Vorratsdaten - Überwachungstechnik als Wettbewerbsvorteil

Teil 2: Merkantiler Mehrwert und bereits anfallende Daten

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In ihrer fast 120 Seiten umfassenden Stellungnahme zur Vorratsdatenspeicherung hat die Bundesregierung sich nur allzu deutlich demaskiert. Es lohnt sich, einigen Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Am 14.12.2005 nahmen die Abgeordneten des EU-Parlamentes die bis zum Schluss umstrittene EU-Richtlinie an, welche die Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht mehr auf freiwilliger Ebene regelte. Die Richtlinie schrieb vielmehr die Umsetzung der VDS für die EU-Staaten vor. Dem Vorstoß einiger Mitgliedsstaaten, den Providern zu ermöglichen, die VDS-Daten für Marketingzwecke zu nutzen, folgte man nicht.

Umso erstaunlicher ist, dass die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zur VDS diesen Gedanken anscheinend wieder aufgreift. Und auch ein anderes Argument der Politik findet sich in der Stellungnahme wieder.

Aber die Daten fallen doch sowieso an

Die Argumentation, dass lediglich bereits anfallende Daten gespeichert werden, wurde bereits von der Bundesjustizministerin genutzt, um eine ähnliche Verwirrung wie beim Begriff „schwere Straftaten“ zu ermöglichen. Zum einen ist es ein Unterschied, ob Daten lediglich anfallen, oder gespeichert und ausgewertet werden, zum anderen ist diese Logik bereits hinsichtlich des Urteils zur Speicherung der IP-Daten von Flatratekunden nicht mehr nachvollziehbar, da diese Daten eben nicht mehr anfallen sollten.

In der Stellungnahme nimmt die Bundesregierung gerade hinsichtlich der Speicherung zudem nur auf große Provider Bezug, indem sie davon ausgeht, dass die Infrastruktur zur Speicherung bereits zur Verfügung stünde.

So heißt es:

[...] es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführer ihren Beruf ohne die angegriffene Regelung in irgendeiner Art und Weise anders ausüben würden. Sie werden lediglich bei Ausübung ihres Berufes in der gewünschten Art und Weise mit bestimmten gesetzlichen Pflichten belastet. Davor schützt die Berufsfreiheit jedoch nicht.

Hilfsweise ist festzuhalten, dass wegen bestehender Abrechnungspflichten sowie zu den sonstigen in §§ 96, 100, 101 TKG genannten Zwecken den betroffenen Unternehmen in der Regel die erforderliche Infrastruktur bereits zur Verfügung steht. Die von der der Aufbewahrungspflicht betroffenen Informationen entstehen bei der entgeltlichen Kommunikationsdienstleistung ohnehin.

Auch hier wird rabulistisch zwischen flüchtigen und nichtflüchtigen Daten nicht mehr unterschieden. Das Entstehen und Speichern wird gleichgesetzt, um den Eindruck zu erwecken, dass hier eine Speicherung von Daten erfolgt, welche sowieso gespeichert werden (müssen). Dies lässt die (kleinen) Internetprovider komplett außer Acht, die bisher eben die Daten nicht speicherten, es soll gleichzeitig aber auch die durch das Holger-Voss-Urteil gerügte Praxis der Speicherung von IP-Adressen legitimieren.

Merkantiler Mehrwert

Weiterhin argumentiert die Bundesregierung dahingehend, dass die Investitionen für erweiterte Speicherkapazitäten sich bei größeren Unternehmen auch betriebsintern nutzen ließen und somit nicht nur Verluste, sondern auch einen zusätzlichen merkantilen Mehrwert bedeuten würden. Für kleinere Betriebe gäbe es ja Sonderregelungen.

Da es sich um Speicherkapazitäten handelt, welche ohne die VDS nicht notwendig wären, stellt sich die Frage, wie dieser merkantile Mehrwert zustande kommen kann. Letztendlich ergibt eine solche Argumentation nur dann einen Sinn, wenn die Unternehmen auch ihrerseits auf die Vorratsdaten Zugriff nehmen und diese auswerten können - ansonsten wäre es kaum möglich, aus Daten, die für andere gespeichert werden müssen, einen Mehrwert zu ziehen. Es sei denn, die Bundesregierung meint mit merkantilem Mehrwert die Möglichkeit, Informanten aus den eigenen Reihen zu lokalisieren, so wie es die Telekom tat.