Die Heimat liegt anderswo

Im Land der ausgeträumten Träume: Neue Filme von Petzold, Klier, Blumenberg - Anmerkungen zur Lage des deutschen Kinos

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Heimat, das war in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten vor allem eine Formel für Verdrängung, und spätestens mit dem Aufbruch des "Neuen Deutschen Films" kam der "Heimatfilm" endgültig in Verruf. Er war nur noch als Inbegriff von "Opas Kino" im Feindbild der deutschen Autorenfilmer präsent. Nur wenige trauten sich damals, wie Volker Vogeler, einen anderen, unabhängigen Heimatfilm zu. Vogelers "Jaider der einsame Jäger", ein bayerischer Wilderer-Western aus dem Jahr 1970, ist ein unbekannter Klassiker, ein großartiger echter Independent, der quer zu allem stand, was damals die Köpfe bewegte - aber aus heutiger Sicht einer der seltenen Fälle, in denen sich das deutsche Kino einmal seiner Tradition ganz bewusst ist, sich in sie stellt und mit ihr auseinandersetzt, gerade indem sie nicht verwaltet, sondern weitergeführt wird. Jetzt reden manche von einer "Renaissance des Heimatfilms". Aber blickt man auf neue deutsche Filme, blickt man aufs zu Ende gegangene wie auf das kommende Kinojahr, trifft diese Formel kaum den Punkt.

"Warten auf Angelina". Bild: Farbfilm

Die Heimat ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Diese Erfahrung, die in der Welt der globalisierten Marktverhältnisse und der sekundenschnellen Medienvernetzung ein jeder macht, spiegeln die Filme, die zur Zeit im deutschen Kino triumphieren, perfekt. Da wird die Odyssee eines bayerischen Beamten in die Welt des japanischen Zen-Buddhismus zum Thema (Doris Dörries "Kirschblüten Hanami").

Oder die Reise eines Deutschtürken und einer Bremer Mutter nach Istanbul, bzw. Anatolien (Fatih Akins "Auf der anderen Seite"). Oder der Weg eines Berliner Zivildienstleistenden in die dunkelsten Abgründe deutscher Vergangenheit (Robert Thalheims "Am Ende kommen Touristen"). Oder jetzt zwei frustrierte junge Männer, die auf US-amerikanische Celebritys warten und dabei die Welt um sich herum vergessen ("Warten auf Angelina" von Hans Christoph Blumenberg). Drei Männer und eine Frau, eher 60 als 50, die in dessen Bungalow auf den Krebstod eines Freundes warten (Michael Kliers "Alter und Schönheit"). Oder drei verlorene Seelen im abgewrackten wilden Osten auf der Suche nach dem Glück: Ein türkischer Döner-Brater-Selfmademan, ein unehrenhaft entlassener Bundeswehrsoldat und eine käufliche Schönheit (Christian Petzolds "Jerichow").

Vom "Schwarzwaldmädel" nach Auschwitz

Die Zeiten, in denen einst das "Schwarzwaldmädel" über sattgrüne Wiesen und die deutsche Kinoleinwand hüpfte, und man per "Heimatfilm" in eine bessere, harmonische und ungeschichtliche Welt entfliehen wollte, sind endgültig vorbei, die Gegenwart lässt sich nicht mehr aus dem Kino verdrängen; Die neuen deutschen Heimaten liegen heute beim Mount Fuji nahe Tokio, in einer deutschen Buchhandlung in Istanbul oder in Auschwitz.

Nun war Doris Dörries "Kirschblüten Hanami" zwar Dörries bester Film seit Jahren. Was aber bei dieser Regisseurin eigentlich nicht allzuviel heißt. Gewiss ist dies ein Film, der kein cineastisches Neuland betritt, sondern niveauvolle, gehobene Unterhaltung im Gewand tieferer Bedeutung und sogenannter "existentieller Fragen" serviert. Elmar Wepper als Witwer, der seine Trauer verarbeitet, indem er mit androgyner Bhuto-Schminke im Kimono an einem japanischen Seeufer tanzt.

Für die Filmkunst der Zukunft steht eher "Auf der anderen Seite" - ein komplex verschachteltes, elliptisch erzähltes Drama, das in den besten Momenten in den Spuren Antonionis wandert, ab und an aber auch wieder in die Fernseh-Daily-Soap abrutscht. Und Robert Thalheim steht für den Nachwuchs der 30-jährigen, der fast ausschließlich in Berlin lebt, dortige Filmhochschulen besucht und im Zweifel anspruchsvolle Filmkunst dem Massenbeifall vorzieht. Die Industrie bedient sich eher aus den süddeutschen Hochschulen Münchens und Ludwigsburg.

"Auf der anderen Seite". Bild: Pandora

Kurios: Fast alle dieser Filme hatten hinter den Kulissen mit immensen Produktionsproblemen zu kämpfen und sehen im Ergebnis ganz anders aus, als ursprünglich geplant. Not, Druck und innere Stärke, Willenskraft und Konsequenz der Macher können der Kunst also unter Umständen mehr nutzen, als die millionenschweren neuen Fördertöpfe des Bundes, die vor allem Großprojekten zugute kommen, und statt deutschem Geld nach Amerika nun US-Einfluss und Heuschrecken nach Deutschland brachten.

Die einstige Münchner Kinowelt ist schon verkauft, die Münchner Constantin wird wohl die nächste sein - das ist auch in Bayern die globalisierte Realität hinter den schönen Worten vom weißblauen Filmstandort. Und solange die bayerische Filmförderung weiterhin einseitig auf Kommerz setzt, und im Gegensatz zu NRW und Berlin nicht auch Geld für die Filmkunst ausgibt, wird sich an der augenblicklichen Diagnose nichts ändern: Die Heimat auch des bayerischen Film liegt zur Zeit in Berlin.

Auch bemerkenswert: Die Filme von Klier, Dörrie, Akin, Thalheim handeln von unterschiedlichen Formen der Trauerarbeit - ein aktueller, bemerkenswerter Trend in einem Land, das einer bekannten Diagnose zufolge lange unter der "Unfähigkeit zu trauern" litt.

Zahlen und Fakten

Um sich zu wundern, dafür gibt es immer wieder viele neue Gründe. Auch in der deutschen Filmlandschaft. Da starten zum Beispiel heute gleich vier Filme von vier more or less bekannten deutschen Regisseuren. In den Wochen davor und danach kein einziger, bzw. allenfalls ein deutscher Film. Muss das eigentlich sein? Wer legt solche Starttermine fest? Warum kommt keiner darauf, dass sich zumindest die neuen Filme von Hans-Christoph Blumenberg, Michael Klier und Christian Petzold ihre wahrscheinlich leider sowieso nicht riesigen Zuschauerzahlen auch noch gegenseitig streitig machen werden?

Zum Anfang mal ein paar schlichte Fakten: Das Filmjahr 2008, das gerade zuende ging, war durchwachsen. Die Zuschauerzahlen blieben in etwa konstant (genaue Zahlen stehen noch aus, zur Jahrmitte lag der Zuwachs bei 1.9 Prozent). 198 deutsche Filme kamen 2008 ins deutsche Kino, also im Schnitt ungefähr zwei pro Woche. Insgesamt kamen etwa 600 Filme ins Kino, der Anteil der deutschen liegt mit einem Drittel also recht hoch. Nur sieben deutsche Filme hatten über eine Million Zuschauer. Til Schweigers "Keinohrhasen" ist von den Zuschauerzahlen her mit 6.2 Millionen der mit Abstand erfolgreichste deutsche Film, gefolgt von "Die "Welle" (2.5 Mio) und "Baader Meinhof Komplex" (2.4 Mio). Zwei Drittel aller deutschen Filme kamen auf weniger als 50.000 Zuschauer pro Titel.

Über die Qualität - muss das betont werden - sagen solche Zahlen nichts. Gerade im Mikrosegment von 5000 Zuschauern pro Film verbergen sich einige der besten Filme des Jahres. Zu sehen sind sie dann nur in Großstädten: Berlin, München. Vielleicht noch Hamburg und Frankfurt, Hannover und Essen. Köln und Stuttgart kaum noch. Dafür in ein paar Städten mit engagierten Programmkinomachern, in Universitätsstädten, in Städten mit Filmfestivals: Mannheim, Heidelberg, Saarbrücken, Leipzig, Hof, Oberhausen.

"Alter und Schönheit". Bild: X-Filme

Es erzählt auch einiges, wenn man darauf achtet, wem eigentlich die Filmstartförderung (nicht Produktionsförderung) des Bundes zufließt. Sie ist natürlich ökonomisch orientiert, das ist dann immer die Ausrede. Da bekommt jedenfalls Michael Kliers "Alter und Schönheit" zwei Förderkopien, Hans-Christoph Blumenbergs "Warten auf Angelina" eine Förderkopie, Vivian Naefes "Die Wilden Hühner und das Leben" aber fünf. Warum ist das nötig? Wer sich unter den Zuschauern für solche Fakten nicht interessiert, sollte sich jedenfalls später nicht wundern, warum er den Film seiner Wahl in seiner Stadt gar nicht erst angeboten bekommt.

Auch sonst gibt es gute Gründe zum Wundern. Was ist das zum Beispiel für eine Filmlandschaft, in der die Filmakademie, die nach eigener Einschätzung integrierende Repräsentanz der ganzen Szene von Autorenfilm bis Zeichentrick, ihre Schnittpreise durch Udo Walz überreichen lässt und sich dabei auch noch witzig und relaxed vorkommt. Immer mehr schielt man auf den Boulevard. Aber der Boulevard und das Marketing, sowieso mehr und mehr dasselbe, sind die Totengräber des Niveaus.

Haarrisse im Fortschrittsmodell

Bleiben wir also bei den guten Filmen: Wie deutsches Independent-Kino produktionstechnisch gehen könnte, das macht jetzt unter anderem Hans Christoph Blumenberg vor: "Warten auf Angelina" entstand ohne Fernsehbeteiligung und Förderung in nur zehn Drehtagen, zwei Monate nachdem Blumenberg die erste Idee hatte, "einen Film über diesen Celebrity-Wahnsinn" zu drehen. Der Film besitzt alle Mängel wie alle Vorzüge seiner Produktionsbedingungen, es überwiegt aber die Lust aller Beteiligten an der Möglichkeit, auf der Leinwand Spontaneität zeigen zu können.

So verschafft Blumenberg unter anderem Barbara Auer und Gudrun Landgrebe die überfällige Rückkehr auf die Leinwand - allein dafür muss man den Film schon mögen. Zudem ist diese anspielungsreiche Odd-Couple-Geschichte über einen naiven Fanboy und einen abgebrühten Promi-Paparazzo, die beide in Berlin Mitte auf Angelina Jolie und Brad Pitt warten, die dort angeblich ihr neues Appartement beziehen sollen, überraschend witzig. Und Komödien, zumal für Erwachsene, sind selten im deutschen Kino.

Seit jeher ist auch der Berliner Regisseur Michael Klier ("Heidi M.", "Farland") einer der wenigen echten unabhängigen und subversiven Geister im deutschen Film: Stärker an Momentaufnahmen und am Entfalten einer Situation interessiert, als an dem, was in den Augen der finanzierenden Fernseh-Redakteure so als "stringente Geschichte" gilt. "Alter und Schönheit" heißt sein neuer Film.

"Alter und Schönheit". Bild: X-Filme

Im Zentrum steht mit Henry Hübchen, Burghart Klaussner, Armin Rohde und Peter Lohmeyer eine beeindruckende Schauspielerriege. Sie spielen eine Gruppe von Freunden, die in die Jahre gekommen sind. Mit Jahrgang 49 sind sie genauso alt wie die Bundesrepublik und gehören jener "goldenen Generation" an, der es immer gut und für die es zumindest lange Jahre immer aufwärts ging. Jetzt zeigen sich nicht nur natürliche Alterserscheinungen, auch Haarrisse im Fortschrittsmodell sind unübersehbar. Klier zeigt dies und konstatiert zugleich ihr emotionales Scheitern. Als einer der Freunde im Sterben liegt - Krebs einmal mehr etwas zu deutlich die Metapher fürs falsche Leben und entsprechende Schuld -, werden die anderen auch mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert, zur Zwischenbilanz gezwungen. Aber das Ende des einen könnte für die anderen immerhin zum neuen Anfang führen.

Jenseits der Problemfilm-Männer

Zum Katalysator wird die Konfrontation mit den eigenen alten Träumen. Vielleicht waren diese Träume falsch? Aber Klier macht es sich nicht so einfach, dass er sie denunziert. Die Energie, die mit ihnen verbunden war, ist wichtiger. "Alter und Schönheit" zeigt die Bundesrepublik als Land der ausgeträumten Träume. Jetzt bedeutet ihre Erfüllung nichts mehr.

Vielleicht hat es zu lange gedauert, ihn zu erfüllen oder es war ein falscher Traum. Es gibt wahrscheinlich viele falsche Träume. … Wir leben ja in einer Zeit der ausgeträumten Träume, (ob große oder kleine), und der sich buchstäblich häufenden Alpträume.

Klier

Zugleich als Land verlorener Jugend. Denn mit den Träumen ging auch eine Unschuld des Blicks verloren, ein Weltvertrauen ins Leben. Ein Film über das Innehalten, das Anhalten im Leben. Aus stürmischer Unbefangenheit ist (Fortschritts-)Unermüdlichkeit geworden. Man kann diesen Film insofern als Portrait einer ganzen Generation von deutschen Männern verstehen, jener, die in den Zeiten des Wirtschaftwunders groß geworden sind. Diese deutschen Männer sind erwachsen, nicht so albern pubertär und unreif wie in deutschen Komödien. Aber auch nicht so ernst und tiefschürfend, wie die klassischen deutschen Problemfilm-Männer mit den frustrierten Gesichtern.

Fern von aller Melodramatik registriert Klier wie ein Seismograph minimale Erschütterungen, zumal mit Sybille Canonica eine souverän Widerspenstige hinzukommt, die das verbleibende Trio aufmischt. Oft und vor allem gegen Ende hat das eine unheimliche Leichtigkeit, nur manchmal nimmt schwere deutsche Tiefe überhand. Schön an diesem Film ist neben dem ausgezeichneten Burghart Klaussner und einem souveränen Henry Hübchen, dass dieser Film nicht auf die neue Modewelle der freundlichen Greisenfilme über "fröhliche Alte" aufspringt, sondern den Mut hat, sich auch der Tristesse des Alterns zu stellen und daran nichts verklärt. "Alter und Schönheit" ist ein Film über den Zweifel als dominierendes Lebensgefühl.

Ein deutscher Film Noir

Das kann man auch über Christian Petzolds "Jerichow" sagen, nur äußert sich der Zweifel hier nicht in Entspannung, sondern in Anspannung. Die Leinwand ist noch schwarz, da hört man die ersten Glocken. Eine Beerdigung. Ein Mann namens Thomas steht am Friedhofstor, es ist seine Mutter, die gestorben ist. Ein anderer kommt an, mit Limousine und Fahrer, sie waren Freunde, aber er hat Thomas Geld geliehen, das er jetzt eintreiben will. Wir erfahren, dass Thomas alles gepfändet wurde, und mit sicherem Instinkt entdeckt der Gläubiger das - schlechte - Versteck im "Limonadenbaum-Haus" im Garten aus der Jugendzeit. Dort liegen die Geldscheine bündelweise. Der Mann nimmt das Geld, Thomas wird niedergeschlagen und liegt bewusstlos im Gras, als die Limousine wegfährt…

Genau so, mit dem Ende eines Films, den wir nie kennen werden, fängt dieser Film an: "Jerichow" von Christian Petzold. Ein Reh weckt den Bewusstlosen auf, wie im Märchen, und genaugenommen könnte alles, was nun folgt, auch ein Traum sein, ähnlich wie in Petzolds letztem Film "Yella", indem Nina Hoss in fast der gleichen Stellung am Boden lag, wie jetzt Benno Fürmann in der Rolle des Thomas. "Jerichow" ist aber unromantischer als "Yella" eher ein deutscher Film Noir, der Versuch zumindest, die Motive und die Emotion des Film Noir auf deutsche Gegenwartsverhältnisse treffen zu lassen.

"Jerichow". Bild: Schramm Film

Ein reicher Mann engagiert einen armen Mann. Um Arbeit zu machen, die dieser nicht machen kann. Die beiden ergänzen sich gut, könnten sogar fast Freunde sein, wäre da nicht das Geld, das hier alles auslöst, alles aufrecht erhält - und die soziale Hierarchie, die aus ihm folgt. Doch auch das ließe sich womöglich überwinden. Aber der arme Mann verliebt sich in die schöne Frau des reichen Mannes. Und das Unglück nimmt seinen Lauf. Wem dieser Plot irgendwie bekannt vorkommt, der liegt nicht falsch: "Wenn der Postmann zweimal klingelt…", James M. Cains Novelle, inspirierte zuerst Luchino Viscontis "Ossessione" von 1943, dann einen berühmten Film Noir von 1946 und Bob Rafelsons vor allem durch die Sex-Szene zwischen Jack Nicholson und Jessica Lange bekanntes Remake von 1981.

Verqueres Nationbuilding

Es geht um Armut und Amour (fou), und um die schlimmen Folgen, wenn beides zusammen trifft. Der Berliner Regisseur Christian Petzold nutzte auch in früheren Filmen - "Die innere Sicherheit", "Wolfsburg", "Yella" - die Filmgeschichte als Hintergrund, den er dann ganz zeitgemäß übermalt und ausbuchstabiert. Mit seiner Interpretation des Cain-Stoffes ist Petzold nun ein Meisterwerk der Konzentration geglückt, geprägt durch jene ganz eigenartige, unverwechselbare Atmosphäre, die Petzolds Filme seit jeher und immer stärker eigen sind.

Aus drei Perspektiven erzählt Petzold eher skizzenhaft seine Geschichte: Zunächst aus der von Thomas, der gerade, arm wie eine Kirchenmaus, als Soldat in Afghanistan unehrenhaft entlassen und verfolgt von Gläubigern ins Dorf seiner Kindheit zurückgekehrt ist. Hier kommt Ali ins Spiel, der in der Gegend eine Döner-Kette aufzieht, und einen Fahrer braucht. Er mag Thomas und gibt ihm eine Chance. Das letzte Drittel gehört Laura, der Frau, die sich von Ali hat kaufen lassen, und die Thomas trotzdem nicht widerstehen kann.

"Jerichow". Bild: Schramm Film

Benno Fürmann, Hilmi Sözer und Nina Hoss spielen dieses Dreigestirn. Noch nie sah Fürmann so männlich aus wie hier - ein Auftritt von hochgradiger proletarisch-körperlicher Präsenz, der an die besten Zeiten von Klaus Löwitsch erinnert. Hoss dagegen kombiniert Zerbrechlichkeit und Kälte in einer Weise, die ihren vielen Auftritten eine weitere faszinierende Facette hinzufügt. Ihre Laura ist ein Mensch, bei dem alles in ihrem Leben sich ums Geld dreht, die sich aber doch nach ganz anderem sehnt: Nach Ruhe, nach Freiheit. Bei Ali kann sie Ruhe haben, bei Thomas Freiheit, beides aber geht nicht - das ist ihr Unglück. Die Entdeckung ist aber Hilmi Sözer, dessen Gesicht man zwar irgendwoher kennt. Aber so auftreten, so tanzen, so weich und dennoch cool sein wie hier konnte er noch nie - das Herz eines Films über drei eigentlich schon von Anfang an verlorene Seelen, dem Hans Fromms Kamera einmal mehr französisch sommerlich anmutende Bilder gibt, die mit analytischer Klarheit ihr Sujet bloßlegen. Wenn hier noch Heimat ist, dann als verqueres Nationbuilding.

Am Ende steht ein schockierender Showdown, in dem all diese drei miteinander unrettbar verstrickten Personen so viel begreifen, wie noch nie in ihrem Leben. Bleiben die Fragen des Films: Kann man sich lieben, wenn man kein Geld hat? Und was richtet die Schuld mit der Liebe an?

Die Hoffnung stirbt zuletzt

"Hinterm Horizont geht's weiter…" sang einst Udo Lindenberg; eine frohe Botschaft auch für die heimischen Filmemacher. Denn so wie die Republik eben noch Optimismus trug, nun ein einzig Jammertal ist, bleibt auch dem Kino nach dem Ende des Zwischenhochs und dem Beginn der Krise nur das Prinzip Hoffnung: Sehr viele neue deutsche Filme werden in den nächsten Wochen ins Kino kommen, oft von bekannten Namen inszeniert. Neben Mainstream und feigem Kommerz, wird man dann auch einige Kinokunst sehen, Filme, die in herausforderndem Stil etwas Aussagekräftiges, womöglich Unbequemes über die Gegenwart erzählen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.