Das tägliche Blutbad in Sri Lanka

Im Krieg gegen die tamilischen Rebellen wurden in den letzten drei Wochen 2.000 Zivilisten getötet und 5.000 verletzt. Für die Regierung sind sogar Krankenhäuser "legitime Ziele" und auch die Rebellen schießen auf Flüchtende

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Gestern griffen überraschend zwei Kleinflugzeuge der tamilischen Rebellen die srilankische Hauptstadt Colombo an. Eines der Flugzeuge wurde in der Nähe des Flughafens Katunayake abgeschossen, das andere stürzte in das Gebäude der Steuerbehörde, nachdem es von der Luftabwehr getroffen wurde. Zuvor hatte der Pilot das einige hundert Meter entfernte Hauptquartier der Luftwaffe bombardiert. Insgesamt gab es 53 Verletzte, vier Personen wurden getötet, darunter die Piloten. Bisher bleibt unklar, ob auch die Airforcebasis nahe des Flughafens bombardiert wurde.

Die Attacke bringt die Regierung in Verlegenheit, da sie glaubt, die Guerilla fast besiegt zu haben: Die Armee steht unmittelbar vor der Eroberung der letzten Bastionen der tamilischen Rebellen. Seitdem die politische Hauptstadt Kilinochchi und die Militärbasis Mullaitivu im Januar vom Militär eingenommen wurden, bleibt den Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) nur noch ein ständig schrumpfendes Gebiet von 100 Quadratkilometern übrig - etwa 2 Prozent des Terrains, das sie noch vor zwei Jahren kontrollierten. Dieses Gebiet ist von 50.000 Soldaten umstellt. Sie sollen die restlichen 2.000 Kämpferinnen und Kämpfer vernichten, die den Rebellen laut Militärangaben noch bleiben. Der gestrige Angriff ist somit vor allem propagandistisch wirksam und liefert einen Vorgeschmack auf die Zukunft, denn selbst wenn die Guerilla ihr Territorium verliert, wird sie zu genau solchen Überraschungsangriffen weiterhin fähig sein. Abseits solcher Nadelstiche gilt die internationale Aufmerksamkeit derzeit aber vor allem den 200.000 Zivilisten, die sich in dem umzingelten Gebiet befinden und seit Mitte Januar unablässig unter Beschuss liegen. Vor allem Krankenhäuser und Flüchtlingslager werden seit vier Wochen ständig mit schwerer Artillerie angegriffen und aus der Luft bombardiert. Gleichzeitig hindert die LTTE die Zivilisten oftmals an der Flucht und benutzt sie als menschliches Schutzschild.

Viele Flüchtlinge sind zwischen Militär und tamilischen Rebellen gefangen. Bild: Sri Lanka Army

Unter Beschuss kommen seit Mitte Januar aber vor allem die 200.000 Zivilisten, die sich in dem umzingelten Gebiet befinden. Vor allem Krankenhäuser und Flüchtlingslager werden seit vier Wochen ständig mit schwerer Artillerie angegriffen und aus der Luft bombardiert. Gleichzeitig hindert die LTTE die Zivilisten oftmals an der Flucht und benutzt sie als menschliches Schutzschild.

Die Eroberung der letzten Rebellengebiete wurde Anfang Januar von einer Terrorwelle gegen unabhängige Journalisten begleitet. Wenige Tage nachdem Präsident Rajapakse am 1. Januar das Medienministerium übernommen hatte, stürmten zwanzig mit T-56-Gewehren bewaffnete Männer die Sendezentrale des unabhängigen Maharajah Televisions Network nahe Colombo, zündeten Granaten im Senderaum und verschwanden. Kurz zuvor hatte die Regierung dem Sender vorgeworfen, nicht "patriotisch" genug zu sein, da er über eine Selbstmordattacke in Colombo berichtet hatte, anstatt die Einnahme von Kilinochchi am selben Tag gebührend zu würdigen.

Terror gegen unabhängige Medien begleitet die Militärkampagne

Nur zwei Tage später wurde der Chefredakteur des oppositionellen Sunday Leader, Lasantha Wickrematunge mitten in Colombo um 9.30h morgens auf dem Weg zur Arbeit erschossen. Wickrematunge schien zu ahnen, dass er der nächste auf der Liste der Killer sein würde. Schon vor einiger Zeit war sein Haus mit Maschinengewehrsalven beschossen worden. Da es nie Ermittlungen gab, nahm er an, dass die Regierung die Angriffe unterstützt habe, schrieb Wickrematunge kurz vor seinem Tod: "Wenn ich also ermordet werde, wird es die Regierung sein, die mich ermordet hat."

Weiter schrieb er an Präsident Rajapakse gerichtet - mit dem er sogar befreundet war: "Um ehrlich zu sein, wissen wir beide, wer hinter meinem Tod stecken wird, wagen aber nicht, seinen Namen auszusprechen. Nicht nur mein Leben, sondern auch deines hängt davon ab." Nach den Journalisten sei die nächste bedrohte Gruppe jene der Richter, prophezeite er.

Die Ermordung Lasantha Wickrematunges ist nur die Spitze des Eisbergs, wie diese Liste zeigt. Seit 2006 wurden in Sri Lanka 14 Journalisten ermordet.