"Gott wird dich erschießen - wenn ich es nicht mache"

Die evangelikale Fernsehkirche TBN fordert Spenden von Leuten, die sie sich nicht leisten können, und begleitet Missionare in Afghanistan mit der Kamera.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das "Trinity Broadcasting Network" (TBN) ist eines der größten Medienunternehmen der Vereinigten Staaten, und der wohl meistgesehene religiöse TV-Sender weltweit. Mit der Verknüpfung von religiösen Inhalten, politischer Ideologie und modernster Technik beschreitet TBN neue Wege – und erzielt damit hohe finanzielle Profite.

"Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!" – diese (hochdeutsche) Version eines Zitates des Dominikaner-Mönches Johann Tetzel bringt den Missbrauch des kirchlichen Ablasshandels auf den Punkt. Ging es beim Gnadenakt der Ablassgewährung eigentlich um das Erlassen von Sündenstrafen gegen gute Taten des reuigen Sünders, entwickelte sich der Ablasshandel im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu einem Geschäft auf Gegenseitigkeit.

TBN-Film The Revolutionary: Die Frisur sitzt

Beschränkte sich der Ablasshandel allerdings auf Katholiken, so findet sich heutzutage ein ähnlicher Ansatz in einem anderen, mit der katholischen Kirche konkurrierenden Segment des Christentums: die so genannte "prosperity theology". Besonders verbreitet, aber nicht ausschließlich darauf beschränkt, ist diese Lehre in Gemeinden der Pfingstbewegung und der charismatischen Bewegung, die Untergruppen der evangelikalen Bewegung darstellen.

Dieses "Wohlstandsevangelium” beruht auf der Annahme, Wohlstand – insbesondere materieller Besitz, persönlicher und geschäftlicher Erfolg, sowie körperliche Gesundheit – seien sichtbare Zeichen der Gnade Gottes. Diese ließe sich beispielsweise durch die Förderung und Verbreitung des Evangeliums in aller Welt erlangen – eben auch in Form finanzieller Spenden an selbsternannte Mittler zwischen Gott und der Welt.

Verbreitung erfuhr diese Lehre in den letzten Jahrzehnten vor allem auch durch die "Wort-des-Glaubens"-Bewegung, als deren Vater der 2003 verstorbene Prediger Kenneth Hagin gilt. Diese Bewegung war vor allem in Pfingstgemeinden und in charismatischen Gemeinden vertreten, hat sich aber auch überkonfessionell ausgebreitet. Trotzdem ist sie, aufgrund ihrer Lehren, selbst in evangelikalen Kreisen so heftig umstritten, dass sie teilweise der Häresie bezichtigt wird.

Stein des Anstoßes ist in diesem Zusammenhang vor allem die Doktrin der "kleinen Götter" und, damit verbunden, die Lehre von der "schöpferischen Kraft" des Wortes. Nach dieser Auffassung besteht religiöser Glaube nicht nur darin, an das zu glauben, was Gott sagt, sondern zu glauben, dass man alles erhält, was man selber sagt (und glaubt). Gebete richten sich demnach nicht einfach an Gott, sondern auch an "Dinge und Umstände", denen man regelrecht "befehlen" könne, sich so zu entwickeln wie man selbst es sagt.

Infolge dessen glauben Anhänger der "Wort-des-Glaubens"-Bewegung an die Wirkung positiver wie negativer "Bekenntnisse". Man sollte es also tunlichst vermeiden, sich beispielsweise einzugestehen, dass man krank ist, da man erst durch diese Äußerung die Krankheit erschafft. Diese Praxis des Verdrängens kann, vor allem für psychisch labile und depressive Personen, äußerst schädliche Konsequenzen zur Folge haben.

Von Aussaat und Ernte

Äußerst positive Konsequenzen hat die Verbreitung dieser Lehre hingegen für die Gründer des "Trinity Broadcasting Network" (TBN), Paul und Jan Crouch, gebracht. Der 1973 gegründete TV-Sender hatte zu Beginn noch mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem jedoch der konkurrierende Kanal "Praise The Lord", von Jim und Tammy Faye Bakker, im Zuge eines peinlichen Skandals wegen sexueller Belästigungen und finanziellem Betrugs aufgeben musste, begann der Siegeszug von TBN.

Das Erfolgsrezept der "television church" TBN bestand zunächst einmal darin, sich überkonfessionell zu präsentieren, obwohl Paul Crouch ursprünglich als Geistlicher in einer Gemeinde der "Assemblies Of God" tätig war. Auch richtet sich TBN an ein wesentlich weiter abgegrenztes Zielpublikum, als dies bei vergleichbaren evangelikalen Medienunternehmen der Fall ist, welche sich vor allem an "weiße, evangelikale Vorstädter" richten.

Ein detaillierte Beschreibung der "Markt-Strategie" und der Organisation von TBN findet sich in einer wissenschaftlichen Arbeit der Miami University, unter dem Titel "Modern Day Heroes Of Faith: The Rhetoric Of Trinity Broadcasting Network And The Emergent Word Of Faith Movement".

Im Gegensatz zu den Pionieren der "Televangelisten" wie Billy Graham und Oral Roberts, werden bei TBN in der Regel nicht ausschließlich Aufnahmen von Gottesdiensten oder religiösen "revivals" zur Verwertung via TV zusammengeschnitten. Stattdessen werden Programme zur Vermarktung in TV und Internet komplett in Studios produziert.

Weiterhin wird auf komplexe theologische Abhandlungen verzichtet. Stattdessen werden einfache Heils- und Bekehrungsgeschichten in Kombination mit Emotionalisierungsformen eingesetzt und evangelikale Botschaften somit anhand cleverer Geschäftsstrategien vermarktet. Gemäß dem Prinzip des Predigers Dwight L. Moody, der im 19.Jahrhundert damit begann, säkulare Formate mit religiösen Inhalten zu füllen, finden sich im Programm von TBN Nachrichtensendungen, Spiel- und Talkshows, selbst produzierte Filme wie "Meggiddo", wie auch Sitcoms und ähnliche Formate. Spezielle Sendungen für Jugendliche und Kinder, Gesundheits- und Schönheitstipps und Sendungen zur Finanzberatung runden das Unterhaltungsprogramm ab .

Den Kern der Programme von TBN bilden natürlich die Auftritte und Sendungen von Predigern verschiedenster Konfessionen, von "evangelikalen Protestanten [über] charismatische Katholiken bis hin zu messianischen Juden". Auch treten bekannte Figuren aus dem "celebrity-circus" der US-Gesellschaft als regelmäßige Gast-Prediger auf, wie der alternde Wrestler und Schauspieler Mr. T oder auch der ehemalige Rap-Star M.C. Hammer. Deren Auftritte unterstreichen den Anspruch von TBN, ein ungleich größeres Zielpublikum zu erreichen, als dies den traditionellen konservativen Predigern und Sendern möglich ist.

Weiterhin bietet TBN ganztägig die Dienste seiner "prayer line" an, auf der Menschen von so genannten "prayer warriors" beim Gebet begleitet werden können. Gerade einsame, verzweifelte und leichtgläubige Menschen fallen den Verheißungen zum Opfer, die ihnen auf TBN dargeboten werden. Auch wer am Rande der Armut lebt, mag sich durchaus der von TBN geschürten Hoffnung hingeben, dass "der Glaube alleine Krankheiten [heilt], emotionale Schmerzen [kuriert] und finanzielle wie körperliche Sicherheit [gewährleistet]".1

Die "dunkle Seite" dieser Heilsbotschaft hingegen beschreibt Chris Hedges, der nach seinem Abschluss an der "Harvard Divinity School" fast zwei Jahrzehnte für die "New York Times" arbeitete, in seinem Buch über "American Fascists": "Jene, die ihr Wirken nicht unterstützen, werden (laut den TBN-Gründern Paul und Jan Crouch, Anm.d.A.) sehen […] wie Gott sich gegen sie wendet."2

Paul Crouch höchstpersönlich erklärte 1997: "Wenn Sie durch TBN geheilt, gesegnet oder gerettet wurden und nicht für [TBN] gespendet haben, bestehlen Sie Gott und werden Ihre Belohnung im Himmel verlieren."3 Im Notfall, so Crouch, müsse man eben auch Geld – beispielsweise Schecks über 1.000 US$ – einschicken, selbst wenn man es sich nicht leisten könne.4 Gott selber würde im Gegenzug "Millionen und Milliarden von Dollars" für gute (also spendenwillige) Christen lockermachen.

Wohlstand durch Gottes Gnaden?

Damit haben das "Trinity Broadcasting Network" und seine Gründer es weit gebracht. So bietet TBN inzwischen sechs Programme an, die weltweit über 53 Satelliten und mehr als 12.000 TV-Stationen auf allen Kontinenten verbreitet werden. Dadurch kann TBN mehr als 100 Millionen Haushalte in 75 Ländern erreichen und ist, nach eigenen Angaben, zwischen ABC und NBC das siebtgrößte Medienunternehmen der Vereinigten Staaten und der weltweit größte christliche TV-Sender.

Auch eine Wohltätigkeitsorganisation für Kinder gehört zum Medienimperium TBN, ebenso ein christlicher Freizeitpark namens "Holy Land Experience". Dort können sich Familien neckischen Vergnügungen hingeben, wie etwa einer nachgestellten Kreuzigung Jesu’ beizuwohnen. Der virtuelle (wie auch der reale) TBN-Shop laden Anhänger dazu ein, sich im gottgefälligen Kaufrausch mit Kleidung (inklusive TBN-Logo), Kaffeetassen, Filmen und Kinderspielzeug bis hin zum "Coming King Medaillon" (nur 19,99 US$) auszustatten.

Dementsprechend gestaltet sich die Bilanz von TBN. Laut der "Los Angeles Times" beträgt der Jahresumsatz von TBN etwa 170 Millionen und der jährliche Gewinn etwa 60 Millionen US$. Sehr interessante Zahlen vor dem Hintergrund, dass TBN offiziell als gemeinnützige Organisation fungiert – die sich allerdings beharrlich weigert, detaillierte finanzielle Informationen herauszugeben.

Diese Verschwiegenheit hat einige christliche Organisationen dazu bewogen, die Öffentlichkeit auf die fragwürdigen Praktiken von TBN hinzuweisen; auch der US-Senat untersucht inzwischen Vorwürfe, die sich allerdings nicht gegen TBN selbst, sondern gegen einige der dort auftretenden Wohlstands-Prediger richten.

Auch Paul und Jan Crouch werden für ihre aufopferungsvolle Arbeit als "Finanzverwalter des Herrn" mit einem, ihrer Meinung nach, angemessenen Salär entlohnt – etwa 800.000 US$ jährlich. Desweiteren nennen sie zwei Strandvillen im Werte von einigen Millionen US$ ihr eigen, dazu kommen ein Ruhesitz in den Bergen bei Lake Arrowhead und eine Ranch in Texas. Ein 19-sitziges Privatflugzeug im Wert von mehr als 7 Millionen US$ steht bereit, falls einmal keine Zeit ist, um in der Luxus-Karosse in das mit Walnussholz und Samt verkleidete Büro zu eilen. Alle anfallenden Kosten werden auf Kreditkarten von TBN verbucht – man sieht, dass sich "seelsorgerische" Arbeit auch lohnen kann.5

Auf kritische Nachfragen hingegen reagieren die Crouchs ausgesprochen allergisch. Im Jahr 1991 rastete Paul Crouch während einer Sendung gegenüber einem Kritiker aus und schrie: "Zur Hölle mit Dir! Gehe aus meinem Leben! Gehe aus dem Weg! Ich sage, geh aus Gottes Weg! Höre auf, Gottes Wege zu blockieren oder Gott wird dich erschießen – wenn ich es nicht mache."6

TBN als politische Plattform

Wie auch Chris Hedges hinweist, schwingt in der religiösen Botschaft von TBN, beziehungsweise von den dort auftretenden Predigern, eine subtile politische Aussage mit. Eine Lehre, in der Glaube alles bestimmt, macht "fiskalische und soziale Verantwortung" überflüssig. Auch soziale Dienste oder Regulierungsbehörden sind dann unnötig, eine Botschaft, die – so Hedges – mit dem neoliberalen Mantra vom Rückzug des Staates übereinstimmt.7 Mehr noch: es wird ein sozialdarwinistisch geprägtes Weltbild betont, in dem Erfolg auf Vorherbestimmung und der Gnade Gottes beruht, Armut und Gebrechen hingegen als Strafe und Ergebnis mangelnden religiösen Engagements erscheinen.

Auch Wahlkämpfe und außenpolitische Aspekte werden auf TBN thematisiert, zum Beispiel in Hal Lindseys "International Intelligence Briefing". Dort stellte Lindsey nicht nur fest, dass die Demokratische Partei "unseren moslemischen Feinden" helfen würde, sondern behauptete auch, dass einige der "schlimmsten Feinde" der Vereinigten Staaten "in unserer [der amerikanischen, Anm.d.A.] Bevölkerung" zu finden seien – gemeint waren "liberale" Amerikaner.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch eine Aussage Lindseys, in der er Barack Obama als "den Antichristen" zu bezeichnen scheint. Nachdem Lindseys Sendung bei TBN 2006 unter starkem öffentlichen Druck abgesetzt wurde, ist er seit 2007 mit dem "Hal Lindsey Report" wieder bei TBN an Bord.

Ein weiterer Gast bei TBN ist Reverend Timothy LaHaye, Autor der erfolgreichen, apokalyptischen Buch- und TV-Reihe "Left Behind". LaHaye, dem Kritiker vorwerfen durch seine fragwürdigen Äußerungen über Juden antisemitische Klischees zu bedienen, sinnierte bei TBN darüber, ob die USA in einem biblischen Konflikt zwischen "russisch geführten arabischen Truppen" und Israel Partei ergreifen würden. Sein Fazit: die [amerikanischen, Anm.d.A.] Liberalen seien sehr sozialistisch gesinnt und wären demzufolge mehr daran interessiert, eine Weltregierung [sic!] zu errichten, anstatt die Sicherheit Amerikas zu gewährleisten.

Auch John Hagee, ein anderer einflussreicher evangelikaler Prediger, hat seine eigene Sendung bei TBN. Hagee ist auch der Begründer der Lobby-Organisation "Christians United For Israel" (CUFI), die eine militaristische und aggressive Politik Israels fordert und unterstützt. Gleichzeitig ist Hagee in Misskredit geraten, da sich herausstellte, dass er Adolf Hilter in einer seiner Predigten als "gottgesandten Jäger" bezeichnete, der "Gottes Willen" ausführte, indem er die Gründung eines Judenstaates im Nahen Osten mittels der Shoa erzwang. Aus diesem Grund – der Ausführung dessen, was Hagee als "Wille Gottes" deklarierte – forderte er auch bei TBN wiederholt einen militärischen Präventivschlag Israels und der USA gegen den Iran.

Ebenfalls zu nennen wäre Rod Parsley, Pastor der "World Harvest Church" in Columbus, Ohio. Parsley, der ebenfalls eine eigene Sendung bei TBN produzieren und ausstrahlen lässt, beschrieb in seinem Buch "Silent No More" eine angebliche "Täuschung Allahs", die nicht verbergen könne, dass ein "Krieg zwischen dem Islam und der christlichen Zivilisation" toben würde.

Weiterhin schreibt er unter anderem: "Tatsache ist, dass Amerika teilweise mit der Absicht gegründet wurde, diese falsche Religion [gemeint ist der Islam, Anm.d.A.] zu zerstören. […] Was manche als "Extremisten” bezeichnen, sind stattdessen normale Gläubige, die von der Quelle direkt im Herzen des Islam trinken". Diese geistige Brandstiftung, die natürlich vom Aufruf zu einem nicht näher definierten Kreuzzug gefolgt wurde, hält TBN aber nicht davon ab, Reverend Parsley einen Platz im TV-Programm einzuräumen.

Gottes Streiter auf Mission

Aber es geht noch "besser". Ein Bestandteil des Programms von TBN ist "christliches" Reality-TV. So folgt zum Beispiel die Serie "Travel The Road" den beiden Extrem-Missionaren Will Decker und Tim Scott, die – Insekten essend und wilden Tieren gegenüber stehend – die Welt umrunden, um dabei das Evangelium zu verkünden. Dabei durften natürlich auch Kriegsgebiete nicht ausgelassen werden.

So wurden mehrere Episoden von "Travel The Road" in Afghanistan gedreht und die beiden Männer, ähnlich wie "embedded journalists", einer Einheit von US-Soldaten zugeteilt. Die beiden TV-Missionare, deren Aufgabe die Bekehrung möglichst vieler Menschen zum Christentum ist, übernachteten in der Folge auf US-Basen, begleiteten US-Soldaten auf Patrouillen und verteilten Bibeln in der Landessprache. Dabei wurden sie sehr wohlwollend von Militärkaplanen der US-Army unterstützt.

Dass all dies, außer gegen eine ganze Reihe von militärischen Richtlinien, auch gegen eine Anordnung des US Central Command verstößt, die jegliche Art von Bekehrungsversuchen durch oder mit der Hilfe von Militärangehörigen explizit untersagt, spielte anscheinend weder für das Pentagon, noch für TBN eine Rolle. Nur: Aufnahmen von Missionaren, die im Schutz und mit Unterstützung des US-Militärs versuchen, das Christentum in einem moslemischen Land zu verbreiten, sind für militante Islamisten das Propaganda-Instrument schlechthin.

Im Golfkrieg von 1990/91 hatte General Schwarzkopf, der Oberkommandierende der Koalitionstruppen, seinen Unmut über die Versuche diverser religiöser Gruppen kundgetan, den Aufmarsch von mehr als einer halben Million Amerikanern zur Missionierung von Moslems zu nutzen. Aus Schwarzkopfs Sicht war dies eine Gefährdung des Lebens seiner Soldaten, weil es die Propaganda der Iraker (dass US-Truppen die Heiligen Stätten des Islam schänden würden, etc.), und damit das Feindbild der "Neo-Kreuzzügler" in den Augen vieler Einheimischer bestätigen würde.8

Ein Jahrzehnt später hingegen liefert man derartige Steilvorlagen für militante Islamisten frei Haus und – dank TBN – auch auf die TV-Schirme in islamischen Ländern.