Burda: "Lousy Pennies on the Web"

DLD: Medien und neue Realitäten

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Es gibt immer wieder Münchener, die beim schaurigen Stichwort "Krise" wehmütig an einen Serienhelden denken, den Monaco Franze, Stenz, Leichtfuß und Held der gleichnamigen Serie aus den frühen 1980er Jahren von Helmut Dietl. Während seine Antiquititätenhändlergattin und Sponsorin angesichts der schlechten Zeiten nur ans Sparen denkt, sitzt der Monaco Franze in der Krisen-Episode "Machts nur so weiter" statt im Weiterbildungssprachkurs mit seinen jüngeren Mitschülerinnen im englischen Garten und läßt sich Lachs und Walderdbeeren von Feinkost Dallmayr schmecken. Lebensart halt, Altmünchner Stil, zu dem auch der Cafébesuch gehörte und die zusammengefaltete Zeitung, die Kultiviertheit signalisierte, aber meist nur so als Alibi unbeachtet auf dem Tisch lag, während der Lebemann genüsslich in die Sonne blinzelte. Die Zeiten sind vorbei.

Die Krisen und der Umgang damit sind härter geworden, bissl weniger "Monaco", auf den Tischen der Münchener Cafés, die jetzt öfter amerikanische als italienische Namen tragen, signalisieren aufgeklappte Notebooks anhaltende Aktivität und neobohemische Interessantheit, zusammengeklappte Zeitungen sind mehr als "15 minutes ago", wie manche Movers jetzt neumodisch für veraltet sagen. Sind Zeitungen wirklich veraltet?

Dieser und anderen Fragen der Gegenwartskultur stellten sich die Teilnehmer der von Burda Media veranstalteten Digital Life Design-Konferenz unter dem Motto "New Realities". Unter den Sprechern und Moderatoren waren international bekannte Namen wie Rem Kohlhaas, Thomas Demand, Nassim Nicholas Taleb, Marissa Mayer, Mark Zuckerberg, Edwin Moses, u.v.a.

Hier trafen sich aber auch die konservativen Verleger. Diese hätten beim Dietl, der immer einen Sinn für das klassische Medienensemble hatte, eine gute Figur abgegeben, mit dem seriösen Habitus, idealtypisch: graumelierter Kurzhaarschnitt, englischer Anzug, Hornbrille, die faltenfreie FAZ ungelesen auf dem Büroschreibtisch; wichtige Menschen, gewohnt, diskret aus dem Hintergrund zu agieren, mit großer Macht.

Hier, auf dieser Veranstaltung, wirkten sie manchmal ein wenig wie ratlose Antiquitätenhändler. Um sie herum aufgeklappte Notebooks, dahinter junge kluge Köpfe mit Drähten dran und leisen Fingern, die so nebenbei über saubere Tastaturen laufen, während man dem Bekannten freundlich zunickt; eine neue, zielgerichtete Generation, die, so hat es den Anschein, ohne Stenzgehabe und Schmalz auskommt und dem Antiquitätenverleger Angst einflößt, weil sie die vife Vorhut derer ist, die, so steht zu befürchten, völlig ohne Zeitungen auskommen kann. So ist denn der Blick auf die neugierig-freundliche Community, die sich mit kalifornischer Leichtigkeit über die Konferenzräume des Münchener DLD verteilt und immer neue, entspannte Minikonferenzen aus zwei, drei Teilnehmern bildet, plaudert, twittert, telephoniert und lacht, aus manchen Augen nicht immer ganz so strahlend.

Die Krise ist bisweilen auch da - wahrscheinlich gilt dies nicht nur für den elegant gekleideten Herrn, der am Ende eines hochkarätig besetzten Konferenzpanels über die Zukunft der Medien noch eine kleine Weile nachhört und danach erklärt, dass auch das Ende der Lokalzeitungen nur aufgeschoben sei. Die Jungen würden keine Zeitungen mehr lesen, der kontinuierliche, auf mehreren Seiten zusammengefasste "Flow of Information" interessiere sie nicht mehr, sie würden sich die Information selbst zusammensuchen wollen, aus mehreren Quellen, sagte der Mann, alle Untersuchungen würde das bestätigen, daran sei kein Zweifel mehr.

Zuvor hatte man auf der Bühne Sarkozys jüngsten Vorschlag abgehakt. Der französische Präsident hatte am Wochenende ein außerordentliches Geburtstagsgeschenk für den Nachwuchs der Kulturnation vorgeschlagen: ein kostenloses Zeitungsabonnement für alle, die 18 werden, ein Jahr lang eine Zeitung frei nach Wahl ins Haus. Für die Kosten der Zeitungen sollen nach Vorstellung Sarkozys die Verleger aufkommen, für den Postweg der Staat.

Aus der Sicht des (zeitungsliebenden) Konsumenten ist das ein schönes Krisen-Geschenk, angesichts dessen, was man an teurem Geld für ein Abo hinlegen muss (denken Verleger auch daran?). Pädagogischer und nachhaltiger als das Verschrotten von alten Autos, das einer Industrie helfen soll, die überteuerte, und in acht von zehn Fällen vollkommen überflüssige Produkte produziert. Aber vielleicht läßt sich genau das auch für die Zeitungsbranche sagen.

Genau das gaben nämlich zwei Protagonisten der spannenden Diskussion über neue Medienmodelle, die im Rahmen der DLD-Konferenz am Montag stattfand, ziemlich deutlich zu verstehen. Der eine, Buzzmachine Jeff Jarvis, mit Zuversicht und Optimismus für die Folgen der Revolution eintretend, welche die Internet-Generation schon längst woanders hingebracht hat, wo sie keine alten Modelle mehr erreichen können. Der andere TechCrunch-Chef Michael Arrington mit viel publikumswirksamer Häme - "journalists are lazy primadonnas with bad work ethics compared to bloggers" – ohne Milde gegenüber jenen, die noch an die Zukunft gutgemachter (mit Liebe, Leidenschaft und sehr "nice") Zeitschriften glauben, selbst wenn die einer vorhat, der von Wired kommt.

Der Böse im Spiel Alt gegen Neu zeigte keine Gnade gegenüber allen Modellen "Old-Media-Type" und der gute, weil freundlichere Protagonist des Neuen, Jeff Jarvis, wiederholte, was er tags zuvor schon in seinem Blog geschrieben hatte: Dass man das viele Geld für die Zeitungsabo-Geschenke, 600 Millionen Euro, für Besseres, Zeitgemäßeres, Notwendigeres verwenden könnte: Breitband für alle, sowie Mittel für damit einhergehende technologische Förderung. Anzeigenkunden, so das optmistische Argument Jarvis', hätten dann gar keine andere Ausflucht mehr, als online zu gehen, weil dann alle dort sind. Neue Jobs, neues Geld, neue Erfahrungen, einen Aufbruch in neue bessere Zeiten verspricht sich Jarvis von Investitionsprogrammen, die mit Subventionen und Steuererleichterungen in diese Richtung arbeiten und nicht in die alte.

Michael Arrington agierte im Vergleich zu dem konstruktiver wirkenden Jarvis, der für die traditionellen Positionen von Zeitungsverlegern noch ein Ohr hatte, viel gröber, aber auch unterhaltsamer. Arrington sieht gar keine Zukunft mehr für alte Medienmodelle, Zeitungen, Zeitschriften etc. Kosten spare er allein schon dadurch, dass keine mehr für Büros und Ausstattung anfallen, seine Mitarbeiter bringen das alles mit und zwar auf dem neuesten Stand, wie auch das ständig aktualisierte Fachwissen von Spezialisten, die sich ständig im Netz auf dem Laufenden halten. Wie gut der kompetente Autoren-Schwarm mit seinen Beiträgen verdient, verriet Arrington aber nicht.

Dafür machte Carolyn McCall vom Guardian, derzeit das von allen beäugte fortschrittlichste Zeitungsmodell im Internet, darauf aufmerksam, was gute, orginäre Berichterstattung aus dem Irak kostet; etwa 180.000 Pfund pro Jahr jährlich braucht man für den Korrespondentenposten in Bagdad. Wie will man das künftig bezahlen – in Zeiten der Krise, wo sich Werbekunden on-und offline rar machen - unter anderem weil Marken in Zeiten von Google, Ebay und anderen Plattformen gar keine Medien für ihre Werbung mehr brauchen? Woher soll das Geld für aufwändigere Berichterstattung kommen?

Dass unsichere Zeiten angebrochen sind, zeigte am deutlichsten der Schirmherr der Münchener Veranstaltung selbst, als er am Ende des Panels zum Mikro griff: "You get lousy pennies on the web", sagte Hubert Burda. Das Zitat wird im jüngsten Neuen-Medien-Kanal als das "meistbetwitterte, vielsagendste DLD-Statement" gemeldet. Und es stammt von einem Mann, der den Information-Highway eigentlich seit jeher gepriesen hat.

Darauf hatte keiner auf dem Podium und auch keiner der Medienfachleute im Publikum eine zufriedenstellende Antwort.