Sieg für Hugo Chávez

Referendum zur Änderung der Verfassung in Venezuela wurde angenommen. Begrenzung der Amtzeiten kann aufgehoben werden

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Am Ende waren es wieder die Anhänger des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, die jubeln konnten: Mit rund einer Million Stimmen wurde am Sonntag ein Referendum zur Änderung der Verfassung des südamerikanischen Landes angenommen. Als die Präsidentin des Nationalen Wahlrates (CNE), Tibisay Lucena, am späten Sonntagabend nach Auszählung von rund 94 Prozent der Stimmen das Ergebnis bekannt gab, stand der Erfolg der Regierungsinitiative fest. Gut sechs Millionen Venezolaner (54,36 Prozent) hatten nach vorliegenden Zahlen für die Änderung des Grundgesetzes gestimmt; 5,04 Millionen (45,63 Prozent) dagegen. Die Wahlbeteiligung lag mit gut 67 Prozent recht hoch.

Damit steht nun der Weg frei für die Änderung von fünf Artikeln der Verfassung. Ziel ist es, die bisher geltende Begrenzung der möglichen Amtszeiten politischer Funktionsträger aufzuheben. Nach den bis dato geltenden Bestimmungen der Verfassung dürfen politische Amtsträger nur einmal wiedergewählt werden. Zwar gilt die Novellierung nun für alle politischen Posten - Bürgermeister, Abgeordnete und Gouverneure eingeschlossen -, die Debatte drehte sich aber nur um eine Person: Präsident Hugo Chávez. Wäre das Plebiszit gescheitert, hätte der 54-Jährige bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 abtreten müssen.

Chavez feiert den Sieg. Bild: RNV

Nun ist der Jubel im Regierungslager groß. "Befehlt mir, Volk, ich werde euch zu gehorchen wissen", sagte der Staatschef in seiner typischen Politrhetorik. Er sei ein "Soldat des Volkes", so Chávez in der Nacht vor seinen jubelnden Anhängern im Zentrum von Caracas. An die Opposition sandte er versöhnliche Signale: "Das ist auch ein Sieg derjenigen, die mit Nein gestimmt haben, auch wenn sie das nicht akzeptieren und nicht verstehen. Es ist ein Sieg ganz Venezuelas und auch sie sind Teil Venezuelas."

"Abänderung" statt "Reform"

Die Kritiker der linksgerichteten Staatsführung waren in den vergangenen Wochen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Änderung der Verfassung zu Felde gezogen. Neben friedlichen Demonstrationen von Oppositionsanhängern war es dabei wiederholt auch zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. Vertreter der Regierung hatten Teilen der Opposition daraufhin vorgeworfen, das Land ins Chaos stürzen zu wollen.

Die Wut der Chávez-Kritiker entzündete sich vor allem daran, dass über die Begrenzung der Wiederwahl bereits bei einem weitaus umfassenderen Verfassungsreferendum (No! Wahlniederlage für die bolivarische Revolution) Ende 2007 entschieden wurde. Damals hatte eine knappe Mehrheit der Wahlteilnehmer die Neufassung von insgesamt 69 Artikeln der Konstitution abgelehnt. Die Chávez-Regierung sah diesen Zusammenhang jedoch nicht. Im Dezember 2007 habe es sich um eine Reform (reforma) des Grundgesetzes gehandelt, hieß es im Präsidentenpalast Miraflores, diesmal gehe es um eine Abänderung (enmienda).

Tatsächlich scheint das Ergebnis der gestrigen Abstimmung zu bestätigen, was Regierungsvertreter immer wieder bekräftigt hatten: Die damalige Reform habe die Menschen in ihrem Umfang überfordert, ihre Inhalte seien nicht zu vermitteln gewesen. Bei dem Plebiszit über einen spezifischen Aspekt des politischen Systems sei dies anders.

Am Wahlabend war die Spannung dennoch groß. Lange war unklar, wie die gut organisierten Gegner der linken Staatsführung reagieren würden. Über den Tag hinweg hatten Minister des Regierungskabinetts ihre Widersacher deshalb wiederholt aufgefordert, das Ergebnis - wie es denn auch ausfallen möge - anzuerkennen. Eine solche Bereitschaft war auf Oppositionsseite jedoch nicht zu erkennen. Am späten Abend, nach der Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses, berichtete der der extrem regierungskritische private TV-Sender Globovisión dann immer wieder über Unregelmäßigkeiten und vermeintliche Manipulationen. Doch das Ergebnis war zu deutlich, um die Strategie der Spannung aufgehen zu lassen. Zudem hatten die 1600 nationalen und rund einhundert internationalen Wahlbeobachter keine signifikanten Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Nun muss sich Präsident Chávez bewähren

Für die Regierung Chávez war dieses Referendum in mehrfacher Hinsicht eine Nagelprobe. Zum einen war auf ihrer Seite die Unsicherheit groß, nachdem im Dezember 2007 zum ersten Mal eine Abstimmung für die sozialreformerische Regierung gescheitert war. Zum anderen genoss die Opposition massive politische Unterstützung aus dem Ausland. Und schließlich war lange nicht klar, ob die Strukturen der neu gegründeten Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) effektiv arbeiten würden.

Das Ergebnis belegt nun die anhaltende Mobilisierungskraft des "Chavismus" in Venezuela. Eben das war besonders in der europäischen Presse in den vergangenen Wochen immer wieder in Abrede gestellt worden. Zudem zeigt das deutliche Votum einen schon bekannten Trend: Wenn es um die Person Chávez geht, gehen die Menschen eher zu den Urnen. Anders war das im vergangenen November bei den Kommunal- und Regionalwahlen. Dabei hatten mehrere Funktionäre aus dem Regierungslager, die bei der Basis unbeliebt sind, die Abstimmung gegen Kandidaten der Opposition verloren.

Trotz des Sieges hat Chávez nun mit einigen Problemen zu kämpfen. Im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise sind die für Venezuela nach wie vor enorm wichtigen Öleinnahmen massiv eingebrochen, das Wirtschaftswachstum ging im Fiskaljahr 2008 um 3,5 Punkte auf 4,9 Prozent zurück. Die Inflationsrate stieg auf 30 Prozent.

Von der Bewältigung dieser Krise hängt es ab, ob der Anführer der so genannten bolivarischen Revolution - eines umfassenden sozialen, politischen und kulturellen Reformprozesses - die kommende Abstimmung im Jahr 2012 gewinnen wird. Dies indes unterscheidet Venezuela nicht von Deutschland. Auch hierzulande existiert schließlich keine Beschränkung der Amtszeiten. Auch wenn sich das mancher Bundesbürger gewünscht hätte, als sich der Christdemokrat Helmut Kohl sich nach 16 Jahren und vier aufeinander folgenden Amtszeiten 1998 erneut für das Amt als Regierungschef bewarb. Ein Problem sah darin damals niemand.