Geschenke für die Industrie

Das "Konjunkturpaket 2" trifft auf die Kritik von Umweltschützern und Unternehmern. Ein Gespräch mit Jürgen Maier von der Klima-Allianz

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Am Donnerstag soll der Bundestag auf einer Sondersitzung das Konjunkturpaket 2 beschließen. 50 Milliarden Euro wollen Union und SPD für die Wirtschaftsförderung binnen zwei Jahren ausgeben. Die Frage, wer von diesen Subventionen profitiert, ist offen. Vergangene Woche bereits hatte die Klima-Allianz in Berlin die Initiative kritisiert. Der Zusammenschluss von rund 100 Organisationen aus dem sozialen, konfessionellen und wirtschaftlichen Bereich macht Lobbyarbeit für eine neue Umweltpolitik. In der aktuellen Konjunkturpolitik der Bundesregierung komme dieses Ziel zu wenig vor, heißt es von ihrer Seite. Dies schade nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Ziel der Nothilfe: der Schaffung von Arbeitsplätzen. Telepolis sprach mit Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz.

Herr Maier, die Parteien der großen Koalition haben sich am Dienstag auf das zweite so genannte Konjunkturpaket geeinigt. 50 Milliarden Euro sollen dafür binnen zwei Jahren bereitgestellt werden. Eigentlich eine gute Sache. Trotzdem hat sich die Klima-Allianz kritisch geäußert. Was bemängeln Sie?

Jürgen Maier: Unserer Meinung nach ist dieses Konjunkturpaket vom ökologischen Standpunkt aus betrachtet sinnlos. Mehr noch: Es setzt zum Teil völlig falsche Anreize. Denn wer jetzt meint, zur Belebung der Konjunktur ausgerechnet die Autoindustrie mit wahllosen Geschenken bedienen zu müssen, der macht einiges falsch. Dabei hat es noch vor einigen Wochen in der Europäischen Union eine sehr rege Debatte über das EU-Klimapaket gegeben …

… das die Klimaziele der Union bis zum Jahr 2020 garantieren soll. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll um 20 bis 30 Prozent reduziert, der Anteil erneuerbarer Energiequellen auf 20 Prozent gesteigert und die Energieeffizienz um ein Fünftel erhöht werden.

Jürgen Maier: Doch alles das scheint nun vergessen. Stattdessen ist in Berlin davon die Rede, neue Straßen zu bauen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Auch heißt es, dass der Autobau subventioniert werden soll. Um welche Autos es dabei geht, ist anscheinend völlig egal.

Aber ist es nicht tatsächlich gleich, wofür das Geld verwendet wird? Auch beim Straßenbau entstehen schließlich Arbeitsplätze.

Jürgen Maier: Wenn der Staat Geld ausgibt, entstehen natürlich immer irgendwo Arbeitsplätze. Die Frage ist, wie viele es sind und wie lange sie bestehen bleiben. Es gibt zum Beispiel Untersuchungen, nach denen eine Unterstützung der Bauindustrie dann besonders effektiv ist, wenn sie auf eine energetische Gebäudesanierung orientiert. Gerade dabei gibt es riesigen Nachholbedarf. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat vor wenigen Jahren einige Studien zu diesem Thema veröffentlicht. Dabei kam heraus, dass die Investition von einer Milliarde Euro im Jahr 26.000 Arbeitsplätze schafft. Das wird im Straßenbau nie gelingen.

Klimaschutz, so hört man immer, kostet Geld. Sie sagen, dass Klimaschutz die Konjunktur unterstützt und Arbeitsplätze schafft. Wie das?

Jürgen Maier: Wir reden hier über ein Konjunkturprogramm, das darauf abzielt, Geld auszugeben und sinnvoll zu investieren. Und im Klimaschutz haben wir ganz erheblichen Investitionsbedarf. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen – wie die erwähnte Gebäudesanierung –, die seit Jahren überfällig sind. Bislang ist das immer am Geld gescheitert. Wenn nun milliardenschwere Konjunkturpakete aufgelegt werden, ist es nur schwer verständlich, wenn diese Aufgaben weiter vernachlässigt werden.

Nehmen wir das Beispiel der Autoindustrie: Kann diese Branche vom Staat denn überhaupt unterstützt werden, ohne Klimaziele zu beeinträchtigen?

Jürgen Maier: Zunächst einmal verstand und versteht es die Automobilbranche immer gut, Steuergeschenke einzuheimsen. Bei allen Klimaschutzprogrammen in Deutschland ist der Verkehrsbereich recht ungeschoren davongekommen. Auch dieses Mal läuft einiges schief. So gibt es bereits Überlegungen über eine so genannte Abwrackprämie für Autos …

… die Verbrauchern ausgezahlt werden soll, die ihre alten Wagen der Euro-Stufen 1 und 2 verschrotten lassen und ein neueres Modell kaufen …

Jürgen Maier: … und eben dieses Prinzip könnte man bei Kühlschränken ebenso anwenden, oder bei Fernsehern, Heizkesseln oder anderen Produkten. All das sind Geräte, die Energie verbrauchen und bei einer Erneuerung Energie einsparen. Sie werden zudem hier im Land hergestellt und würden hier Arbeitsplätze schaffen. Merkwürdigerweise ist von Abwrackprämien für diese Geräte keine Rede. Der Zentralverband des Elektrohandwerks hatte eine solche Forderung vor rund einem Jahr erhoben. Damals hat das in Berlin keinen Menschen interessiert. Wenn die Automobilindustrie aber eine entsprechende Forderung aufstellt, wird sie unmittelbar zur Regierungspolitik.

in Beleg für den starken Einfluss der Automobillobby auf die Entscheidungsträger in Berlin?

Jürgen Maier: Ohne Zweifel. Das wird besonders deutlich, wenn Sie sich anschauen, was für Autos subventioniert werden sollen. Es ist bislang ja überhaupt nicht vorgesehen, nur klimafreundliche Automobile zu fördern. Mit dem einfachen Prinzip, alte gegen neue PKWs zu ersetzen, tut man der Umwelt keinen Gefallen. Im Übrigen profitiert davon auch nicht der deutsche Arbeitsmarkt, denn die größten Spritschlucker werden im Ausland produziert.

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöfer von der Uni Duisburg hat eine Abwrackprämie deswegen als "Konjunkturprogramm für die Werke in Rumänien, Tschechien oder Italien, finanziert aus deutschen Steuergeldern" bezeichnet.

Jürgen Maier: Solche Stimmen sind aus den Parteien aber kaum zu vernehmen. Die Umweltschützer in den Parteien sind zurzeit auf Tauchstation. Auch von denjenigen, die sich noch vor wenigen Wochen für das EU-Klimapaket eingesetzt haben, ist nun nichts mehr zu hören.

Was will die Klima-Allianz?

Jürgen Maier: Wir wollen erreichen, dass Klimaschutz endlich kein Thema in Sonntagsreden mehr ist, sondern sich in der politischen Praxis der deutschen Regierung widerspiegelt. Die Klima-Allianz wurde mit eben diesem Ziel gegründet: Umweltschutz soll nicht länger als Ziel einschlägiger Organisationen und Gruppierungen wahrgenommen werden, sondern als ein Anliegen aus der Mitte der Gesellschaft. Unsere Mitglieder repräsentieren schließlich auch das gesamte Spektrum der Gesellschaft.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt mit Vertretern mittelständischer Unternehmen getroffen. Auch mit Ihnen?

Jürgen Maier: Bislang nicht. Wir haben unlängst zwar versucht, einen Termin mit ihr zu bekommen. In ihrem Büro hieß es jedoch nur, man hielte ein solches Treffen nicht für notwendig.