Israel im Stadtkampf

Das israelische Militär soll Phosphor-Granaten verwendet haben, die Bodenoffensive verschärft den Vorwurf an Israel, die Bevölkerung im Gaza-Streifen zu terrorisieren

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Israel sei, so will es Außenministerin Tzipi Livni darstellen, die Speerspitze im Kampf gegen Terrorismus und Extremismus im Nahen Osten. In Jerusalem kündigte sie auf einer Pressekonferenz mit einer Gesandtschaft von EU-Politikern an, dass Israel die Gleichung in der Region verändern will. In Nachahmung von US-Präsident Bush, der den Krieg gegen den Gaza-Streifen weiterhin unterstützt und rechtfertigt, spricht sie davon, dass alle in der Region sich für eine Seite entscheiden müssten, und bekräftigt, dass Israel zurückschlage, wenn es angegriffen würde.

Livni wiederholt die Beteuerung, dass man nicht die Bevölkerung des Gaza-Streifens bestrafen wolle. Das hat Israel allerdings schon lange durch die Blockade gemacht. Zudem würde Israel alle "notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung ziviler Opfer" ergreifen, sagt die Außenministerin. "Leider", so fährt sie fort, "verstecken sie sich unter Zivilisten." Das ist auch hier das übliche Argument, um die Zerstörung ziviler Ziele zu rechtfertigen. Zudem wird von der unterlegenen Partei, die kaum über eine militärische Infrastruktur verfügt, in einem asymmetrischen Konflikt damit eigentlich verlangt, dass sie sich dem technisch weitaus überlegenen Gegner zum Abschuss mit Präzisionsbomben präsentieren soll.

Tatsächlich ist es das Dilemma eines asymmetrischen Konflikts, dass dieser nicht so wie in einem konventionellen Krieg ausgetragen werden kann, in dem sich hochgerüstete Armeen gegenüber stehen. Wer militärisch mit Bomben und Artilleriebeschuss ein dicht besiedeltes Gebiet erobern und kontrollieren will, wird zwangsläufig große Zerstörungen und viele zivile Opfer verursachen – und kann dies nicht allein scheinheilig auf den Gegner schieben, der allerdings seinerseits mit unpräzisen Raketen irgendetwas, d.h. vor allem zivile Ziele angreift. Besonders jetzt, wenn die israelische Armee Gaza City einnehmen und die Militanten ausheben will, wird die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten weiter ansteigen. In den Stadtgebieten nehmen nach Medienberichten die Kämpfe an Intensität zu.

Livni betonte, vorerst – und mit der wiederholten Rückendeckung der US-Regierung und dem auffälligen Schweigen des künftigen Präsidenten Obama, der sich gerade einmal als "besorgt" über die Lage äußerte – nicht auf Waffenstillstandsforderungen eingehen zu wollen. Die israelische Regierung will siegen, so dass sie nicht durch Verhandlungen mit Hamas dieser einen legitimen Status verleiht. Das heißt eigentlich, dass Hamas ausgelöscht werden soll, ein nahezu unmögliches Unterfangen, das gerade auch droht, für Israel nicht gut auszugehen, wenn stets nur auf die Karte der Macht gesetzt und jeder Dialog ausgeschlossen wird. Man sollte nicht vergessen, dass Hamas in freien Wahlen gewählt wurde und dass Israel seit Monaten die Bevölkerung in dem Gefängnis Gaza-Streifen durch die Blockade kollektiv bestraft, während der Krieg nun die Lage drastisch verschärft, die Lebensmittel ausgehen, Trinkwasser fehlt, die Abwasserentsorgung ausfällt, die Stromversorgung immer schlechter wird und immer größere Mängel bei der medizinischen Versorgung eintreten.. Israel versichert dagegen scheinheilig, dass es keine humanitäre Notlage gebe. Die Chefin von UNRWA, Karen AbuZayd, sagt hingegen, dass Israel die Menschen terrorisiere.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon äußerte sich ebenso deutlich wie hilflos: "Wir müssen darauf bestehen, dass Israel den militärischen Angriff beendet, der ganz deutlich exzessiv ist. Wir müssen darauf bestehen, dass Hamas sofort die Raketenangriffe beendet, die so schrecklich konterproduktiv und überdies inakzeptabel sind. Es muss sofort einen Waffenstillstand geben, der anhält und von allen eingehalten wird." Gazas Bevölkerung, so Ban weiter, erleide ein "massives Trauma, das sie nicht selbst verursacht haben".

Die israelische Regierung hat den Gaza-Streifen auch für Journalisten abgeriegelt. Bilder und Informationen sollen alleine aus den eigenen Quellen kommen, weswegen die Kommunikationsarbeit massiv ausgebaut und beispielsweise eine YouTube-Seite des Militärs eingerichtet wurde. Obgleich das oberste israelische Gericht der Entscheidung widersprochen und die Regierung zugestimmt hat, jeweils acht ausländische Journalisten in den Gaza-Streifen zu lassen, ist dies bislang nicht geschehen, auch wenn angekündigt wurde, das vom Pentagon entwickelte Konzept der eingebetteten und damit kontrollierbaren Journalisten für die Bodenoffensive zu übernehmen. Die Regierung argumentiert, man lasse Journalisten deswegen nicht in den Gaza-Streifen, weil sie dort verletzt oder getötet werden könnten, was immer auf Israel zurückschlagen werde, selbst wenn man damit gar nichts zu tun habe.

Vermutlich wird man eingebettete Journalisten dann mit Soldaten in den Gaza-Streifen lassen, wenn die Kämpfe weitgehend beendet und die Stellungen gesichert sind. Auch dann werden die "Eingebetteten" zwangsläufig aus israelischer Sicht berichten. Die Strategie ist durchsichtig, schließlich lässt die israelische Regierung auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen nicht in den Gaza-Streifen, wie Amnesty berichtet. Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert, dass Israel sofort Mitarbeiter von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen einreisen lassen soll.

Inside Gaza City, where windows are blown out, electricity is cut and drinking water scarce, residents’ telephones rang repeatedly with recorded Israeli military messages saying, “We are getting rid of Hamas and we will use still other means to do so.”

Leaflets dropped from airplanes say: “Hamas is getting a taste of the power of the Israeli military after more than a week and we have other methods that are still harsher to deal with Hamas. They will prove very painful. For your safety, please evacuate your neighborhood.” But many in Gaza said they had no place to go since no many neighborhoods received the same message.

New York Times

Gestern wurden von der Times auch erste Vorwürfe geäußert, dass die israelische Armee wie schon im Libanon-Krieg 2006 Phosphor-Granaten eingesetzt habe. Diese verursachen einerseits dichte Rauchwolken, die dem Gegner die Sicht verhindern, und erleuchten andererseits die Umgebung, wodurch sie den Vormarsch ermöglichen. Gleichzeitig verursachen brennende Phosphor-Tropfen schreckliche Verbrennungen auf der Haut.

Phosphor-Munition wurde auch von den Briten und Amerikanern beim Einmarsch in den Irak (Keine Napalm-Bomben im Irak, nur MK77-Brandbomben) und während der Einnahme von Falludscha verwendet (Doppelte Moral). Nach dem Genfer Abkommen darf Weißer Phosphor nicht in zivilen Gebieten und nur gegen militärische Ziele eingesetzt werden. Das ist zwar kein absolutes Verbot. Aber die Verwendung der chemischen Waffen in dicht besiedelten Gebieten würde doch auf jeden Fall gegen das Abkommen verstoßen und müsste als Kriegsverbrechen gelten. Wie schon im Libanon-Krieg weist das israelische Militär erst einmal den Einsatz von Phosphor-Granaten zurück. Zumindest wird gesagt, man verwende keine Munition, die nicht nach internationalem Recht erlaubt sei, was eigentlich schon bedeutet, dass man Phosphor-Munition verwendet.