Abkommen zwischen Israel und Hamas verzögert sich weiter

Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand werden in Israel durch die anstehende Regierungsbildung erschwert

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Für das Wochenende war ein Friedensabkommen zwischen Israel und Hamas angekündigt. Nun ist es erstmal wieder verschoben. Nach den israelischen Parlamentswahlen befinden sich die politischen Parteien noch in Koalitionsverhandlungen, aber sprechen bereits ein Wort mit, was die Zukunft des Gaza-Streifens betrifft (Die Politik gegenüber den Palästinensern wird sich deutlich verschärfen).

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak und die palästinensische Hamas hatten bereits Mitte letzter Woche einen Waffenstillstand mit Israel angekündigt. Bei seinem Besuch in Paris bei seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy sagte Mubarak, dass sich die Situation nach dem 22-Tage-Krieg im Gaza-Streifen in einer Woche beruhigen könnte. Die Hamas sprach wenig später von zwei, drei Tagen, bis endgültig ein 18-monatiger Frieden bekannt gegeben würde .

„Fast alle Hindernisse sind aus dem Weg geräumt, die bisher ein Abkommen verhindert hatten“, meinte Tahar al-Nono, ein Mitglied der Hamas-Delegation, die mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Omar Sulaiman Vermittler in Kairo verhandelten. Prinzipiell ging es dabei darum, dass die palästinensische Islamistengruppen ihre Raketenangriffe einstellt und Israel im Gegenzug die Blockade des Gaza-Streifens aufhebt. Eine Vereinbarung, die den israelischen Angriff auf den Gaza-Streifen und dessen Zerstörung völlig ad absurdum führt. Man wollte Hamas in die Knie zwingen, aber nun verhandelt man mit der Terrororganisation, nachdem die Raketen weiter auf Israel niedergehen. Einen derartigen Vertrag hätte Israel auch auf diplomatische Weise erhalten. 2008 hatten Israel und Hamas bereits einen Waffenstillstand auf ganz ähnlichen Bedingungen basierend ausgehandelt, nur Israel hatte sich nicht daran gehalten. Die Grenzen zu Gaza blieben geschlossen und israelische Truppen töteten Hamas-Kämpfer. LINK HEISE

Aber aus dem neuen Frieden wird jetzt erst einmal nichts. Der ausscheidende israelische Premierminister Ehud Olmert stellte nun eine zusätzliche Bedingung: Hamas müsse den von ihr 2006 gefangenen israelischen Soldaten Gilad Shalit freilassen. „An aller erster Stelle steht Shilat“, sagte der Premier auf einer Konferenz von jüdisch-amerikanischen Organisationen in Jerusalem. „Dann kommen der Stopp des Waffenschmuggels und eine totale Waffenruhe.“

Offensichtlich spielen die Koalitionsverhandlungen nach den israelischen Parlamentswahlen am vergangenen Dienstag eine entscheidende Rolle. Keine der führenden Parteien hat keine deutliche Mehrheit. Ob nun Tizi Livni von Kadima (28 Sitze) oder Benjamin Netanjahu vom Likud (27) neuer Premierminister wird, darum feilscht man gerade in Israel. Ohne Koalitionspartner aus dem gegnerischen Lager kann Tizi Livni nicht Premierministerin werden. Sie hat Netanjahu ein Bündnis vorgeschlagen, das sogar eine Rotation des Amts des Premierministers beinhaltet. 1984 gab es das bereits einmal, als die Wahlen ähnlich knappe Resultate ergeben hatten.

Die Zeichen stehen für eine große Koalition zwischen Likud und Kadima

Nur Benjamin Netanjahu hat das Regierungsangebot von Tizi Livni abgelehnt. Schließlich kann er aus einer Position der Stärke heraus auf seine Forderung nach dem alleinigen Job des Premierministers bestehen. Der rechte Block umfasst im neuen Parlament 65 Sitze und Netanjahu könnte damit ohne weiteres eine mehrheitsfähige Regierungskoalition bilden. Das israelische Parlament, die Knesset, umfasst 120 Sitze. Netanjahu müsste sich allerdings mit den ultra-rechten und ultra-religiösen Parteien in ein Boot begeben, das gegen jeden Frieden mit den Palästinensern steuert: Fortführung und Ausweitung der Siedleraktivitäten, sowie Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung. Besonders unnachgiebig sind dabei Parteien der möglichen Rechtskoalition wie Yisrael Beitenu, die orthodox-religiöse Shas, die Siedler-Partei oder auch die ultra-nationalistische Habeit Hayehudi. „Netanjahu will jedoch keine Regierung der extremen Rechten“, schrieb die israelische Tageszeitung Maariv. Das würde die Beziehungen zu den USA und zur neuen Administration von Barak Obama empfindlich verschlechtern.

. Selbst die radikal-religiösen und nationalistischen Parteien plädieren für eine große Koalition. Bei Sondierungsgesprächen mit Netanjahu gab man ihm grünes Licht für eine Zusammenarbeit mit Kadima. Eine rechte Regierung hätte, langfristig gesehen, keine Überlebenschance, meinten Abgeordnete von Shas. Selbst Zvulov Orlev von Habeit Hayehudi sprach sich für eine Kooperation mit Kadima aus.

Eins ist klar: Alle wollen Netanjahu als Premierminister und nicht Tizi Livni, die sich jedoch mit der bisherigen Rolle as Außenministerin nicht mehr zufrieden geben will. „Ich war schon einmal Nummer zwei und in dieser Position kann man nichts entscheidend vorwärts bringen“, erklärte Livni. Premierminister Ehud Olmert riet seiner Kadima-Parteikollegin schon mal zurückzustecken. „Geh in die Opposition und bring Kadima bei den nächsten Wahlen zum Sieg.“

Wahrscheinlich wird Livni, falls all ihre Koalitionsangebote an Likud weiterhin abgelehnt werden, gar nichts anderes übrig bleiben. Sie vertritt maximal 55 Parlamentssitze. Falls sie Netanjahu tatsächlich nicht als neuen Premierminister akzeptieren sollte, bringt sie damit eine rechte Regierung an die Macht.

Bei den aktuellen Friedensverhandlungen mit der Hamas will Ehud Olmert bereits den möglichen neuen Premierminister Benjamin Netanjahu konsultieren. Ob die neue Kehrtwendung mit der Forderung der Freilassung des Soldaten Gilad Shalit nur eine Verhandlungstaktik ist oder tatsächlich auf den Einfluss Netanjahus zurückgeht, darüber kann man nur spekulieren. Aber sie ist sicherlich ganz im Sinne des Likud-Chefs.

Die Freilassung von palästinensischen Gefangenen als Gegenleistung für einen Waffenstillstand dürfte dagegen bei Netanjahu auf wenig Gegenliebe stoßen. Die Rückkehr Galid Shalits nach Israel könnte auch ein Schachzug von Ehud Olmert sein, um einer harschen Kritik der israelischen Öffentlichkeit zu begegnen. Warum führt man einen Krieg in Gaza, wenn danach Hunderte von palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen freikommen? Genauer gesagt 250. Darunter zahlreiche Hamas-Offizielle, aber auch Marwan Barghouti, der zur Fatah-Fraktion von Präsident Mahmoud Abbas gehört und in Israel zu fünfmal Lebenslänglich verurteilt ist. Angeblich sollen alle Gefangenen nach Syrien oder in den Libanon verbannt werden.

Den Triumphzug der Freigelassenen, den Hamas und auch die libanesische Hisbollah inszenieren werden, kann man sich gut vorstellen. Wieder einmal konnte Israel mit militärischen Mitteln nichts erreichen und musste dem militanten Widerstand klein beigeben. Es wäre der erste „göttliche Sieg“ der Hamas gegenüber dem zionistischen Goliath Israel.

Die israelischen Medien würden Ehud Olmert und die noch amtierenden Kabinettsmitglieder, die israelische Soldaten für nichts und wieder nichts in den Krieg geschickt hatten, vollkommen zerpflücken. Es wäre ein Desaster ohne gleichen - es sei denn Israel hätte selbst auch etwas Großes zu feiern und zwar die Rückkehr des Helden Gilad Shalit. Denn für das Leben eines israelischen Soldaten kann man jeden Preis bezahlen, so schmerzlich dieser auch sein mag. Israel lässt seine Soldaten nicht im Stich und bringt sie, koste es, was es wolle, in die Heimat zurück.