemustert werden müssen, wenn sie nicht von selbst zurücktreten. Wichtig ist, dass die Abgetretenen nicht durch neue Oldtimer substituiert werden, sondern durch Manager, für die die Begriffe Ethik und Moral keine Fremdwörter sind. Die Gesellschaft braucht wieder neue Leitbilder, wenn wir nicht schon auf der Personalschiene eine Bankrotterklärung abgeben wollen.

Riesenräder der Banken

Banken hatten einmal den Zweck, die Wirtschaft mit Kapital zu versorgen. Wenn sie ihn vergessen, verlieren sie ihre Existenzberechtigung. Banken stehen vor der Herausforderung, immer komplexere Zusammenhänge zu analysieren, wofür sie auch immer komplexere Analysetools benötigen. Da der Mensch horizontale Abstände wesentlich geringer bewertet als vertikale, ist das Ballon fahren ein großartiger Lehrmeister dafür, wie tief man fallen kann, wenn die Hüllenvolumen zu groß werden und die Blase in sehr großer Höhe platzt. Man fällt viel tiefer, als es sich die meisten Marktteilnehmer vorstellen können. Oftmals fallen Kurse nach Blasen unter das Niveau, von dem der große Kursanstieg seinen Ausgangspunkt nahm.

Wie man Traditionen vernichtet

Es ist ein besonderes Kunststück, wenn es Bankmanagern gelingt, Firmen wie Lehman Brothers, die über 158 Jahre existiert haben, in wenigen Jahren zu vernichten, wie es Richard Fuld gelang. Der langjährige Chef von Lehman Brothers ließ sich in der Zeit von 1993 bis 2007 seine Tätigkeit mit nahezu einer halbe Milliarde US-Dollar vergüten. Sein Jahresgehalt von 45 Millionen US-Dollar entsprach in etwa einem Stundenlohn von 17.000 Bucks. Fuld ist zum Aushängeschild der Gier und Charakterlosigkeit in den USA avanciert, der auch vor merkwürdigen Transaktionen kurz vor dem Konkurs nicht Halt machte und so die Londoner Niederlassung quasi enteignete, nur um sich selbst und seinen US-Mitarbeitern nach der Übernahme durch Barclays möglichst hohe Tantiemen zu sichern. Die Ungerechtigkeit in der Entlohnung amerikanischer CEOs gemäß ihren tatsächlichen Leistungen hat mit Lehman Brothers eine neue Dimension erreicht.

Während noch vor 30 Jahren CEOs etwa das 30- bis 40-fache ihrer Angestellten verdienten, ist dieser Indikator mittlerweile auf nahezu das 350-fache angestiegen. Das Einzige, was sich über Fuld mit Sicherheit sagen lässt, ist jedoch, dass er nicht 350-mal besser als ein durchschnittlicher Angestellter war. Doch wie können sich Vorstände überhaupt so hohe Gehälter genehmigen? Würden die Aufsichtsräte einschreiten, wären die Gehälter nicht so exorbitant. Doch leider sind viele Aufsichtsräte in anderen Firmen Vorstände, wo sie natürlich selbst auch ein hohes Gehalt anstreben. Wie schon einmal gesagt: Um hier Abhilfe zu schaffen, sollten nur noch diejenigen Top-Manager Aufsichtsräte werden, die keine Vorstandsposition in einem Unternehmen innehaben. Des Weiteren sollten ethische Standards geschaffen werden, die eine ausufernde Entlohnung begrenzen. Nur wenn es in Amerika gelingt, die Verwässerung des Eigenkapitals durch ausufernde Managergehälter zu verhindern, gibt es eine Chance, den Faktor Gier im alltäglichen Geschäftsleben zurückzudrängen.

Zwar mag es Sinn machen, Top-Manager, die Erfolg haben, auch höher zu entlohnen, sicher nicht jedoch, wenn sie scheitern und Milliardengräber hinterlassen. Auch sollte sich das Messen eines Erfolges nicht nur über einige Monate, sondern über Jahre erstrecken. Es nützt einer Bank nichts, wenn sie zwei bis drei Jahre Rekordgewinne einfährt, die mit hohem Risiko erwirtschaftet wurden und dann plötzlich sang- und klanglos im allgemeinen Kredit-Nirwana untergeht. Es ist nicht zu akzeptieren, wenn der CEO von Merill Lynch mit einer Summe von 161 Millionen US-Dollar das sinkende Schiff verlässt. Bereits der große Ökonom John Kenneth Galbraith bemerkte, dass die Gehälter von Führungskräften keine Belohnung des Marktes für seine Leistung sind, als vielmehr eine persönliche Geste eines Individuums zu sich selbst.

Wie die Rating-Agenturen ihre Seele verkauften

Eines der eklatantesten Beispiele für die Gier in der Finanzbranche bieten Rating-Agenturen. Ihre falschen Bewertungen haben das gesamte Finanzsystem in eine bedrohliche Situation gebracht. Die AAA-Ratings, die von Moody's, Fitch Ratings oder S&P vergeben wurden, waren nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt wurden. Die Rating-Agenturen unterlagen eindeutig Interessenkonflikten und haben interne Risikorichtlinien ignoriert. So schrieb ein S&P-Angestellter zu einem Kollegen im Jahr 2006 in einem E-Mail, dass er hoffentlich bereits in Rente sei, wenn das ganze Kartenhaus in sich zusammenfällt. Die Maximierung der Gewinne führte bei den Rating-Agenturen dazu, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, wenn es darum ging, neue Kunden zu gewinnen. Umgekehrt suchten die Herausgeber strukturierter Produkte die Rating-Agenturen mit den geringsten Standards, und wie wir heute wissen, wurden sie fündig. So besorgten sich fast 70 Prozent aller Emittenten von "Mortgage-backed Securities" (MBS) ein Kreditrating bei Moody's.

Deshalb muss das Geschäftsmodell der Rating-Agenturen, die Bonitätsbewertungen immer im Auftrag des Emittenten erstellen und von diesen bezahlt werden, auf den Prüfstand gestellt werden. Solange Rating-Agenturen nicht von den Anlegern, sondern von den Geprüften bezahlt werden, kann es keine objektive Analyse geben. Mit der Folge: Die Rating-Agenturen degenerieren zwangsläufig zu Seelenverkäufern. Niemand würde dem Konsumentenschutz vertrauen, wenn dieser von Nestlé oder Procter&Gamble bezahlt würde. Wenn Analysten von den Unternehmen bezahlt werden, die sie zu bewerten haben, darf es niemanden wundern, wenn Unternehmensdaten bewusst geschönt werden. Es bleibt das Rätsel der Banken, warum sie trotz des Wissens um die Befangenheit der Rating-Agenturen, ihre Risiko-Modelle auf den Risiko-Bewertungen der Rating-Agenturen aufbauten. Damit sind sie selbst zu Erfüllungsgehilfen von Betrügern geworden, die riskante Kreditpakete mit Bestnoten versahen.

Gier muss durch den Markt bestraft werden

Die Finanzkrise hat offenbart, dass es heute mehr denn je um eine größere Transparenz in den Finanzmärkten geht. Doch hierbei sollte man sich nicht alleine auf Rating-Agenturen verlassen, die vor dem Ausbruch der Krise völlig versagt haben. Niemand, der auf den Finanzmärkten mitspielt, sollte Unkenntnis als Vorwand für sein Versagen vorbringen. Wer Erfolg hat, darf zwar Gewinne einfahren, jedoch muss er im Falle des Scheiterns auch für die Verluste haften. Weder der Staat noch die Zentralbanken sollten diejenigen schützen, die durch ihre Gier mit riesigen Hebeln operieren. Eine öffentliche Sanierung der Banken belohnt diejenigen, die Misswirtschaft betrieben haben, und belastet die Steuerzahler mit versteckten Steuern.

Die Finanzkrise sollte andererseits auch nicht zu einer Überregulierung führen. Spekulationsblasen sind so alt wie die Menschheit und es wird sie auch künftig geben. Falsch ist es jedoch, die kreativen Zerstörungen, die eine Krise mit sich bringt, nicht zuzulassen. Dies hat schon der New Deal in den USA in den 1930er Jahren gezeigt. Weder schärfere Kontrollen noch strengere Gesetze sind in der Lage, menschliche Fehlentscheidungen zu verhindern. Gier und Innovation sind wie eineiige Zwillinge, die sich gegenseitig bedingen. Bei einer Innovation weiß niemand im Voraus, wer Erfolg haben und wer scheitern wird. Hohe Verluste oder sogar Konkurse bilden die Basis einer kreativen Zerstörung, die der Kapitalismus zu durchschreiten hat. Deshalb gilt es, die Gier zu kontrollieren und sie nicht zu groß werden zu lassen. Der Kapitalismus benötigt Freiheit und Verantwortung, nicht die totale Kontrolle und das Delegieren der Verantwortung auf andere. Bereits in der Ausbildung der Manager muss dafür gesorgt werden, dass sie sich moralisch für ihr Verhalten verantwortlich fühlen. Wenn es jeden Tag mehr Fälle von Missmanagement, Bestechung, Filz und schwarzen Kassen gibt, so zeigt dies nur die Tragweite des heutigen Moralverlustes bei Entscheidungsträgern. Das unverfrorene Verfolgen des eigenen Vorteils ohne Rücksicht auf die Gesellschaft korrumpiert den Staat.

Wenn jeder, der Geld hat oder verwaltet, noch mehr möchte, und jeder, der viel Geld hat oder verwaltet, noch mehr von dem Vielen haben will, dann gerät jedes System über kurz oder lang in eine Systemkrise. Kapitalsammelstellen wie Banken bilden hier keine Ausnahme, wobei diese immer nach demselben Muster agieren: Den Anlegern werden hohe Gewinne bei maximaler Sicherheit versprochen. Die Vermittler bekommen für einschlägige Empfehlungen überdurchschnittliche Provisionen, und am Ende müssen die Anleger die Zeche bezahlen. Die Gier der Banken, so viele Kundengelder wie möglich einzusammeln, statt diese sinnvoll zu vermehren, ist das eigentliche Problem in der heutigen Bankenwelt.

Dipl.-Ing. Artur P. Schmidt studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin. Für die Promotion entwickelte er ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bücher wie "Endo-Management" und "Der Wissensnavigator" sowie Wirtschaftsbücher wie "Wohlstand_fuer_alle.com" oder "Crashonomics" hervorgingen. Heute entwickelt der Wirtschaftskybernetiker Lenkungs-Cockpits und ist Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie von Finanzportalen wie www.bankingcockpit.com und www.wallstreetcockpit.com.

Literatur