Israelische Regierung fürchtet Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen

Israel und Hamas stellen kaum zu versöhnende Bedingungen für einen Waffenstillstand

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Die Bombardierung und der Beschuss von Zielen im Gazastreifen verursachten nach einer ersten Prüfung der Vereinten Nationen am Wochenende große Schäden an zivilen Einrichtungen im ganzen Gebiet. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Strom und Brennstoffen sei weiter kritisch. John Holmes vom UN-Hilfsdienst sagte: "Wir haben eine schockierende Zerstörung gesehen." Das Leiden der Menschen und die Zerstörung, die sie gesehen hätten, seien Herz zerbrechend gewesen. Es sei schockierend, "dass Zivilisten in dieser Militäroperation so unverhältnismäßig viel leiden mussten".

In Gaza nehme die Verärgerung über die israelische Militäroperation zu, die viele Tote und Verletzte und große Schäden verursacht hat, warnte John Ging, der Direktor des UN-Hilfswerks in Gaza (UNRWA). Die Extremisten seien durch den Krieg gestärkt worden, der ein hohes Maß an Trauer, Frustration und Verzweiflung geschaffen habe. Man müsse das Vertrauen der Menschen in das Gesetz wiederherstellen, das fair und objektiv ausgeübt werden müsse. Genauso wichtig sei es aber auch, die Grenzübergänge zu öffnen, um die Versorgung der Menschen zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass ein Leben in Würde möglich ist.

Das Ergebnis des Kriegs ist, wie dies schon im Fall des Libanon-Kriegs der Fall war, eine Stärkung der Gegner. Zwar hat die israelische Armee gezeigt, dass sie schnell und hart zuschlagen kann, aber zumindest in einem asymmetrischen Krieg gegen bewaffnete Gruppen in einem dicht besiedelten Gebiet kann ein Militärschlag, wenn es zu viele Opfer und Schäden gibt, vermutlich gar keinen wirklichen Erfolg haben, sondern er wird eher den Rückhalt der Gegner in der Bevölkerung stärken. Das ist derselbe Solidarisierungseffekt, der auch bei Terroranschlägen eintritt, die zufällige und zivile Opfer fordern. Auch das wird als grausam, rücksichtslos und barbarisch empfunden.

Da nun die durch den Krieg gestärkte Hamas, die – eigentlich seit 2006 demokratisch durch eine faire Wahl legitimiert – den Gaza-Streifen regieren und nach Kämpfen mit Fatah-Anhängern kontrollieren, beansprucht, den Wiederaufbau zu leiten, könnten auch die UN-Organisationen in den Konflikt hineingezogen werden. Sollte die Hamas die Hilfsgelder und –güter erhalten und verteilen, dann werden ihre Macht und wahrscheinlich auch ihr Ansehen bei der Bevölkerung weiter zunehmen, lehnt die UN dies hingegen ab oder will sie dies über die von Fatah kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde machen, könnte dies denselben Effekt haben, wenn die Menschen unzureichend versorgt werden.

Zudem scheint die Hamas noch viel Geld zu haben und hat angekündigt, wie der Guardian berichtet, an Menschen, deren Haus zerstört wurde, 4000 US-Dollar zu zahlen. Lebensmittelgutscheine und Hilfsgüter, die teils von Hilfsorganisationen kommen, wurden bereits verteilt. Zwar nützt das ganze Geld Hamas wenig, wenn Israel die Blockade weiter aufrecht erhält und nicht ausreichend Hilfsgüter in den Gaza-Streifen gelangen, andererseits könnte damit die Wut auf Israel weiter wachsen und die Versorgung über Tunnels weiter florieren.

Während Israel eine Unterbindung des Waffenschmuggels und einen Waffenstillstand von 18 Monaten fordert, will die Hamas nur eine Vereinbarung über ein Jahr, und auch nur dann, wenn die Grenzübergänge geöffnet und die Blockaden beendet werden. An den Grenzübergängen würden türkische und europäische Beobachter akzeptiert, aber keine israelischen. Hamas will auch keine Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde dulden und lehnt eine Versöhnung mit der Fatah ab, solange diese nicht die Friedensgespräche mit Israel abbricht, bei denen die Hamas außen vor bleibt. Hamas bietet der Fatah Versöhnungsgespräche an, wenn die festgenommenen Hamas-Anhänger freigelassen werden und eine gemeinsame Widerstandsbewegung zur Befreiung der besetzten Gebiete formiert wird.

Außenministerin Tzipi Livni hat im Vorblick auf die Wahlen nicht nur wiederholt, dass Israel durch den Krieg die meisten Ziele erreicht habe, sie sagte auch, dass sie einen erneuten Angriff auf die Hamas befürworte, um den Waffenschmuggel zu unterbinden. "Der Schmuggel von Waffen nach Gaza", so Livni in einem Interview, "ist dasselbe wie Raketen auf Israel abzuschießen. Die Welt sieht das genauso."

Israelische Regierung will Offiziere vor Klagen schützen

Kritik wurde nicht nur am Einsatz von Phosphor-Munition laut, sondern allgemein an der als unangemessen hoch betrachteten Gewalt des israelischen Militärs, die zu vielen zivilen Toten und Verwundeten geführt hat, darunter auch zahlreiche Kinder. UN-Vertreter fordern eine unabhängige Untersuchung, ob Israel Kriegsverbrechen begangen hat, beispielsweise durch den Beschuss von UN-Einrichtungen wie Schulen oder dem Lager mit Hilfsgütern, in dem viele Palästinenser vor den Angriffen Schutz gesucht hatten. Die israelische Regierung bereitet sich bereits auf Klagen von Palästinenserorganisationen gegen die Verantwortlichen für die Militäroperation etwa vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Verteidigungsminister Ehud Barak hat einen Gesetzesvorschlag vorbereitet und am Sonntag vorgelegt, nach dem Offizieren und Soldaten Unterstützung und Schutz zugesichert wird, wenn sie wegen des Einsatzes angeklagt werden. Das Kabinett hat das Gesetz gebilligt. Barak sagte, die Regierung trage für die Operation die Verantwortung. Er verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass die israelische Armee eine "moralische Armee" sei. Er kenne keine weitere Armee, die unter solchen hohen Standards vorgehe. Barak hat die Armee beauftragt, eine Expertengruppe mit der Sammlung von Beweisen zu beauftragen, um mögliche Klagen abzuwehren.

Regierungschef Olmert sagte, die terroristischen Organisationen würden nun in einer "moralischen Akrobatik" versuchen, sich als Angreifer in Opfer zu verwandeln, so dass israelische Soldaten und nicht dem Terrorismus die Schuld zugerechnet wird. Olmert sicherte allen an der Militäroperation Beteiligten zu, dass sie von Gerichten nicht belangt werden.

Die militärische Zensurbehörde hat nach Haaretz damit begonnen, Medienvertreter daran zu hindern, Offiziere, die am Krieg beteiligt waren, zu identifizieren und Informationen über sie zu sammeln. Es besteht die Sorge, dass einzelne Offiziere von Menschenrechtsorganisationen oder politischen Gruppen herausgepickt werden könnten, um Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen vorzubereiten. Organisationen hätten damit begonnen, eine Liste von Offizieren und den Orten aufzustellen, an denen sie Einsätze geleitet haben.

Offenbar hat sich die Armee lange auch rechtlich auf den Krieg vorbereitet. So gab es etwa auch interne Kritik an dem Plan, die Polizisten im Gaza-Streifen während der Abschlusszeremonie eines Kurses zu bombardieren. Schließlich soll jedoch die Abteilung für internationales Recht, geleitet von Leutnant Pnina Sharvit-Baruch, diesem Angriff ebenso wie Bombardierungen von Regierungsgebäuden und der Änderung von Einsatzregeln zugestimmt haben, was dann vielen Zivilisten das Leben gekostet hat. So geht man hier angeblich auch davon aus, dass das Töten von Zivilisten in einem Haus, das zuvor gewarnt wurde, legitim sei. Das würde aber die israelische Armee nicht machen, schreibt Haaretz.

Gleichwohl sollen sich die Befehlshaber des Kommandos Süd nicht sonderlich um die Ratschläge der Rechtsberater kümmern. Um nicht weiter an den Rand gedrängt zu werden, so vermutet Haaretz, könnte die Rechtsabteilung die Einsatzregeln gelockert haben. In den juristischen Anmerkungen zur Militäroperation heißt es etwa, dass die Zivilbevölkerung in einem Kampfgebiet vorgewarnt werden sollte, soweit dies möglich und den Umständen angemessen ist, "wenn damit nicht die Operation oder die Truppen gefährdet werden". Geraten wurde auch, dass die Kommandeure extrem vorsichtig beim Einsatz von Brandwaffen wie Phosphorbomben sein sollten. Zuvor müsse die Rechtsabteilung gefragt werden. Ein hoher Mitarbeiter der Rechtsabteilung sagte Haaretz: "Unser Ziel ist nicht, die Armee einzuschnüren, sondern ihr die Mittel zum Sieg auf legale Weise zu geben.