Stinkt der Fisch vom Koch her?

Im Skandal um die Zerschlagung einer als zu bankenfeindlich geltenden Frankfurter Steuerfahndergruppe weisen viele Spuren zur hessischen Landesregierung

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Im Stern ist dieser Tage eine ungewöhnlich gut recherchierte Geschichte über die Steuerfahnder vom Finanzamt Frankfurt V zu lesen. Im Sommer 2001 erregten sie Aufsehen, als sie Banken, welche in Auslandshinterziehungfällen die Namen von Kunden nicht nennen "konnten", dazu zwangen, für diese Steuern nachzuzahlen. Wenig später erließ der Behördenleiters Jürgen Schneider-Ludorff eine Amtsverfügung, nach der in Zukunft nur noch dann ermittelt werden sollte, wenn "nach dem vorhandenen Belegmaterial ein Transfervolumen von DM 500.000 oder ein Einzeltransfer von DM 300.000 vorliegt".

Als Grund wurde angegeben, dass die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden sollten. Eine Vorgabe, die auf den ersten Blick nicht unvernünftig klingt. Daran, Fahnder mit Dienstanweisungen von allzu exzessiver Paragraphenreiterei abzuhalten, wäre grundsätzlich wenig Verkehrtes zu finden. Auch deshalb, weil das Strafrecht ein für Steuervergehen nur sehr bedingt geeignetes und mit Sicherheit nicht das mildeste Mittel ist.

Ein Problem bei der Amtsverfügung war jedoch, dass der Erfahrung der Fachleute nach Vermögensverschiebungen ins Ausland häufig mittels Transfers kleinerer Summen erfolgten und oft nur Überweisungen von Depotgebühren in Höhe von wenigen tausend Euro Anhaltspunkte für die Hinterziehung der Zinsen für Millionenvermögen lieferten. Eine einfache Lösung dieses Problems wäre gewesen, Fälle nach der Finanzkraft der Verdächtigen aufzugliedern: Wer wenig hat und wenig transferiert, gegen den wird auch nicht ermittelt. Wer viel hat und wenig transferiert, gegen den schon. Allerdings sah die Amtsverfügung genau das nicht vor.

Manche der Steuerfahnder protestieren deshalb gegen die Anordnung. Und die Karrieren von vielen dieser Protestierer nahmen in den nächsten sieben Jahren einen bemerkenswert negativen Verlauf. Besonders auffällig war das bei Rudolf Schmenger. Erst wurde gegen ihn ein "disziplinarisches Vorermittlungsverfahren" eingeleitet, in dem die Tatvorwürfe zumindest in der Welt außerhalb der Amtsstuben bemerkenswert konstruiert erscheinen: So wurde ihm unter anderem zur Last gelegt, ein Formular falsch ausgefüllt und eine Telefonnummer unleserlich notiert zu haben.

Als dabei nichts herauskam, wurde er, wie viele seiner Kollegen, erst einmal versetzt. 2006 musste er sich dann auf Anordnung der Oberfinanzdirektion vom Psychiater Thomas Holzmann untersuchen lassen, der ihn als "paranoid-querulatorisch" diagnostizierte und befand:

Da es sich bei der psychischen Erkrankung um eine chronische und verfestigte Entwicklung ohne Krankheitseinsicht handelt, ist seine Rückkehr an seine Arbeitsstätte nicht denkbar und Herr Schmenger als dienst- und auch als teildienstunfähig anzusehen. […] An diesen Gegebenheiten wird sich aller Voraussicht nach auch nichts mehr ändern lassen, so dass eine Nachuntersuchung nicht als indiziert angesehen werden kann.

Mit zwei weiteren an den Protesten beteiligten Fahndern geschah das gleiche. Ein von Schmenger selbst in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten kam dagegen nicht nur zu dem Ergebnis, dass er völlig gesund ist, sondern bescheinigte ihm auch ausgesprochen positive Charaktereigenschaften. Mittlerweile prüft die Landesärztekammer Hessen mögliche berufsrechtliche Konsequenzen für Thomas Holzmann.

Anfang 2004 wurde die Steuerfahndung Frankfurt V schließlich ganz aufgelöst. Mehrere der renitenten Steuerfahnder landeten bei der als Abstellgleis empfundenen "Servicestelle Recht", wo sie unter anderem Kirchensteuerfälle bearbeiten mussten, bei denen es um 70 Euro ging. Eine Allokation von Ressourcen, die so gar nicht zu den Ermittlungsverboten für Transfers unter 300.000 Euro passen wollte, die den Fall eigentlich auslösten.

Nachdem der Fall in die Medien gelangte, gab es einen Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag, bei dem sich der als "Kronzeuge" der betroffenen Beamten gedachte Steuerfahnder Schad plötzlich an nichts mehr erinnern konnte. Darauf hin wurde er aus der ungeliebten "Servicestelle Recht" versetzt und durfte, so der Stern, "sein Hobby zum Beruf machen" und im hessischen Innenministerium Referent für Leistungssport werden.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Roland von Hunnius sprach im Zusammenhang mit den Geschehnissen von "ein bisschen viel Zufall" und einer "Verkettung von Merkwürdigkeiten und Absonderlichkeiten, die aufhorchen lässt". Deutlicher wurden die vom Stern befragten Fahnder: Sie vermuten unter anderem, dass man es sich in der Landesregierung nicht mit den Banken "verderben" und den "Finanzplatz Frankfurt" gefährden wollte. Außerdem gibt es gerade in der Partei von Roland Koch ganz besondere Verbindungen zu Geldanlagen in Steuerparadiesen, mit denen sich die nun kaltgestellten Fahnder vorwiegend beschäftigten.