Die große Silberspekulation der Hunts

Um das Jahr 1980 herum führten Manipulationen am Silbermarkt zu einer gigantischen Blase - um die Hintergründe ranken sich bis heute Spekulationen

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Amerika zu Beginn der 1970er Jahre – die ausufernden Kosten des Vietnamkrieges zwingen die Regierung, die Staatsverschuldung in die Höhe zu treiben. Der Goldstandard des Dollar musste aufgegeben werden, was auch das Ende des Währungssystems von Bretton-Woods bedeutete. Eine hohe Inflation, die erste Ölkrise und die unsichere weltpolitische Lage ließen bei vielen Amerikanern Zweifel am Wert ihrer Währung aufkommen. William Herbert Hunt und sein Bruder Nelson Bunker Hunt, zwei Sprosse aus der Hunt-Dynastie, die zu Beginn des Jahrhunderts durch das Ölgeschäft zu einer der reichsten Familien der USA wurde, erkannten im brachliegenden Silbermarkt eine historische Chance, ihr Vermögen werterhaltend anzulegen.

Die Hunts beließen es jedoch nicht bei der Wertanlage, sondern drehten zusammen mit arabischen Investoren am ganz großen Rad – ihr Ziel war es, den Weltsilbermarkt unter ihre Kontrolle zu bringen. In einer sagenhaften Hausse stieg der Silberpreis von 2 US$ pro Unze binnen weniger Monate auf sagenhafte 50 US$ - ein Preis, der rund fünfmal so hoch ist wie die aktuelle Notierung. Doch die Hunts hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die US-Finanzindustrie und die Börsenaufsicht schlugen zurück, in dem sie die Marktregulierungen über Nacht änderten, was die Blase zum Platzen brachte und die Hunts, die sich mit Warentermingeschäften übernommen hatten, in den Konkurs trieb. Waren die Hunts Täter oder Opfer? Eine Antwort auf diese Frage wird wohl noch lange auf sich warten lassen.

„Arkansas Slim“ wird zu einem der reichsten Amerikaner

Haroldson Lafayette Hunt, geboren im Jahr 1889, war ein Glücksritter, wie man ihn sonst nur aus Filmen wie „Giant" oder „There Will Be Blood“ kennt. In den 1920er Jahren gewann der professionelle Poker-Spieler, der den Beinamen „Arkansas Slim“ trug, bei einer Poker-Runde eine Bohrlizenz in Eldorado, Arkansas. H. L. Hunt stieß dort nach ersten Probebohrungen auf das „Schwarze Gold“, das ihn später zu einem der reichsten Männer der USA machen sollte. Mit seinen ersten Gewinnen aus Eldorado kaufte er Bohrlizenzen im texanischen Kilgore und entdeckte dort das bis dato größte Ölfeld der Welt.

Ob H. L. Hunt die Spekulationen seiner Söhne gutgeheißen hätte?

Auch privat war H. L. Hunt eine schillernde Persönlichkeit. Mit drei Frauen – wovon er mit zweien gleichzeitig verheiratet gewesen soll und eine weitere seine Sekretärin war – zeugte er insgesamt 15 Kinder. Die Hunt-Dynastie, der vor der Enteignung durch Gaddafi auch der Großteil der libyschen Ölquellen gehörte, galt damals noch vor den Rockefellers als reichste Familie des Landes. Das Öl hat sie groß gemacht, das Silber machte sie arm.

Silber – ein lange vernachlässigtes Edelmetall

Durch die Abschaffung der Gold- und Silberstandards zu Beginn des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Staaten waren bedeutende Mengen dieser Edelmetalle auf den Markt geworfen worden. Dies trieb nicht nur den Kurs des Silbers auf unter 2 US$ pro Unze, sondern wirkte sich auch nachhaltig auf die Silberförderung aus – zu diesen Preisen wollten nur wenige Staaten das edle Metall fördern. Dies änderte sich erst in den frühen 1970er Jahren. 1933 hatte Präsident F. D. Roosevelt in den USA den Privatbesitz von handelbarem Gold verboten, um Spekulationen zu unterbinden und den Goldstandard des Dollar nicht zu gefährden. Amerikanischen Privatleuten war es bis ins Jahr 1974 unter Androhung drakonischer Strafen verboten, Gold zu besitzen.

Die Brüder William Herbert und Nelson Bunker Hunt erkannten als erste Großinvestoren die Chancen, die der Silbermarkt damals bot. Eine konstante Nachfrage aus der Industrie, die durch die geringe Förderung gedeckt werden konnte, und geringe Volumina von frei handelbaren Silberbeständen, sorgten für einen Markt, auf dem man mit größeren Investments schnell eine kontrollierende Position einnehmen konnte. Was genau die Hunt-Brüder in ihre Silberspekulation trieb, ist allerdings bis heute unbekannt. Fest steht jedenfalls, das sie sowohl der Hochfinanz als auch dem Papier-Dollar misstrauten und zunächst eine wertstabile Anlageform suchten, mit der sie ihr immenses Vermögen gegen die Inflation und den Zugriff durch den Staat absichern wollten.

1970 fingen die Hunt-Brüder an, sich im großen Stil mit Silber einzudecken. Anders als es bei solchen Investments eigentlich üblich ist, ließen sich die Hunts das Silber physisch liefern. Größere Teile dieses Silbers ließen sie mit Flugzeugen in europäische Bankhäuser in London und Zürich bringen, um sie so vor dem Zugriff durch amerikanische Behörden zu entziehen. Über zehn Jahre kauften die Hunts auf diese Art und weise rund 150 Mio. Unzen Silber – über 5.000 Tonnen. Dies entsprach der Hälfte der amerikanischen und etwa 15% der weltweiten Silbervorräte.

Aus Vorsicht wird Gier

Da die Hunts durch ihre Investments den Silbermarkt leer kauften und sich dies auch bei anderen Spekulanten herumsprach, die als Trittbrettfahrer von den Hunts profitieren wollten, explodierte der Silberpreis im Jahre 1979. Lag er Anfang des Jahres noch bei 8 US$ pro Unze, verdoppelte er sich im Herbst desselben Jahres in nur zwei Monaten. Verantwortlich für diese Steigerungen waren zu großen Teilen die Hunts, die sich nun auch massiv mit „Papiersilber“ eindeckten. Auf Pump kauften sie innerhalb eines Jahres rund 200 Mio. Unzen Silber an der Warenterminbörse COMEX in New York. Um den Markt unter Kontrolle zu bringen, suchten die Hunts sich zu dieser Zeit potente Partner im Nahen und Mittleren Osten – so waren sie unter anderem auch beim Schah von Persien und beim saudischen König Feisal vorstellig geworden, um diese mit ins Boot zu holen. Bei einigen saudischen Ölprinzen hatten die amerikanischen Ölprinzen auch Erfolg. Über Tochtergesellschaften, die in Kooperation mit den Saudis betrieben wurden, heizten die Hunts den Markt zusätzlich an.

Im Hintergrund: Die Vince Lombardi Trophy (Super Bowl) aus Sterlingsilber

Warentermingeschäfte sind Nullsummenspiele, bei denen es für jede Wette auf steigende Kurse zwingend auch einen Markteilnehmer geben muss, der auf sinkende Kurse wettet. Die Hunts haben für ihre Kaufoptionen einen Durchschnittspreis von 35 US$ pro Unze gezahlt – es lagen somit rund 7 Mrd. US$ auf dem Spieltisch und die Hunts hatten mächtige und einflussreiche Gegenspieler. „Arkansas Slim“ hätte sich als professioneller Poker-Spieler sicher nicht auf ein solches Vabanque-Spiel eingelassen.

Die Silberblase entsteht

Am 31. Dezember 1979 wurde Silber bereits zu 34,45 US$ pro Unze gehandelt, eine Verzwanzigfachung des Preises innerhalb weniger Jahre – die Menschen verkauften zu diesem Zeitpunkt sogar Tafelsilber und Schmuck. Auch Silbermünzen wurden eingeschmolzen, um von diesen Preisen zu profitieren. Dieses offensichtliche Marktversagen weckte die amerikanische Börsenaufsicht CFTC. Anfang Januar wurden in zwei Schritten zunächst die Regeln für Käufer geändert – Käufe auf Kredit mussten fortan mit mehr Eigenkapital hinterlegt werden und Kaufoptionen wurden pro Person auf eine maximale Obergrenze limitiert. Die Hunts nahmen den Fehdehandschuh auf und spielten mit Hilfe ihrer Partner nun mit vollem Einsatz gegen die Bank, da sie die Reaktion der Aufsichtsbehörden als Beweis ansahen, dass sie den Markt leergekauft hatten – nun wollten sie mit ihren Optionen richtig Kasse machen.

Die Hochfinanz schlägt zurück und die Blase platzt

Am 17. Januar 1980 erreichte der Silberpreis seinen historischen Höhepunkt mit 52,50 US$ pro Unze. Die Warenterminbörsen und die Börsenaufsicht standen vor einem Desaster. Wenn die Terminkontrakte fällig würden, hätte dies für viele Marktteilnehmer, die gegen die Hunts gewettet hatten, herbe Verluste bedeutet. Über Nacht wurden von der Börsenaufsicht am 21. Januar die Regeln an der COMEX geändert. Silber durfte fortan an der Warenterminbörse nur noch verkauft werden – es wurden nur noch Liquidierungsaufträge entgegengenommen. Mit diesem harten Schnitt sollten offiziell die Spekulationen mit Silber eingedämmt werden. Inoffiziell stand fest, worum es den Behörden ging – die Hunts waren zu mächtig geworden, sie hatten ihr Ziel erreicht, den Silbermarkt unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Rache der Hüter des Marktes kam umgehend und brach den Hunts das Genick.

Die Hunts mussten ihre Kaufoptionen ausgleichen, um ihren finanziellen Verpflichtungen für die Kreditkäufe nachkommen. Zeitweise mussten sie zu jedem Preis verkaufen, nur um den Tag zu überleben – dies drückte den Marktpreis rapide. Der Silbermarkt kollabierte, der Preis von Silber sank bis zum März auf 16 US$. Am 25. März hatten die Gebrüder Hunt schließlich nicht mehr genug Liquidität, um ihre Nachschusspflichten zu erfüllen. Am nächsten Morgen mussten die Hunts erstmals auch physisches Silber im Wert von 100 Mio. US$ verkaufen. Der 27. März ging schließlich als „Silver Thursday“ in die Geschichte des Silbermarktes ein – am Ende des Tages schloss der Kurs bei 10,80 US$. Um ihre Schulden begleichen zu können, mussten die Hunts in den nächsten Jahren ihr komplettes Silber verkaufen.

Der durchschnittliche Einstandspreis des von den Hunts physisch gehaltenen Silbers lag bei ungefähr 10 US$ pro Unze – hätten sie sich nicht auf dem Warenterminmarkt mitgespielt, wären sie sogar mit Gewinn aus ihrem Silbercoup gegangen. Ihre Spekulationen mit „Papiersilber“, mit einem durschnittlichen Einstandspreis von 35 US$ pro Unze, brachen ihnen jedoch das Genick. Am Ende standen die Hunts mit 1,5 Mrd. US$ Schulden da. Die FED stimmte jedoch einer Anleihe von 1,1 Mrd. US$ für die Hunts zu, um deren Vermögen geordnet abwickeln zu können. Dafür musste die Familie Sicherheiten im Wert von 9 Mrd. US$ hinterlegen - praktisch das ganze produktive Vermögen der Familie. 1988 meldeten die Brüder Nelson und William Hunt schließlich Privatkonkurs an und wurden wegen ihrer „Verschwörung zur Manipulation am Silbermarkt“ angeklagt und verurteilt. Ihr Bruder Lamar, der nur am Rande mit der Silberspekulation zu tun hatte, einigte sich außergerichtlich mit seinen Gläubigern.

Verschwörung der Hunts oder Verschwörung der Hochfinanz?

Auch wenn die Anfangsphase der Silberspekulation durch die Hunts durchaus als Absicherung gegen die Inflation gesehen werden kann, steht die Verteidigungsposition der Hunts auf tönernen Füßen. Spätestens im Jahr 1979, als sie massiv mit Kaufoptionen auf Pump den Markt sprengen wollten und dafür internationale Partner einspannten, machten sie sich einer verschwörerischen Marktmanipulation schuldig. Aber die Verschwörung der Hunts ist wohl nicht die einzige Verschwörung in diesem Wirtschaftskrimi. Wer waren die Gegenspieler der Hunts, die sich – gestützt durch die Marktregulierungen der Börsenaufsicht – mehrere Milliarden US$ aus dem Vermögen der Hunts aneigneten? Es wird allseits vermutet, dass die Gegenspieler der Hunts die amerikanischen Großbanken waren – nur sie hatten damals die Mittel, in einem derart großen Spiel die Gegnerrolle gegenüber den Hunts einzunehmen. Die Regeländerungen der COMEX machten sie zu Siegern in einem verloren geglaubten Spiel. Pikant ist vor allem, dass es personelle Querverbindungen zwischen COMEX, der Aufsichtsbehörde CFTC und den Großbanken gab – die Hunts scheinen demnach sowohl Täter als auch Opfer in einem Spiel mit vielen Unbekannten gewesen zu sein. Sowohl die Banken als auch die Hunts schweigen sich dazu bis heute aus.

Das Leben geht weiter

Nelson Bunker Hunt gab die letzten Dollar, über die er frei verfügen konnte, an rechtsextreme Gruppierungen, wie die John Birch Society, in deren Vorstand er zeitweise saß. Finanziert durch seine Familie verbringt der heute 82jährige seine Zeit mit der Zucht von Rennpferden – eine Passion, die er im Rahmen seiner Privatinsolvenz vorübergehend aufgeben musste. 1988 verkaufte er auf einer Auktion 580 Pferde für die stolze Summe von rund 47 Mio. US$.

Auch sein Bruder William Herbert Hunt hat sich nach dem Crash am Silbermarkt vornehmlich als Finanzier von rechtsextremen Gruppierungen einen Namen gemacht – das „Council for National Policy“, eine elitäre Dachorganisation rechter Gruppierungen, wurde durch seine Spendengelder ins Leben gerufen.

Lamar Hunt, der nur zu einem geringen Teil in die Silberspekulationen seiner Brüder involviert war, machte sich vor allem im amerikanischen Sportgeschäft einen Namen. Er hat die „American Football League“ gegründet, die später zur bekannten „National Football League“ fusionierte – er gilt auch als Namenspate des Super-Bowl. 2006 starb Lamar Hunt bei einer Operation im Alter von 74 Jahren.

Heute lebt der Hunt-Clan wieder vorwiegend vom Öl, mit dem er einst groß wurde. Die Gesellschaften rund um Hunt Oil, die von anderen Mitgliedern der Hunt-Dynastie geführt werden, gehören zu den wenigen größeren konzernunabhängigen Ölförderern der Welt.