Spannende Wahlen im Iran

Zum Schrecken des konservativen Establishments geht Khatami ins Rennen

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Nun hat er sich doch nach langem Zögern entschieden. Seyyed Mohammad Khatami, Irans Ex-Präsident (1997-2005) hat zum Schrecken des konservativen Establishments seine Kandidatur für die 10. Präsidentschaftswahlen der Islamischen Republik Iran am kommenden 12. Juni bekanntgegeben. Er ist nach Meinung der Inlandsexperten der einzige Reformkandidat, der eine zweite Amtszeit von Präsident Ahmadinedschad verhindern kann. Eine absurde aber nicht abwegige Einschätzung. Absurd, weil in jedem halbwegs demokratischen Land Ahmadinedschad nach seiner desaströsen sozioökonomischen und gesellschaftspolitischen Bilanz nicht einmal die erste Amtszeit überlebt hätte. Ahmadinedschads Wiederwahl ist dennoch nicht abwegig, weil die komplizierte Struktur von Politik und Gesellschaft dies möglich macht. Und dieser Struktur liegt nicht nur die Diktatur zugrunde.

Kräfteverhältnisse am Vorabend der Wahlen

Auf der konservativ-islamistischen Seite gilt die Kandidatur des amtierenden Präsidenten Ahmadinedschad als sicher, obgleich diese noch nicht offiziell bekanntgegeben wurde. Mögliche weitere potenzielle islamistische Kandidaten wären der Vizepräsident des Iranischen Parlaments Mohammad Reza Bahonar und der langjährige Ex-Außenminister und heutiger außenpolitische Berater des Obersten Religionsführers Ali Akbar Velayati.

Seyyed Mohammad Khatami (Bild: Wikimedia Commons Das Bild "Iran.MohammadKhatami.01.jpg" stammt aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der Creative Commons Attribution 2.5 Brazil License. Der Urheber des Bildes ist dieAgência Brasil)

Die drei konservativen Kandidaten von 2005, Parlamentspräsident Ali Laridschani, der Teheraner Bürgermeister Mohammad Ghalibaf und der Ex-Oberbefehlshaber der Revolutionswächter Mohsen Rezaei könnten, auch wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit in Frage kommen. Das Auftreten von einem Schattenkandidaten im letzten Moment oder das Hochpuschen von einer der genannten Personen ist möglich. Auch 2005 hatte kaum jemand den vormaligen Teheraner Bürgermeister Ahmadinedschad auf der Rechnung.

Auf der Reformerseite haben bisher nur Ex-Präsident Khatami und vor ihm Ex-Parlamentspräsident Mehdi Karubi von der „Partei des Nationalen Vertrauens“ ihre Kandidatur offiziell kundgetan. Es ist anzunehmen, dass der letzte iranische Premierminister (das Amt wurde 1989 abgeschafft) Mir Hossein Mussavi nun aufgrund von Khatamis Nominierung nicht mehr antreten wird. Möglich wäre auch eine Kandidatur von Hassan Rowhani, der Rafsandschani nahe steht. Er war Irans Chefunterhändler für Nuklearangelegenheiten unter Präsident Khatami. Angeblich soll er mit grünem Licht von Rafsandschani bereits seinen Wahlkampfstab zusammengestellt haben.

Strategiewechsel der Konservativen

Khatamis Kandidatur wird aller Voraussicht nach die Reihen der gespaltenen Konservativen schließen. Ein einflussreicher konservativer Abgeordneter berichtete von einem Projekt der kritischen Konservativen („Breiter Koalition der Prinzipientreuen“ mit 53 Sitzen) mit zwei Kandidaten anzutreten. Keiner von ihnen sollte Ahmadinedschad sein. Die Voraussetzung dafür wäre, so der Abgeordnete Ali Motaheri, dass Khatami auf eine Kandidatur verzichte. Der Plan soll laut Motahari jedoch bereits zu den Akten gelegt worden sein. Der bereits zitierte einflussreiche Konservative und mögliche Geheimkandidat Bahonar (von der stärksten Parlamentsfraktion („Vereinigte Front der Prinzipientreuen“ mit 117 Sitzen) sprach von dem Versuch, die neunte Regierung (Ahmadinedschads Regierung) mit Ahmadinedschad zu verbessern.

Es deutet somit vieles darauf hin, dass das konservative Lager die Gefahr, die durch die Nominierung von Khatami entstanden ist, geahnt hat. Es wird sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um das für sie „kleinere Übel“ (als Khatami) scharen, um die Exekutive nicht zu verlieren. Dieses Kalkül der Einkandidatenstrategie könnte in Verbindung mit anderen sehr wirkungsvollen Wahlrahmenbedingungen im Iran (siehe unten) aufgehen, wenn die Reformer mit mehreren Kandidaten anträten und sich gegenseitig Stimmen wegnehmen, wie es 2005 der Fall war. In diesem Falle wäre sogar ein Sieg Ahmadinedschads mit absoluter Mehrheit, also bereits in der ersten Runde, möglich. Zumindest der sture Mehdi Karubi hat mehrmals zu verstehen gegeben, dass er von seiner Kandidatur keineswegs abweichen wird.

Wer ist Mohammad Khatami?

Vor der Revolution

Der 1943 als Sohn eines angesehenen Ayatollah in Ardakan in der Provinz Yazd geborene Khatami studierte in der schiitischen Hochburg Qom islamische Theologie und später an der philosophischen Fakultät der Universität Isfahan Philosophie. Anschließend nahm er 1970 ein Diplomstudium der Erziehungswissenschaften an der Teheraner Universität auf, vermutlich ohne dieses abgeschlossen zu haben, wie aus seiner Website hervorgeht. Er ist einer der wenigen heutigen prominenten Geistlichen im Iran, die in beiden Sphären, sowohl der weltlichen als auch der sakralen einen Abschluss hat.

Schon in Isfahan schloss er sich der Führung der Islamischen Vereinigung der Universität an. 1974 kam er erstmals über Khomeinis Sohn, Ahmad, mit Ayatollah Khomeini in Verbindung. Später soll er sich als Verfasser der Erklärungen des oppositionellen Verbandes der „Militanten Kleriker“ gegen den Schah-Regime hervorgetan haben. 1978 wurde er zur Leitung des Islamischen Zentrums in Hamburg berufen. Bis dato kannte er den Westen nur durch sein Philosophiestudium in Isfahan.

Nach der Revolution

Im Zuge des Sieges der Iranischen Revolution (1979) kehrte er in den Iran zurück und wurde ein Jahr später Abgeordneter seiner Stadt Ardakan im Parlament. 1981 ernannte ihn Khomeini im Rahmen der Klerikalisierung der Presse zum Leiter der größten iranischen Zeitung „Kayhan“ als Nachfolge des religiös-liberalen Ebrahim Yazdi. In dieser Position begann vielleicht das dunkelste Kapitel seiner politischen Laufbahn.

Die konservative Geistlichkeit war im Begriffe, die totale Macht mit aller Gewalt an sich zu reißen. Als die letzte Bastion der liberal-religiösen und demokratischen Fraktion durch das erzwungene Amtsenthebungsverfahren des ersten iranischen Präsidenten Abol Hassan Bani-Sadr fiel, wollten dies radikale Kräfte angeführt von den links-islamistischen Volksmudschahedin nicht kampflos hinnehmen und gingen zu bewaffneten Demonstrationen über. Innerhalb von einem Monat nach der Amtsenthebung Bani-Sadrs kam es zu zwei verheerenden Bombenanschlägen, denen führende Vertreter der konservativen Staatsführung, darunter Präsident Mohammad Ali Radschai und Premier Mohammad Dschavad Bahonar zum Opfer fielen.

In jenen erbarmungslosen Monaten, wo der Terror wütete und Massenhinrichtungen von Andersdenkenden an der Tagesordnung waren, schrieb er zwei Leitartikel als Antwort auf Mehdi Bazargans Auftritte im iranischen Parlament. Bazarghan, der erste Premierminister der provisorischen Regierung, ein frommer Mann, der jedoch durch und durch Demokrat war, verurteilte nun als Parlamentsabgeordneter die blinden hasserfüllte Massenhinrichtungen, die er auch als Generationsmassaker bezeichnete.

Seine Rede im Parlament wurde von aufgebrachten Geistlichen, angeführt vom „Blutrichter“ Sadeq Khalkhali unterbrochen und er wurde mit Schlägen vom Podest runtergeholt. Khatami hat in seiner Funktion der Leitung von Keyhan und als Abgeordneter in zwei Artikeln Bazargan mit schäbigen Kommentaren übersät und die Revolutionsgerichte aufgefordert, nicht die geringste Milde walten zu lassen. Die meisten heutigen Reformer, die damals emsig an der Seite Khomeinis bzw. als einer seiner Mitläufer den Weg zur Gleichschaltung der Gesellschaft zu Gunsten des Klerus ebneten, schämen sich des Rückblickes auf die blutigen 80er Jahre.

1982 bis zu seinem Rücktritt 1992 war Khatami Minister für „Kultur und Religiöse Führung“ und gleichzeitig auch Leiter des Stabs für Kriegspropaganda während des gesamten Iran-Irak-Krieges (1980-88). Er gehörte der Delegation an (neben dem Minister für Wirtschaft und Finanzen, dem Direktor der Organisation für Planung und Budget, dem Verteidigungsminister, Armeekommandeuren und dem Oberbefehlshaber der Revolutionswächter), die im Sommer 1988 zu Khomeini gingen und ihm klarmachten, dass der Krieg nicht mehr finanzierbar und das Volk kriegsmüde sei.

Die Folge war die Annahme der UN-Waffenstillstandsresolution 598 seitens des bis dato sturen Ayatollahs. 1992 musste er aufgrund seiner Liberalität gegenüber einer kritischeren Presse, Musikern und Filmemachern sein Ministeramt räumen. Kein Mensch glaubte damals, dass er, der nun Direktor der Iranischen Nationalbibliothek war, 1997 auf die politische Bühne zurückkehren würde und das höchste gewählte Amt des Staates bekleiden würde.

Präsident der Republik

Seine Wahl zum Präsidenten markierte einen Meilenstein im Gottesstaat, denn er war nicht der Kandidat des Obersten Religionsführers. Sein Rivale Ali Akbar Nateq Nuri beschuldigte später die einseitig parteiischen Medien, ihm durch ihre plakative Parteinahme für Khatami geschadet zu haben. Er trat an mit dem Versprechen, rechtsstaatliche Garantien und bürgerliche Freiheiten durchzusetzen und hatte auch einen beachtlichen Erfolg vorzuweisen, bis es dem Religionsführer Khamenei und seinem islamistischen Umfeld zuviel wurde.

Im Frühling 2000 hetzte Religionsführer Khamenei mit einer Rede die konservative Justiz gegen die Presse und beendete so den kurzlebigen „Medienfrühling“. Spektakulär war seine Entscheidung, seinen vom Religionsführer ihm aufgezwungenen Informationsminister zu entlassen und das Ministerium für dutzende Morde an prominenten Intellektuellen („Kettenmorde“) öffentlich verantwortlich zu erklären. Unter ihm wurde erstmals in der Geschichte des Gottesstaates eine Frau zur Vizepräsidentin ernannt. In seiner Ära ereignete sich im Juli 1999 die heftigste dreitägige Studentenrevolte in Teheran, die der ultra-konservative Machtapparat mithilfe der Revolutionswächter und der Basij-Miliz niederschlug.

Sowohl bei der Niederschlagung der Presse als auch der Studentenrevolte fühlten sich die Protestierenden von ihrem Präsidenten allein gelassen. Khatami rügte sogar die Angegriffenen. Die Verschlechterung der materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung und die Tatsache, dass er nicht einmal seine prioritären Ziele, die Herrschaft des Gesetzes und der bürgerlich-politischen Freiheiten, einlösen konnte, was zu einem erheblichen Teil dem massiven Widerstand des ultrakonservativen Machtapparats um den Religionsführer geschuldet war, haben den Reformern die Glaubwürdigkeit gekostet. Vor diesem Hintergrund scheint die Wahl Ahmadinedschads zum Präsidenten im Juni 2005 plausibel.

Khatami im Ausland

Der sympathische Geistliche hat zu einem Zeitpunkt das Amt übernommen, als die Beziehung zum Ausland, insbesondere zur Europäischen Union auf ihrem Tiefpunkt war. Im Zuge des Mykonos-Urteils vom April 1977 hatten alle EU-Staaten ihre Botschafter aus dem Iran zurückbeordert. Der gewaltsame Terror an vier Kurdenführern in Berlin hatte einen großen „Vorteil“ für iranische Dissidenten. Die Mullahs, die bis dato in ganz Europa ihre Widersacher jagten, haben dies nie wieder gewagt.

Nach dem jahrelangen Auftreten von bärtigen und grimmigen aggressiven Spitzenrepräsentanten war für den Iran in einer derartigen Atmosphäre ein stets lächelnder, sympathischer, optisch und im Ton sichtlich gepflegter Geistlicher unterwegs, der dem Iran ein anderes Gesicht verlieh. US-Präsident Bill Clinton war während der Rede von Präsident Khatami samt seiner Außenministerin Madeleine Albright bei der UN-Hauptversammlung 2000 präsent. Clinton hätte Khatamis Rede auch in seinem Oval Office via Monitor hören können. Es war Khatami, der zugesehen hat, wie er aufgrund des Drucks der Hardliner im Iran Clinton in den Korridoren der UNO aus dem Weg gehen kann.

In Deutschland enthüllte er in Juli 2000 in Begleitung des Bundespräsidenten Johannes Rau ein Denkmal, das den beiden größten Dichtern Deutschlands und Persiens, Johann Wolfgang von Goethe und Mohammed Schams al Din (Hafis), gewidmet ist. Kann man sich heute vorstellen, dass Bundespräsident Köhler Ahmadinedschad in Berlin empfängt? Khatami bewirkte, dass das Jahr 2001 von den Vereinten Nationen zum Jahr des „Dialogs zwischen Nationen“ wird. Doch sein regionsphilosophischer Vorstoß kam über eine abstrakte Floskel nicht hinaus. In Harvard versuchte er den US-Elitestudenten Amerikas in seiner Rede über die amerikanische Geschichte zu belehren.

Der Westen hatte, alles in allem, in Khatami einen berechenbaren und vertrauenswürdigen Gesprächspartner. Khatami setzte Irans Atomprogramm nach Verhandlungen mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien im November 2004 bis zum Ende seiner Amtszeit aus, was ihm eine große Glaubwürdigkeit entgegenbrachte. Die Europäer kamen mit ihrem Angebotspaket erst im August 2005, als er nicht mehr im Amt war.

Chancen und Risiken Khatamis bei den zehnten Präsidentschaftswahlen

Niemand kann Khatamis Anstrengungen während seiner Präsidentschaft ignorieren. Seine „Zwillingsgesetzesentwürfe“, die er im Sommer 2002 in das Parlament einbrachte, hätten allein seine Ziele, die Herrschaft des Gesetzes und bürgerliche Freiheiten, garantieren können. Es ging um ein Gesetz zur Reform der Pressefreiheit und ein Gesetz zur Erweiterung der Befugnisse des Präsidenten, um die Rechte des Wächterrates zu beschneiden, was am Widerstand des Religionsführers per Dekret scheiterte. Nun wird er wider gegen die geballte konservative Macht mit Ahmadinedschad an der Spitze und Khamenei im Hintergrund antreten müssen.

In jedem halbwegs demokratischen Land hätte Ahmadinedschad nicht einmal die erste Amtszeit überlebt. Seine Bilanz besteht aus einer desolaten Wirtschaft, steigender Korruption, einer Inflationsrate von 30 % und einer politisch massiv unterdrückten Gesellschaft. Diese Negativentwicklung vollzog sich trotz Öleinnahmen in nie dagewesener Höhe. Dabei wollte er die Armen am Ölreichtum stärker partizipieren lassen. Er kann sich aber auf alle staatlichen Machtapparate stützen. Der Wahlüberwacher (der Wächterrat) und der Wahlorganisator (das Innenministerium) sind fest in konservativer Hand. Innenminister Sadeq Mahsuli war 2005 einer der Wahlkampfleiter Ahmadinedschads.

Der Religionsführer Ayatollah Khamenei unterstützt Ahmadinedschad. Die nationalen Medien (Radio- und Fernsehen) stehen unter Kontrolle der Konservativen. Die Revolutionswächter und die Bassij-Miliz samt einer Fülle von konservativen Freitagspredigern werben Tag und Nacht für ihn. Ahmadinedschad hat einen festen organisierten Wählerstamm.

Hinzu kommt, dass er auf seinen populistischen Reisen durch Irans Provinzen direkt aus der Staatskasse die Armen, die sich ihm persönlich oder per Brief zuwenden, unterstützt. Er soll sogar Bargeld verteilt haben. Es wird schwer für die Reformer, auch mit einem populären Khatami an der Spitze.

Khatami in den großen Städten vorn, Ahmadinedschad in den Kleinstädten und Dörfern

Laut Umfrageergebnissen im Auftrag des iranischen Informationsministeriums, der Anstalten für Funk und Fernsehen und der freien Universität beträgt das Stimmenverhältnis für Khatami und Ahmadinedschad in den Städten 2 zu 1 und Teheran 3 zu 1 für Khatami.

Ahmadinedschad soll einen starken Rückhalt in den Kleinstädten und Dörfern haben. Da der Iran zu 65 bis 70% urbanisiert ist, dürfte ihm der Vorsprung im ruralen Milieu dem ersten Anschein nach wenig helfen. Darauf kann sich allerdings Khatami nicht ausruhen. Da die Teilnahme der Kleinstädter und Dörfer an den Wahlen jedoch wesentlich stärker ist, i. d. R. fast 50% der Gesamtstimmen beträgt, kann es zu Überraschungen kommen. Ahmadinedschads Wähler stammten 2005 aus den ärmeren Bevölkerungsschichten in den Städten, Kleinstädten und Dörfer.

Die Reformer müssen deshalb einen intensiveren Wahlkampf in den Kleinstädten durchführen sowie auch die passiven Wähler mobilisieren. 2005 waren ca. 35% der Wahlberechtigten, die zumeist den enttäuschten Khatami-Wählern zuzuordnen waren, der Wahl ferngeblieben. Verliert Khatami den Wahlkampf, wird er wie Rafsandschani, der 2005 Ahmadinedschad unterlag und heute nur noch eine Schattenmacht darstellt, aus der aktiven politischen Szene des Iran verschwinden.

Der größte Wahlkampfhelfer für Barack Obamas Sieg war die vorausgegangene desaströse Bush-Administration. Im Iran ist die gesellschaftliche Reife lange noch nicht soweit. Mit dem Segen des Revolutionsführers und durch Wahlmanipulationen könnte Ahmadinedschad wieder „gewählt“ werden. Es sei denn, die Reformer bilden eine Einheit und halten Ahmadinedschad stimmenmäßig deutlich auf Distanz, sodass eine Ergebnismanipulation eine ernsthafte Herausforderung für das Regime darstellen würde.

Reformen, aber keine offene Verhältnisse wie in der Türkei oder Malaysia

Von Khatami wird kein Wunder, aber eine innen- und außenpolitische Entspannung zu erwarten sein. Ein Mindestmaß an Reformen könnte den Baustein für eine spätere tiefgründige Transformation bilden. Die Iraner im In- und Ausland müssen sich die Realität der iranischen Politik und Gesellschaft vor Augen halten. Auch in naher Zukunft wären offene Verhältnisse wie in der Türkei oder Malaysia nur noch ein süßer unerreichbarer Traum vieler Iraner.

Der Westen schaut leise, aber sehr aufmerksam auf den Iran. Nicolas Sarkozy riet Obama, die Präsidentschaftswahlen im Iran abzuwarten, ehe er Verhandlungen anfängt. Weil mit hoher Wahrscheinlichkeit Benjamin Netanjahu in Israel der künftige Premier sein wird (oder ein starker Mann im Kabinett), wird es von großer Bedeutung sein, wer der künftiger Präsident Irans ist. Ein Israel unter Führung Netanjahus und der Iran unter Ahmadinedschads würden Obamas mögliche Projekte für den nahen Osten durchkreuzen. Die beiden Hardliner im Amt gepaart mit dem Palästinakonflikt würden ein doppeltes Dilemma für Obamas Administration bilden. Obamas Effekt für den Nahen Osten wäre neutralisiert.

Kürzlich sorgte ein Leitartikel eines Ultrakonservativen und engem Vertrauten Khameneis in „Kayhan“ für großes Aufsehen. Der Verfasser hatte Khatamis Antreten, „aus Sorge um ihn“ für gefährlich erklärt. Ihn könnte das gleiche Schicksal ereilen wie Benazir Bhutto in Pakistan, die kurz vor den Wahlen im Dezember 2007 Opfer eines Terroranschlags wurde. Die Botschaft ist mehr als deutlich: Wenn ihr versucht, uns die Exekutive wegzunehmen, kann Blut fließen. Sehr viel unschuldiges Blut ist im Iran der letzten dreißig Jahre „im Interesse der Aufrechterhaltung des Islam und Nezam (Regime)“ bereits geflossen.