Uhu, Eichhörnchen, Bähr und Mehdorn

Nach einer Anhörung sprechen Abgeordnete mehrerer Bundestagsfraktionen von eindeutigen Gesetzesverstößen bei den Spionageaktivitäten der Bahn

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Am Mittwoch wollte sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit der Bahn-Datenaffäre befassen und hatte dazu den Leiters der Konzernrevision, Josef Bähr, einbestellt. Doch der wurde einen Tag vorher ganz überraschend beurlaubt. Dem ebenfalls vorgeladenen, aber erschienenen Wirtschafts- und Politikvorstand Otto Wiesheu zufolge wurde die Beurlaubung von Hartmut Mehdorn persönlich unterzeichnet. Im Vorfeld der Anhörung hatten alle Fraktionen den Bahnchef in einem gemeinsamen Brief dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Bähr auch wirklich erscheint und aussagt.

In einem am Vortag herausgegebenen Zwischenbericht gibt die Bahnführung zu, dass es zwischen 1998 und 2006 mehrmals zur Daten-Durchleuchtung einer sechsstelligen Zahl von Mitarbeitern kam. Nach Darstellung der Unternehmensleitung dienten die Spionageaktionen dazu, Bestechungsfälle aufzudecken. Allerdings gibt es sehr starke Anhaltspunkte dafür, dass das Ziel der Aktionen vor allem darin bestand, "undichte Stellen" zu finden, die Informationen an Politiker, Privatisierungskritiker oder die Presse gaben.

Dem FDP-Verkehrsexperten Horst Friedrich zufolge wurden die von Mitarbeitern gewählten Telefonnummern explizit auch mit solchen von Journalisten und Politikern abgeglichen. In internen Schreiben, so Friedrich, habe Mehdorn zudem die Weitergabe von Informationen nach außen als "mindestens genau so schlimm" wie Korruption bezeichnet. Ausgesprochen seltsam ist in jedem Fall, dass man zwar bei der Aktion "Eichhörnchen" vorwiegend Führungskräfte überprüfte, aber bei anderen Untersuchungen massenhaft Daten von Mitarbeitern verarbeitete, die gar nichts mit der Auftragsvergabe zu tun hatten. Die Antikorruptions-Organisation Transparency International kritisierte dieses Vorgehen dem entsprechend als weder verhältnis- noch zweckmäßig.

Bei der Aktion "Uhu" sollen alleine wegen einer "üblen Nachrede" gegen den Bahnchef "wahllos" Emails von Bahn-Mitarbeitern an die Fremdfirma Network Deutschland weitergeleitet worden sein, darunter auch solche an den Betriebsrat. Network Deutschland wertete auch für die Telekom Daten aus, wo nachweislich Journalisten bespitzelt wurden. Und nicht zuletzt deutet auch die Tatsache, dass weder Arbeitnehmervertreter noch Datenschutzbeauftragte eingebunden wurden, darauf hin, dass etwas anderes als Korruptionsbekämpfung im Vordergrund stand.

Die Bahnführung bestreitet zwar, dass bei den Überprüfungen "zufällig" Informanten von Journalisten gefunden wurden, allerdings musste Jens Puls, der Leiter des Bereichs Konzernsicherheit, bei der Anhörung am Mittwoch zugeben, dass seine Untergebenen sich auch mit dem "Aufspüren von Informations-Lecks" beschäftigen würden und dazu das Recht hätten, alle Dienstzimmer zu betreten und "alle notwendigen Informationen einzuholen und zwar auch datenverarbeitungsgestützte Informationen."

Der ebenfalls befragte Wolfgang Schaupensteiner räumte in der Anhörung ein, dass auch Kontobewegungen ausspioniert wurden, was er zwei Wochen zuvor noch vehement bestritten hatte. Er und Wiesheu bestätigten auch, dass der zur Korruptionsbekämpfung geschaffene und direkt dem Konzernvorstand zugeordnete "Lenkungskreis Compliance" (dem sowohl Personalvorstand Margret Suckale, als auch ihr Vorgänger Norbert Bensel und Josef Bähr angehörten) über alles Wichtige informiert wurde - seltsamerweise nicht über die "Massenscreenings" und die Aufträge an Network Deutschland.

Trotz des Nichterscheinens der "Schlüsselfigur" Bähr kamen Verkehrspolitiker aus mehreren Fraktionen mittlerweile zu der Ansicht, dass es bei den Spionageaktivitäten im Konzern eindeutig Gesetzesübertretungen gab. Unter anderem zeigte sich der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer gegenüber der ARD der Ansicht, dass dies nun "feststehen" würde. Konkret nannte Fischer Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz und das Beamtengesetz. Auch Uwe Beckmeyer von der SPD sprach von der Aufdeckung "strafrechtlich relevanter Tatbestände im unmittelbaren Umfeld Mehdorns". Und selbst die Unternehmensleitung der Bahn will mittlerweile nicht mehr "ausschließen", dass es im Rahmen des Ausspionierens von Mitarbeitern zu Straftaten kam.

Weil aus der Unternehmensführung heraus teilweise das Argument kam, es würde eine "rechtliche Grauzone" vorliegen, in der die Überprüfungen stattfanden, wird mittlerweile auch über gesetzliche Maßnahmen zum Arbeitnehmerdatenschutz nachgedacht. Nächsten Montag treffen sich Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern mit Innenminister Wolfgang Schäuble, um über solche Änderungen zu sprechen.