"Global Green New Deal" oder "Weiter wie bisher"?

Die Energie- und Klimawochenschau: Zukunftsfähige Energieversorgung und Klimaschutz, welche Instrumente sind vor Ort zur Umsetzung die richtigen? Die Niederlande setzen auf Lenkungsabgaben mit der neuen Maut für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer und bei uns soll in dieser Woche das Energieeffizienzgesetz beschlossen werden

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Erwächst wirklich aus jeder Krise eine neue Chance? Könnte sich die Wirtschaftskrise am Ende sogar als förderlich für die Klima- und Energiepolitik erweisen? Die UN-Umweltorganisation UNEP hält gerade Ihre Jahreskonferenz ab. 1000 Delegierte aus 140 Ländern beraten, ihr Credo: Trotz Weltwirtschafts- und Finanzkrise darf die Umwelt nicht vernachlässigt werden.

Darstellung des "Green New Deal". Bild: Unep

Hoffnung auf den Global Green New Deal

UNEP-Chef Achim Steiner meint, dass die millionenschweren Konjunkturpakete nicht dazu missbraucht werden dürften, so weiterzumachen wie bisher:

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass wir in unserer Gesellschaft eine offene Diskussion darüber führen, wo diese Gelder eigentlich verwendet werden, für wen Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden, und vor allem, welche Arbeitplätze wir morgen für unsere Kinder haben, die ja letztlich diese große Vorauszahlung wieder abzahlen werden müssen.

Achim Steiner

Umweltverträgliche Wege für den Transport, die Mobilität, neue "erneuerbare" Technologieprodukte, mit solchen Signalen könnten Regierungen enorm viel erreichen. Griffiges Hauptthema des Treffens ist das Schlagwort vom "New Deal", ein globales Abkommen für eine grüne Weltwirtschaft. Die massiven Investitionen, die zur Zeit geplant werden, sollen ökologische Veränderung fördern. Die UNEP geht davon aus, dass Investitionen in die alten Wirtschaftsstrukturen das alte System eventuell noch einmal aufbauen könnten, nicht aber vor einer Wiederholung des Crashs schützen. Edward Barbier, Autor der aktuellen UNEP-Studie Global Green New Deal zum Thema:

The world economy is going through a massive heart attack ...We have to focus on reviving the patient but also making sure the patient avoids further crises.

Edward Barbier

Wenn jetzt bloß die alte Wirtschaft wiederbelebt wird kriegten wir vielleicht ein paar Jobs zurück, aber die Gründe für die Krise blieben bestehen. Hinzu kommen die drängenden Umweltprobleme, der Klimawandel, die zunehmende Wasserknappheit und das baldige Ende der fossilen Energieträger. All diese Probleme müssten gerade jetzt angegangen werden und gleichzeitig auf zukunftsfähiger Basis Arbeit geschaffen werden, das sei der Global Green New Deal. Neben Südkorea gelten zur Zeit die USA als Vorbild, sie schlagen 100 Mrd. Dollar ihres Konjunkturpakets den grünen Investitionen zu und erwarten dadurch 2 Millionen neue Jobs.

Die nächste Generation, die die Zinsen der jetzigen Konjunkturpakete bezahlen muß, wird bereits den allmählichen Abschied von den fossilen Energieträgern erleben. Fair wäre deshalb, heute die Weichen für eine Wirtschaft auf regenerativer Basis zu legen. Die Schätzungen unterschiedlicher Institutionen zur statischen Reichweite konventioneller Energieträger liegen dicht beieinander und geben daher wohl ein mittlerweile recht verlässliches Bild zur Restlebensdauer des fossilen Zeitalters. Das Erdöl hat die kürzeste Reichweite. Erdgas und Uran dürften als nächste zur Neige gehen und etwa 70 Jahre später die Kohle. Bei der heute fast vollständigen Abhängigkeit des Verkehrs vom Erdöl drängt die Zeit zum Umstieg auf regenerative Energiequellen. Bild: Brake

Den Verkehr in die Pflicht nehmen

Bisher ist der motorisierte Verkehr ungeschoren aus allen Klimadebatten herausgekommen. Zu sakrosankt ist die Branche, gilt sie doch in vielen Ländern (fälschlicherweise) als größter Arbeitsplatzbeschaffer. Ihr Produkt, das Auto, ist zum Alltagsfetisch geworden, ohne den weder weite Pendelfahrten zum Job, noch der grenzenlose Gütertransport auf den Straßen möglich wären. Die Kehrseite ist, dass der motorisierte Verkehr weltweit gut ein Drittel des Energieverbrauchs ausmacht.

In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise setzen die meisten systemkonservativen Regierungen auf eine Stützung ihrer alten Strukturen. Sei es durch Abwrackprämien zur Verkaufsförderung, direkte Zuschüsse für die Autoindustrie wie in Frankreich oder milliardenschwere Ausbauprogramme für die Autobahnen wie sie in Deutschland geplant sind.

Um 2010 dürfte es eine Milliarde Fahrzeuge auf der Erde geben. Das Wachstum verlief in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich und wird durch Einbruch der Umsatznachfrage im Zuge der Finanzkrise nur wenig gebremst werden. Eine Folge der fortschreitenden Motorisierung ist, dass die fossilen Kraftstoffe noch schneller zur Neige gehen. Bild: Brake

Dass es auch anders, geht zeigen die Niederlande. Dort wurde im breiten Konsens beschlossen, dass alle motorisierten Verkehrsteilnehmer zukünftig eine Maut bezahlen müssen. Die Niederlande sind in Verkehrsfragen vorbildlich.

Das dichtbesiedelte Land (397 Einwohner pro Quadratkilometer, Deutschland 230) kann als Vorreiter in Sachen Ko-Modalität gelten, also der flexiblen Nutzung aller Verkehrsmittel. Alle Verkehrssysteme sind sehr gut ausgebaut, ihre direkte Verknüpfung macht die Nutzung von Bus, Bahn und Rad attraktiv. Gleichzeitig hält eine konsequente Parkraumbewirtschaftung schon heute die Städte frei vom Durchgangsverkehr. Bei unseren fahrradfreundlichen und pragmatischen Nachbarn liegt der Radverkehrsanteil landesweit bei rund 27 Prozent und in mehreren Städten sogar bei mehr als 40 Prozent.

Gleichzeitig pflegen die Niederlande eine Konsenskultur. Entscheidungen werden möglichst nicht von oben herab, sondern mit allen Beteiligten zusammen erarbeitet. Die niederländische Verkehrsministerin Karla Peijs rief so 2004 einen runden Tisch ins Leben, um eine Lösung für die wachsenden Verkehrsprobleme zu erarbeiten. Täglich verstopfen 340 Kilometer Stau Hollands Straßen. Die Idee war, ein nationales Maut-Konzept zu erarbeiten, das die Umweltbelastung vermindert, die Stauprobleme vermeiden hilft sowie transparent und gerecht ist.

Beschlossen wurde schließlich der sogenannte "Nouwen-Plan". Er sieht vor, dass jeder motorisierte Verkehrsteilnehmer auf jeder Straße, für jeden Kilometer eine Maut bezahlen muaa. Also eine Besteuerung nach tatsächlicher Nutzung und nicht nach willkürlichen Einheiten wie Hubraum. Um Tanktourismus zu vermeiden, wird die Abrechnung nicht über eine verbrauchsabhängige Sprit-Steuer, sondern über ein satellitengestütztes System erfolgen. Über die Strecken- und Fahrzeugdaten soll die Maut je nach Schadstoffemissionen, Tageszeit und gefahrener Strecke variabel sein. Um die Verkehrsspitzen zu entzerren, würde dann die Fahrt zur morgendlichen "Rush Hour" teurer ausfallen als die etwas später am Vormittag.

Die Maut soll auch für Motorräder und für ausländische Fahrzeuge gelten. Wie das technisch umgesetzt wird, muss noch geklärt werden, wahrscheinlich über eine ID-Box im Fahrzeug. Ab 2011 sollen zuerst die Lkws im Land mit dem System ausgerüstet werden, bis 2016 werden dann die Pkws folgen. Als Gegenleistung, und das ist wohl ein Grund für den Konsens für das Mautsystem, soll das neue Mautsystem alle bisherigen Steuern beim Kauf und Besitz eines Autos ersetzen. Studien prognostizieren, dass sich durch eine Maut das Verkehrsaufkommen um 5 Prozent und Staus um 25 Prozent vermindern.

Kilometerabhängige Mautsysteme könnten als Lenkungsinstrument noch viel weitreichendere Auswirkungen haben. Wenn, wie in Holland, viele alternative Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, senken sie den Umwelt- und Energieverbrauch. Denn Transportkosten beeinflussen die Verkehrsmittelwahl und haben damit mittelbar auch Umweltfolgen und Auswirkungen auch auf den Städtebau. Generell beeinflussen sie im Güterverkehr die räumlichen Entfernungen der Produktions- und Handelsprozesse und damit, welcher Transport sich zu welchen Kosten lohnt.

Im Personenverkehr beeinflussen die Transportkosten neben anderen Aspekten wie Zeitbudget, Komfort und Image die Wahl des Verkehrsmittels, die Reisehäufigkeit und -entfernung und auch die Wahl des Wohnorts. Bei uns war die Eigenheimzulage lange Zeit (und die Pendlerpauschale ist es wieder) ein Subventionsinstrument, welches die langfristige Zersiedelung und höheren Energieverbrauch fördert. Wie wirksam Preise Verkehrsströme beeinflussen, beweist die Zunahme des Personenflugverkehrs als Reaktion auf die aggressive Senkung der Flugticketpreise. Diese Beispiele zeigen, dass eine Änderung der Transportkosten als Steuerungsinstrument wirksam zur Verkehrsvermeidung eingesetzt werden kann.

Das Städtenetzwerk Local Governments for Sustainability (ICLEI) untersuchte 2005 im Rahmen des EU-Projekts Sustainability in the Public Urban Transport Market (SIPTRAM) kommunale Haushaltspläne auf versteckte Kosten des städtischen Autoverkehrs. Die Studie umfasste dabei Städte aus mehreren europäischen Ländern. Die Untersuchung ergab, dass die Kostendeckung im kommunalen Verkehrssektor im Durchschnitt nur bei 29,1 Prozent lag und je Stadtbewohner jährlich ein Fehlbetrag von 145,50 Euro entstand. Der Autoverkehr verursacht also hohe Kosten für die Kommunen.

Während die deutschen Städte jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro dafür investieren, sind nur 15 bis 45 Prozent dieser Ausgaben durch Einnahmen wie etwa Parkgebühren oder Finanzmittel von Bund und Ländern gedeckt. Der tatsächliche Fehlbetrag dürfte noch höher liegen, da in der Studie nicht alle Kosten erfasst und entsprechend zugeordnet werden konnten. Im Gegensatz dazu führen die öffentlichen Haushälter die Ausgaben für den öffentlichen Verkehr dezidiert auf, sodass Unterfinanzierung hier schneller sichtbar wird und eher zu einseitigen Mittelkürzungen führt. Untersuchungen aus anderen europäischen Städten zeigen auch dort vergleichbare Ergebnisse.

Beispiel Europäische Union: Mit der Modernisierung der osteuropäischen Industrie sank der CO2-Ausstoß zunächst. Seit dem Jahr 2000 stagniert er in allen Wirtschaftsbereichen auf hohem Niveau. Nur der Verkehrssektor scheint gegen alle Bemühungen um Energieersparnis und Effizienzsteigerung immun. Sein CO2-Ausstoß nimmt stetig zu, seit 1990 bereits um 40 Prozent. Bild: M. Brake

Mehr Energieeffizienz

Nach jahrelangen Verzögerungen und auch nur auf Druck von Seiten der EU soll diese Woche das Energieeffizienzgesetz beschlossen werden. Denn gerade der schlechte Wirkungsgrad technischer Geräte und ihrer Nutzung können als zusätzliche Energiequelle - ohne zusätzlichen Energieverbrauch und ohne zusätzliche Klimaschädigung - mobilisiert werden.

Die Energievorräte lassen sich durch mehr Effizienz bei der Energienutzung strecken, indem mehr Nutzenergie je Primärenergie gewonnen wird. Unter Primärenergie wird die in den eingesetzten Energieträgern wie Öl, Kohle, Gas insgesamt enthaltene Energiemenge verstanden. Nur die letztlich daraus gewonnene sogenannte Endenergie steht für die Nutzung zur Verfügung. Je mehr Nutzenergie pro Primärenergie gewonnen wird, desto größer ist die Effizienz der Energiegewinnung.

Ein Beispiel: Nach der Energiestatistik des Bundeswirtschaftsministeriums betrug der weltweite Primärenergieverbrauch im Jahr 2005 132.972 Mrd. kWh (vierzig Mal so viel wie zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der ersten Phase der industriellen Revolution). An Endenergie konnten daraus nur 94.444 Mrd. kWh gewonnen werden. Die restlichen 38.333 Mrd. kWh – also gut 30 Prozent – gingen bei der Verbrennung und Verteilung verloren. Insbesondere die Energiegewinnung in Kraftwerken und Verbrennungsmotoren von Fahrzeugen weist heute noch sehr schlechte Wirkungsgrade auf. Auch moderne Kraftwerke kommen im Durchschnitt nur auf 38 Prozent und selbst moderne Ottomotoren liegen unterhalb 25 Prozent. Der Rest der in den Energieträgern enthaltenen potenziellen Nutzenergie geht nutzlos verloren.

Mit dem Energieeffizienzgesetz soll die Europäische Richtlinie über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, nationale Einsparziele festzulegen, und eine Einsparung des Energieverbrauchs von jährlich 1 Prozent. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, bis zum Jahr 2020 die Energieproduktivität gegenüber dem Jahr 1990 zu verdoppeln. Und Energielieferanten zu verpflichten, Energieeinsparmaßnahmen durchzuführen. Hier hagelte es Kritik von den Umweltverbänden, Thorben Becker vom BUND bemängelt:

Stromkonzerne zu verpflichten, weniger Strom zu verkaufen bedeutet, der Bock wird zum Gärtner gemacht. Denn RWE, Vattenfall, EnBW und Co. haben naturgemäß wenig Interesse daran, ihren Umsatz zu verringern. Zudem kommen den Konzernen die angedrohten Bußgelder von höchstens 100000 Euro beim Verfehlen der Einsparziele günstiger als der Aufwand zu ihrer Umsetzung.

Thorben Becker

Mehr Kontrolle der Energieverkäufer sei notwendig und mehr Aufklärung bei den Energiekonsumenten. Stromabrechnungen in kürzeren Abständen sollten mehr Transparenz schaffen. Durch Einzelaufstellungen und Lastkurven in graphischer Form und Vergleiche mit Durchschnittsverbrauchern. Ein Marktanreizprogramm für besonders effiziente Geräte solle deren Verbreitung fördern. Unter anderem über Mikrokredite und eine ausgeweitete Energiesparberatung. Zum Beispiel verbrauchten allein die,im Alltag unscheinbaren 30 Millionen Heizungspumpen im Einsatz zur Zeit noch immer soviel Strom wie der gesamte deutsche Schienenverkehrs (DB und ÖPNV). Auch die Ökodesign-Richtlinie sieht vor, dass von 2012 an nur noch drehzahlgeregelte Heizungspumpen auf den EU-Markt gelangen sollen. Ein Nationales „Top-Runner-Programm“ soll schließlich die effizientesten Geräte jeder Kategorie bekannt machen und die völlig erstarrten und wenig aussagekräftigen A bis A+++ Bezeichnungen ablösen.

Und was kommt dann nach mehr Energieeffizienz? Die herkömmlichen fossilen Energieträger gehen zur Neige, doch regenerative Energieträger stehen in ausreichendem Maße zur Verfügung. Das Potenzial für den Wechsel zu einer regenerativen Energieversorgung ist ausreichend vorhanden. Gelingt es, durch intelligente Energienutzung den Energieverbrauch zu senken, wird sich der energetische Spielraum weiter vergrößern und aus der Krise könnte tatsächlich die Chance erwachsen zum Einstieg in den Global Green New Deal.