"Forrest Gump" trifft "Doktor Schiwago" beim Rückwärtsgehen in die Zukunft

Ein falscher Fincher: "Der seltsame Fall des Benjamin Button"

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Brad Pitt sieht hier aus wie eine Kreuzung aus Yoda und Gollum. Cate Blanchett wie ein porentief reines Morphing aus Meryl Streep und Nicole Kidman. Und auch sonst ähnelt der "Der seltsame Fall des Benjamin Button" weitaus mehr einem Kuriositätenkabinett als die Story, die er erzählt: Ein Märchen über einen Greis, in dem die Seele eines Kindes schlummert, die dann, während er körperlich jünger wird, altert. Dieses bleibt auch in sich unlogisch, sei es weil der frischgeborene Benjamin zwar wie ein Baby mit alten Gesichtzügen aussieht, der Sterbende dann aber keineswegs wie ein Alter mit jungem Gesicht, sondern einfach wie ein Baby. Schlimmer wiegen die Volkshochschulphilosophie, die völlig leere, weil immer nur behauptete Liebesgeschichte im Zentrum des Films. Und die Moral von der Geschicht': Da gibt es Kräfte in der Natur, die man nicht kontrollieren kann. Kein Wunder bei alldem, dass der Film 13 Mal, ein Mal mehr als "Ben Hur", für einen Oscar nominiert wurde. Nicht, dass solche Zahlen je etwas über Qualität ausgesagt hätten. Aber man muss nach Ansicht des Films dann schon sagen, dass die Akademiemitglieder von allen, aber auch wirklich allen guten Geistern verlassen sind.

Alle Bilder: Warner

Es war einmal… Da gab es einen Uhrmacher, der baute für den Bahnhof von New Orleans eine große neue Uhr. Die war die schönste und beste Uhr von allen, nur dass ihr Zeiger rückwärts ging. Denn der Uhrmacher trauerte um seinen Sohn, der im Ersten Weltkrieg in den fernen Schützengräben Europas sein Leben gelassen hatte. Und darum wünschte sich der Uhrmacher insgeheim nichts mehr, als dass die Zeit rückwärts laufen und sein Sohn wieder heimkehren möge… So ungefähr beginnt dieser Film, und die Leinwand zeigt zu dieser Erzählung zunächst das, was erzählt wird, dann aber quasi die Konsequenzen: Einen sepiagetränkten Infanterie-Sturmangriff, der in Zeitlupe rückwärts abläuft, von rechts nach links fährt die Kamera in einer einzigen Einstellung, die Soldaten laufen rückwärts, vor allem aber entsteigen sie dem Boden, und irgendwann steht ein junger Mann im Bahnhof von New Orleans am Bahnsteig vor seinem Eltern, nachdem er gerade rückwärts dem Zug entstiegen ist.

Dies ist eine der besseren Bild-Sequenzen dieses Films, ebenso interessant, technisch wie inhaltlich kompliziert, wie verräterisch für diesen Film. Unnötig zu sagen, dass sie in der Vorlage nicht vorkommt, auch kein Pendant findet, sie ist wie fast alles hier ein Einfall der Filmemacher und bietet sozusagen den Exkurs in dem ersten von zwei Rahmenhandlungskorsetten, die in einer gewöhnungsbedürftigen Konstruktion die eigentliche, tatsächlich sehr seltsame Geschichte des Benjamin Button festzurren.

Eindrucksvolle Bilder, bedeutungsvolle Zusammenhänge - mögen sie auch noch so hohl sein

Aber was sagt uns dieser Rahmen eigentlich, was will er uns sagen? Er hat nicht nur nicht das Geringste mit der literarischen Vorlage zu tun, sondern auch nichts mit der folgenden Filmhandlung, außer dass wir bald erfahren, dass dessen Hauptfigur Benjamin Button möglicherweise am gleichen Tag der Einweihung der Uhr, jedenfalls aber auch gegen Ende des Ersten Weltkriegs geboren wurde. Ist also dieser Benjamin Button gerade in seinem sonderbaren Schicksal womöglich die Wiedergeburt des Sohnes des Uhrmachers?

Ansonsten aber wäre der Bezug nicht nur inhaltlich, sondern auch als Metapher falsch: Denn die Vorstellung, dass die Zeit rückwärts laufen könnte, ist so alt, wie die Idee der Zeit selbst. Sie ist faszinierend, individualgeschichtlich, wenn ein Mensch dann als Alter beginnen würde, wie menschheitsgeschichtlich. Der französische Philosoph Jean Baudrillard hat mit solchen Gedanken einmal gespielt - "Das Jahr 2000 findet nicht statt" - und mitunter hat man als Beobachter unserer Zeiten ja tatsächlich den Eindruck, der Fortschritt habe inzwischen seine Richtung verändert - nach ganz persönlicher Schätzung bewegt sich die Menschheit etwa seit dem Jahr 1973 rückwärts und in Lebensverhältnisse, denen man für immer hoffte, entkommen zu sein. Aber auch das hat mit dem Film wenig zu tun. Genau dies aber macht den Anfang dann doch verräterisch für ein Kinowerk, dessen Machern es vor allem darum zu gehen schien zu posen, darum, eindrucksvolle Bilder und bedeutungsvolle Zusammenhänge zu konstruieren und mögen sie auch noch so hohl sein.

Das gilt auch für den zweiten Erzählrahmen, der immer wieder in den Fluß der Handlung einbricht, ihn in kleine Skizzen zerhackt, die recht beliebig austauschbar, auch ganz verzichtbar sind: Erzählt ist der Film nämlich im Rückblick, als im August 2005 am Totenbett einer alten Frau deren Tochter alte Tagebuchaufzeichnungen eines Fremden liest, der sich dann als ihr Vater und Benjamin Button entpuppt - und dies, als ob alles andere nicht genug wäre, ausgerechnet während der Hurrikan Katrina über New Orleans tobt. Schon der übrige Rahme wäre eigentlich nicht nötig gewesen, entspricht nur den konventionellsten Konventionen des Hollywood-Dramas. Dieser Hurrikan aber ist nicht Drama, sondern gerade in seiner offenkundigen "dramatischen" Funktion, übelste Kolportage.

Baby mit Gicht

"My name is Benjamin Button, and I was born under unusual circumstances. While everyone else was agin', I was gettin' younger... all alone." - mit Brad Pitt als allwissend weiser Erzähler aus dem Off, und auch sonst fast wie ein Monsterfilm, beginnt das alles: Es ist dunkel, eine besondere Nacht in New Orleans, wo Schwarzafrika näher liegt als sonst irgendwo in den USA und der Voodoo-Zauber schon immer und nicht nur im Kino besondere Geschöpfe hervorgebracht hat. Ein Baby wird geboren; die Mutter stirbt im Kindbett, und als der Vater seinen Sohn zum ersten Mal sieht, ist die spontane Reaktion: Töten! Wie eine Katze will er das Kind im nahen Hafen im Mississippi ertränken. Kurz darauf überlegt er es sich jedoch anders, und legt es bei fremden Leuten ab, mit ein wenig Geld versehen, vor der Treppe eines Altersheimes. In dieser Szene, und noch zwei- dreimal, da kurz blitzt einmal etwas auf von Finchers Talent, den Horror in unserer Gegenwart zu finden. Ansonsten ist der Horror aus diesem ersten echten Kostümfilm des Regisseurs sorgsam getilgt.

Sehr bald darauf erst begreift der Zuschauer den Grund des väterlichen Entsetzens. Denn erst jetzt fällt der Blick der Kamera auf das Neugeborene: Der kleine Junge ist hässlich wie die Nacht, verschrumpelt und faltig sein Antlitz. Der erste Arzt, der ihn untersucht, stellt fest: Er hat Gicht, und viele weitere körperliche Krankheiten des hohen Alters, überhaupt den Leib eines fast 90-jährigen, und erscheint dem Sterben nahe. Queenie die junge - und schwarze! - Pflegerin des Altenheims, die ihn an Kindes statt annimmt, glaubt, er werde wie die meisten Bewohner dieses Ortes nur kurze Zeit Gast im Haus sein. Doch Benjamin lebt und lebt und wächst und wächst und wird äußerlich jünger und jünger…

Ein einfältiger Provinzler, mit beliebigem Leben

Kurios, kurios... Es ist schon eine überaus merkwürdige Geschichte, die David Fincher hier auf über zweieinhalb Stunden behäbig und oft langatmig in spätbarocker Ausführlichkeit erzählt. Von einem Menschen, der mit den Jahren immer jünger wird. Das Grundmotiv zu "The Curious Case of Benjamin Button" ("Der seltsame Fall des Benjamin Button") ist der gleichnamigen Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald entlehnt, dem Autor des "Großen Gatsby" und einem der bedeutendsten US-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Eine Literaturverfilmung kann man diesen Film aber deshalb trotzdem keineswegs nennen, denn mit der Vorlage hat er außer der Ausgangsidee, dem Namen der Hauptfigur und seinem Titel nicht mehr das Geringste zu tun: Fitzgeralds Story ist nur 25 Seiten lang, sehr launig und charming, eine sarkastische Groteske über Jugendwahn und die Dummheit des Amerika seiner Zeit.

Regisseur Fincher und seine Drehbuchautoren Eric Roth und Robin Swicord erzählen eine bizarre, private Geschichte der letzten 90 Jahre Amerikas. Man kann jetzt die "Magischer Realismus"-Karte aus der Tasche ziehen, und tatsächlich wirkt Button tatsächlich anfangs so wie eine Art Oskar Mazerath Amerikas, ein weiser, altersloser Zwerg im Kinderkörper, aber natürlich ist "Magischer Realismus" auch nur wieder so eine Floskel, mit denen man jeden Autorenwahnsinn und Kitsch noch mit der Weihe des Poetischen versehen kann. In vielem erinnert die Story eher an "Forrest Gump", zu dem ebenfalls Eric Roth das Drehbuch lieferte: Eine Hauptfigur, ein sonderbarer und etwas einfältiger Provinzler, führt ein recht beliebiges Leben, reist durch die Zeiten, begegnet historischen Großereignissen, wie dem Zweiten Weltkrieg, Mondraketenstarts, ohne aber so richtig an ihnen teilzuhaben.

Signaldarstellerinnen, digitales Elfenbein und computergeneriertes Facelifting

An "Doktor Schiwago" erinnert dann der Einfall, diesen Mann, von Ziehmutter Queenie (Taraji P. Henson) abgesehen, emotional zwischen zwei recht gleichrangige Frauen zu stellen: Die Diplomatengattin Elizabeth, die erste große Liebe seines Lebens während einiger Tage in einem Hotel in Murmansk, und Daisy, seine nie vergessene Jugendliebe, die er für Jahrzehnte aus den Augen verliert, um dann schließlich mit ihr zusammenzuleben, und eine Tochter namens Caroline (Julia Ormond) zu bekommen. Daran ist allerdings auch alles nur behauptet und ausgedacht: Keiner ist hier füreinander bestimmt, wie der Film suggerieren möchte.

Auch gerade diese zwei Darstellerinnen, die immer ein wenig zu sture, zu verstockte, aber darin geniale Swinton und die hier einmal mehr unglaublich manieriert und nervtötend spielende Blanchett, sind Signaldarstellerinnen, mit denen der Film allein schon durch ihre Besetzung um Oscarwürden bettelt: Willkommen in der Meryl-Streep-Liga der ätherischen "starken" Frauen mit weißer Haut und roten Haaren, nicht zu schön, schon gar nicht zu sexy, aber "wie gemalt".

Allerdings: Von den Darstellern, immerhin Brad Pitt, Cate Blanchett und Tilda Swinton, sieht man meist nicht viel - dafür sorgen fingerdickes Makeup und computergeneriertes Facelifting. Der Gipfel des Wahnsinns ist dabei in der Figur des Titelhelden erreicht. Es mag gewiss für die Leserinnen von "Gala" und der verblichenen "Park Avenue" seinen diskreten Charme beinhalten, dass Brad Pitt hier noch einmal so aussieht wie vor 18 Jahren in "Thelma & Louise". Aber oft genug sieht er mit Faltenmaske und übergroßem Kopf digital auf die Körper von Zwergen und Kindern gepflanzt, aus wie das Produkt eines mad scientist, wie die Kreuzung aus Yoda (aus "Star Wars") und Gollum (aus "Herr der Ringe"). Und er spricht auch so: Pseudoweise, aber hohl. "Our lives are defined by opportunities and the ones, we miss."

Blanchett hat über weiteste Strecken des Films ein glattgeschmirgelt glänzendes Gesicht aus digitalem Elfenbein, dem man seine Herkunft am Computer in jedem Augenblick ansieht, und das eher die Grenzen als die Möglichkeiten des Digitalen illustriert.

Musiksirup und Angeberei

Auch stilistisch erinnert vieles an "Doktor Schiwago": Der Musiksirup, der ständig zwischen den Bildern herumtropft und schließlich den ganzen Film verklebt; die technischen Superlative (Produktionskosten von 150 Millionen Dollar, also fast eine Million pro Minute), die hier aufgefahren wurden, und "große" oder besser: überladene Bilder in Serie produzieren, denen man ihren Aufwand immer ansieht, deren Bedeutung - jenseits von der natürlich legitimen Absicht, den Aufwand und die Mühe der Macher zu bebildern - sich aber oft genug nicht erschließt.

Man kann ja sogar dieses Genre schätzen, jene Filme in denen Amerika sich von sich selbst erzählt, Filme wie George Stevens' "Giganten". Aber dies hier ist etwas völlig anderes: Der Fall eines Films, bei dem die Technik den Film kapert, die Handlung usurpiert: Weil man es machen kann, wird es auch gemacht. Eine eitle Fingerübung. Besonders deutlich ist das erkennbar in jener einen, zweifellos virtuos inszenierten Szene in der Mitte, die Daisys Unfall beschreibt - wieder mit fünf-minütiger Ansage. Inhaltlich ist das verfilmte Chaos-Theorie, die Idee, dass kleinste Geschehnisse größte Wirkungen haben können. Gezeigt wird es, indem es mit einem gefühlt zwanzig-minütigen Off-Text des allgegenwärtigen Off-Erzählers Pitt unterlegt wird:

Sometimes we're on a collision course, and we just don't know it. Whether it's by accident or by design, there's not a thing we can do about it. A woman in Paris was on her way to go shopping, but she had forgotten her coat - went back to get it. When she had gotten her coat, the phone had rung, so she'd stopped to answer it; talked for a couple of minutes. While the woman was on the phone, Daisy was rehearsing for a performance at the Paris Opera House. And while she was rehearsing, the woman, off the phone now, had gone outside to get a taxi. Now a taxi driver had dropped off a fare earlier and had stopped to get a cup of coffee. And all the while, Daisy was rehearsing. And this cab driver, who dropped off the earlier fare; who'd stopped to get the cup of coffee, had picked up the lady who was going to shopping, and had missed getting an earlier cab. The taxi had to stop for a man crossing the street, who had left for work five minutes later than he normally did, because he forgot to set off his alarm. While that man, late for work, was crossing the street, Daisy had finished rehearsing, and was taking a shower...

Und so weiter, und so weiter. Das Problem der Szene ist nun weniger Pitts Text und schon gar nicht ihre Inszenierung, die fraglos souverän ist, wenn sie auch etwas zu stark an "Amelie" erinnert, sondern dass sie völlig zusammenhanglos zum Rest steht, ein Story-Gimmick, ein Einfall, auf den die Macher wie auf alles andere - daher die 166 Minuten - nicht verzichten wollten, aber auch nicht recht wissen, was es soll.

Im Gegensatz zu Leans Russland-Melodram gewinnt der Titelheld hier aber nie Kontur. Nie versteht man, was ihn umtreibt, wie es ihm geht, warum er etwas tut und etwas anderes lässt, warum er Seemann wird, was er über Daisy denkt, über seinen Vater, als er den wieder sieht. Button bleibt ungreifbar, ein Rätsel, ohne Leben, eine kalte Idee in einem kalten Film.

Und oft genug einfach unsympathisch: Wie beim Besuch bei Daisy in New York. Da ist er ein blöder Provinzler, der seiner Umgebung nicht gewachsen ist, der sich in der sündigen Stadt nicht wohlfühlt, und darum manchen am Ende noch als Inbegriff des "guten Amerikaners" gilt. Vor allem aber macht der Film so gar nichts aus der Umdrehung des Alters. Eine interessante Frage wäre ja zum Beispiel, wie das körperliche Alter Buttons sich aufs Gemüt auswirkt.

Finchers mainstreamigster Film

Seit Jahren, so liest man, versuchten die Produzenten, die die Rechte an Fitzgeralds-Vorlage erworben hatten, die Story zu verfilmen - lange erfolglos. John Travolta sollte Hauptdarsteller sein, Charlie Kaufman Drehbuchautor. Erst waren Ron Howard, Steven Spielberg und Spike Jonze als potentielle Regisseure im Gespräch. Das hätte wohl auch weitaus besser gepasst, als David Fincher, jenen Schwarzen Prinz der Filmindustrie, der als Regisseur von "Seven", "The Game", "Fight Club", "Panic Room" und "Zodiac" vor allem für dichte, intelligente Thriller, für düstere Neo-Noirs und zeitgemäße Paranoia-Szenarien bekannt und zu recht berühmt wurde.

Stilistisch gehörte Fincher in den späten 90ern zur Avantgarde des Kinos. Aber mit diesen bisherigen Filmen hat "Benjamin Button" nicht das Geringste zu tun; es handelt sich hier ganz klar um den mainstreamigsten Film, den man von diesem Regisseur kennt. Und "The Curious Case of Benjamin Button" ist zumindest Finchers erste Regiearbeit, die in den USA nicht mit einem R-Rating versehen wurde - ob man darin ein Argument für diesen Film sehen will, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Aber es spricht zumindest dafür, dass er hier nicht als Tabubrecher unterwegs ist.

Warum Fincher mit so etwas seine Zeit verschwendet…

Kälte - diesen Vorwurf hat man Fincher schon oft gemacht. Zu Unrecht, zumal dies per se noch kein Vorwurf ist, und man hier oft Kühle mit Kälte verwechselt, die Fähigkeit zum nüchternen Beobachten und genauen Hinsehen mit Zynismus. Zum ersten Mal aber stimmen hier alle Argumente, die man gegen Fincher schon immer ins Feld führte. Warum Fincher mit so etwas seine Zeit verschwendet hat, bleibt ein Rätsel. Es sei denn er hat ganz cool, kalt und zynisch kalkuliert: Ich mache einen Hit, mache Oscar-tauglichen Kitsch, und darf dann beim nächsten Mal machen, was ich will. Immerhin das Interview, das Harald Pauli mit Fincher im "Focus" geführt hat, lieferte darauf einen dezenten Hinweis: Da berichtet er von einem Lieblings-Projekt, das "gewalttätig und düster" sei. Das habe er nun von Paramount zurückbekommen - im Gegenzug für den Deal, 'Button' zu übernehmen." Vielleicht also, so die vage Hoffnung all derer, die den alten Fincher liebten, war alles nur Kalkül und Deal. Und der Schwarze Prinz von Hollywood hat doch nicht seine Seele verkauft.

Ebenso ein Rätsel bleibt auch die Frage, warum der Film soeben für 13 Oscars nominiert wurde. Es sei denn, man begnügt sich zur Beantwortung von Letzterem mit dem Hinweis auf teures, technisch aufgemotztes und insofern hochgradig perfektes Industrie-Kino-Hollywoods. Und darauf, dass die Mitglieder der "acedemy" bekanntlich einen sehr hohen Altersdurchschnitt haben. Vielleicht lässt man sich, dem Tode nahe, leichter von einem solchen Altendrama rühren. Das ist der Film nämlich auch.

Schon jetzt ist absehbar: Trotz aller Ehren wird dieser seltsame Fall eines Films sein Publikum gespalten zurücklassen - wo die einen sich im Innersten berührt fühlen und mit Benjamin Button identifizieren, erkennen andere nur eine kalte Fingerübung und einen zu langen, langweiligen Film.