"Neiden tut weh" und die fiese Schwester Schadenfreude

Dass starke Gefühle physische Schmerzen verursachen, wissen romantische Schriftsteller längst. Forscher haben den Effekt nun auch messtechnisch nachgewiesen

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Winter adé! Scheiden tut weh. Aber dein Scheiden macht, Dass mir das Herze lacht! Was Hoffmann von Fallersleben in diesen vier Zeilen beschreibt, beschäftigt auch heute noch die Wissenschaft. Wie funktionieren Schmerz und Freude? Klar ist immerhin, wo das Gehirn beides verarbeitet. Für Schmerzen sind primär der dorsale anteriore cinguläre Cortex (dACC) zuständig, die Inselrinde und der somatosensorische Cortex. Während letzterer die Lokalisierung physischer Schmerzen übernimmt ("wo hat die Biene gerade zugestochen?"), ist der dACC für den unangenehmen Teil zuständig - eben den Aspekt des Schmerzes, der ihn uns als unangenehm empfinden lässt ("ah, das brennt so!").

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Das Belohnungssystem ist noch etwas stärker verteilt; durch Dopamin-Ausschüttungen werden unter anderem Teile des ventralen Striatums angeregt, dazu Regionen im präfrontalen Cortex und in der Amygdala. Diese Regionen, so viel ist klar, aktiviert das Gehirn bei physischen Empfindungen von Freude und Schmerz, sie sind aber ebenso bei sozialen Empfindungen aktiv, etwa bei Schmerz über den Verlust eines Angehörigen. Allerdings muss es hier trotzdem Unterschiede geben, denn unsere sozialen Empfindungen sind stärker durch unseren aktuellen Zustand moderiert. Unsere Reaktion auf ein soziales Ereignis wird von unserer Interpretation dieses Ereignisses beeinflusst - das ist weit weniger der Fall, wenn es um ein physisches Ereignis wie einen Bienenstich oder der Genuss eines Stücks Schokolade geht.

In beiden Fällen aber haben Schmerz und Belohnung eine Funktion. Der Schmerz gibt uns zu verstehen, was dem Körper gerade unangenehm ist, das Belohnungssystem hilft dabei, solche Fehler künftig zu vermeiden. Schmerz und Belohnung, wie Zuckerbrot und Peitsche, motivieren, aus Erfahrungen zu lernen. Wer Hunger leiden muss, empfindet Durst, bekommt er dann etwas zu trinken, wird er von Freude bestimmt. Ähnliches gilt beim Menschen als soziales Wesen offenbar auch für seine sozialen Bedürfnisse, wie ein japanisches Forscherteam nun im Wissenschaftsmagazin Science zeigt.

Neiden tut weh, und zwar umso stärker, je stärker der Neid ausfällt

Die Wissenschaftler haben sich die Emotionen Neid, eine der sieben biblischen Todsünden, und ihre fiese Schwester Schadenfreude genauer angesehen - Gefühle, die den wenigsten Menschen unbekannt sein dürften. In zwei interessanten Versuchen haben sie ermittelt, wie beide zusammenhängen. Zunächst hat das Team mit dem funktionellen Magnetresonanztomographen ermittelt, wie sich Neid im Gehirn vermittelt.

Dazu teilten sie den Testpersonen drei virtuelle Gegenüber mit über- oder unterlegenen Eigenschaften zu. Prompt beneideten die Versuchspersonen die ihnen überlegenen Subjekte. Im fMRT zeigte sich, dass Neid tatsächlich in den selben Zentren wirkt, in denen sich auch physischer Schmerz ausdrückt. Neiden tut also wirklich weh, und zwar umso stärker, je stärker der Neid ausfällt.

In einem zweiten Versuch geschah den Vergleichspersonen nun allerdings ein Unglück, das sie etwas von ihren überlegenen Eigenschaften einbüßen ließ. Mögliche menschliche Reaktion darauf wäre Mitleid, doch in der Praxis ist Schadenfreude häufiger zu beobachten. Die Wissenschaftler ließen die Versuchspersonen ihr eigenes Maß an Schadenfreude einschätzen und verglichen die Selbsteinschätzung mit den fMRT-Daten. Interessanterweise verrieten sowohl Selbsteinschätzung als auch MRT, dass der Grad an Schadenfreude mit dem Grad an vorherigem Neid zunahm.

Je stärker zuvor der Schmerz ausgefallen war, desto intensiver verspürten die Testpersonen nun Freude. Die Forscher meinen, aus diesen Ergebnissen der Empfindung Neid eine Funktion geben zu können: Neid spüren wir, wenn unser positives Selbstkonzept ("ich bin der Größte") mit der Wirklichkeit kollidiert. Das motiviert uns, entweder den Abstand zu verringern (also zu trainieren, worin der Beneidete besser ist) oder die Relevanz des Unterschieds ("Du rennst schneller? Ich gehe eh lieber schwimmen").