Afrikaner schmecken Bitter besser

Die höhere Variationsbreite eines Gens erlaubt möglicherweise auch die individuelle Wahrnehmung von Zwischenstufen, die Europäer und Asiaten nicht erkennen

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Südlich der Sahara gibt es mehr Varianten des Gens TAS2R38 als in Europa und Asien. Nun deuten auf einer Konferenz vorgestellte Untersuchungen der Genetikerin Sarah Tishkoff darauf hin, dass einige davon funktionell sein könnten.

Das Gen TAS2R38 regelt, ob Rezeptoren für die Wahrnehmung der Bitterstoffe Phenylthiocarbamid (PTC) und Propylthiouracil (PROP) wahrgenommen werden. Auch verwandte Substanzen, die beispielsweise in Broccoli und Rosenkohl enthalten sind, werden mittels dieser Rezeptoren geschmeckt. Ein Effekt der bereits in einem Simpsons-Gag verarbeitet wurde: In der Episode Treehouse of Horror XI erstickt Homer beim Essen von Broccoli, worauf hin Dr. Hibbert erklärt, das Gemüse sei "the deadliest plant on Earth - why, it tries to warn you itself with its terrible taste!".

Von den in Europa und Asien vorkommenden zwei Varianten des Gens sorgt die eine dafür, dass die beiden Bitterstoffe etwa tausend Mal stärker wahrgenommen werden als von Menschen mit der anderen Variante. Der Effekt wurde bereits 1931 entdeckt, als Arthur Fox, einem Chemiker bei DuPont, versehentlich eine Wolke mit zerstäubtem PTC entkam. Während sich einer seiner Kollegen über den bitteren Geschmack beschwerte, nahm ein anderer, dessen Arbeitsplatz wesentlich näher an der Unfallstelle war, überhaupt nichts wahr. Fox testete darauf hin Familien und entwickelte die Theorie, dass die Fähigkeit zum Schmecken von PTC genetisch bestimmt ist. Die Korrelationen stellten sich tatsächlich als so stark heraus, dass der Test früher sogar zur Bestimmung von Vaterschaften eingesetzt wurde.

Während es in Europa und Asien nur in zwei Ausprägungen existiert, kommt TAS2R38 in Afrika in insgesamt sieben Varianten vor. Auf dieser Grundlage aufbauend untersuchte Sarah Tishkoff Angehörige mehrerer Hirten- und Jäger/Sammler-Völker in Kamerun und Kenia auf dieses Gen und auf ihre Schmeckfähigkeiten. Dazu ließen sie und ihr Kollege Michael Campbell ihre Probanden verschieden starke PTC- und PROP-Lösungen probieren, bis sie das Gesicht verzogen und ausspuckten. Die bisherigen Ergebnisse von Tishkoffs noch nicht abgeschlossenen Studien deuten darauf hin, dass die untersuchten Volksgruppen aufgrund einer größeren Variationsbreite des Gens nicht nur in ihrer Gesamtheit mehr Abstufungen schmecken, sondern dass bestimmte Genvarianten auch individuell ein Schmecken von Zwischenstufen erlauben, das bei Europäern und Asiaten nicht vorkommt.

Tishkoff vermutet, dass dieses bessere Differenzierungsvermögen einmal ein Selektionsvorteil war – möglicherweise, weil die Vorfahren der getesteten Afrikaner stärker auf bitter schmeckende Nahrungsmittel angewiesen waren. Auch die Breite des Angebots an verschiedenen zu Verfügung stehenden Pflanzen könnte hier ihrer Ansicht nach eine Rolle gespielt haben. Eine mögliche Ursache, warum Europäer und Asiaten diese Fähigkeiten nicht haben, könnte darin liegen, dass die genetische Variationsbreite jener wenigen Auswanderer, welche ihre Stammväter wurden, so gering war, dass das bessere Differenzierungsvermögen nicht mit exportiert wurde.