Ökobilanz der Abwrackprämie ist negativ

Die Energie- und Klimawochenschau. Führt Technikmodernisierung allein zu mehr Umwelt- und Klimaschutz? Die Abwrackprämie setzt bei den Käufern an. Die neue Emissionshandelsrunde setzt bei den Produzenten an

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Unter dem Namen "Umweltprämie" hat das Bundeskabinett die Abwrackprämie in Höhe von 2.500 Euro eingeführt, für alle Fahrzeugbesitzer, die beim Neukauf ihr bisheriges, mindestens neun Jahre altes, Auto zerstören lassen. Umweltprämie klingt nach Umweltschutz, wie sieht es damit aus? Der Fördertopf soll für die Verschrottung von 600.000 PKWs reichen. Letzte Woche war bereits ein Drittel der Fördergelder vergeben. Die Devise beim Autokauf lautet also zur Zeit: Mitnehmen! Ist denn ansonsten eine positive Umweltwirkung zu erwarten?

In Deutschland sind rund 41,2 Millionen PKWs angemeldet. Damit kommt auf zwei Menschen im Land ein PKW (überdies gibt es noch 2.323.064 LKWs und 3.566.122 Motorräder). Wird der Fördertopf ausgeschöpft, könnten durch die Aktion knapp 1,5 % des PKW-Bestands erneuert werden.

Griffen alle Kaufinteressenten beim Neukauf ausschließlich zu Kleinwagen, wie beispielsweise dem Fiat Panda (der zur Zeit, nach Angaben des Spiegel, mit den größten Rabatten lockt) und im Mittel 5,7 Liter/100km verbraucht, ergäbe sich gegenüber dem durchschnittlichen Verbrauch von Benzinern der momentan bei 8,8 Liter/100 km liegt, eine maximale Spritersparnis von 35 % für diese 1,5 % Neu-PKWs. Legt man dieses Potential sowohl für Benziner wie auch Dieselfahrzeuge zugrunde, könnten in der Summe theoretisch also maximal 0.53 % des bundesdeutschen PKW-Spritverbrauchs und der durch PKWs verursachten CO2-Emissionen vermieden werden. In der Praxis werden aber nicht nur Kleinwagen gekauft, die mit der „Umweltprämie“ verbundenen Vermeidungseffekte an Treibstoffverbrauch und CO2-Emission durften also geringer ausfallen.

Die Statistik der Wirtschaftsgesellschaft des Kraftfahrzeuggewerbes zeigt, dass PKWs nach den in den Bedingungen der "Umweltprämie„ geforderten neun Jahren durchschnittlich erst knapp 60 % ihrer durchschnittlichen Lebens- bzw. Nutzungsdauer erreicht haben. Zur Zeit sind rund 42 % der PKWs neun Jahre alt oder älter. Bild: Brake

Konsum statt Lebensdauer

Den Modernisierungseffekten stehen außerdem die erheblichen Energie- und Rohstoffmengen für die Herstellung der Neuwagen gegenüber. Nach der Statistik des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes sind PKWs mit neun Jahren erst im besten Alter und normalerweise keineswegs verschrottungsreif zur Zeit sind 42,5 % aller PKWs neun Jahre alt oder älter. Bei der Emission von Treibhausgasen tragen Herstellung und Verschrottung des Fahrzeugs (bei einer angenommenen Recyclingquote von 75 %) bei Annahme einer Kilometerleistung von 150.000 Kilometern rund 30 % der Umweltwirkungen bei, die während der "Lebensspanne" eines Fahrzeugs, inklusive Kraftstoffbereitstellung, entstehen.

Werden Autos nun nach neun Jahren oder umgerechnet nach durchschnittlich nur 57,5 % ihrer eigentlichen Lebensdauer verschrottet, bedeutet das für diese Fahrzeuge, dass bei ihnen rechnerisch 50 % der Umweltwirkungen außerhalb der eigentlichen Nutzungszeit anfallen. Diese 50 % stehen einer maximal möglichen 35 %igen Kraftstoff- und Emissionsminderung durch Modernisierung eines Teils der PKW-Flotte gegenüber, aber dies auch nur unter der Prämisse, dass nur Kleinwagen gekauft würden: Das bedeutet: Die Wirkung der Umweltprämie ist negativ.

Hinzu kommen noch weitere negative Effekte durch den großen Ressourceneinsatz bei der Autoproduktion. Neben der eigentlichen Rohstoffgewinnung und Verarbeitung für die PKW-Produktion werden nach Angaben des World Wide Fund For Nature (WWF) zur Herstellung eines PKW auch noch durchschnittlich 450.000 Liter Wasser benötigt. In der Summe entstehen 30% der negativen Umwelteffekte außerhalb der eigentlichen Nutzungszeit eines Autos – wenn seine Lebensdauer voll ausgeschöpft und nicht künstlich verkürzt wird.

Ein PKW verursacht nicht nur im Betrieb CO2-Emissionen, Energie- und Ressorcenverbrauch. Über die gesamte Lebensdauer betrachtet fallen etwa 30 % der gesamten negativen Umweltwirkung eines PKW bei Herstellung und Abfallverarbeitung an. Bei PKWs die aufgrund der Abwrackprämie schon nach neun Jahren verschrottet werden beträgt der Anteil negativen Umweltwirkungen außerhalb der eigentlichen Nutzungsspanne sogar 50 % - die Bilanz der Abwrackprämie, mit ihren kaum 35 % Vermeidungspotential durch Modernisierung ist damit unter dem Gesichtspunkt ökologischer Produktbilanz negativ. Daten: miprox.de

Im Fall der Abwrackprämie ist die Verkürzung der Nutzungsdauer zugunsten sparsamerer Technik umweltpolitisch kontraproduktiv. Überhaupt liegen nur für sehr wenige Produkte Ökobilanzen über deren gesamte Lebensdauer vor, die eine solche Bewertung möglich machten. Das Thema erlebte in den 90ern eine kurze Blüte, Stichwort „Faktor Vier“, und wurde dann durch andere Bewertungsansätze ersetzt. Der erfolgreichste, weil griffig verkürzt verkürzte Maßstab ist die „CO2-Emission“. Deshalb sind bis heute keine eindeutigen Empfehlungen möglich, ab wann es ökologisch vorteilhafter ist, einen älteren Pkw weiterzufahren oder sich für einen sparsameren Neuwagen zu entscheiden.

Stehen bei der Entscheidung der gesamte Ressourcenverbrauch und die Stoffstromanalyse im Vordergrund sollte ein so aufwendiges Produkt wie ein Auto so lange wie möglich genutzt werden, da die Herstellung allein außerordentlich rohstoff- und energieintensiv ist. Sind gesundheitliche Aspekte das vorrangige Entscheidungskriterium und lokal betrachtet, etwa aus Sicht der Bewohner von Ballungsräumen, ist die Stilllegung oder Modernisierung, etwa alter Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter, sofort angesagt.

Tauschwirtschaft statt Börsensaal

Letzte Woche startete der Emissionshandel hierzulande. Er soll seinerseits ein Umweltschutz-Instrument sein, das bei den Herstellern ansetzt und Anlagenmodernisierung fördert, indem das verursachte CO2 kostenpflichtig wird. Wer also seine Anlagen und Produktionsprozesse modernisiert und so weniger Schadstoffe freisetzt, muss weniger Verschmutzungsrechte erwerben und kann überschüssige verkaufen.

Nachdem in der letzten Woche bekanntgegeben wurde, dass der Emissionshandel starten kann und alle Zertifikate für 2009 an die verpflichtend teilnehmenden Industriebetriebe verteilt worden waren, trafen sich die Umweltminister der europäischen Union in Brüssel, um über eine europäische Haltung beim bevorstehenden Klimaschutzgipfel der Vereinten Nationen im Dezember in Dänemark zu beraten. Dabei wird es darum gehen, ein Nachfolgeabkommen für das auslaufende Kyotoabkommen auszuhandeln.

Entwicklungszusammenarbeit in „Clean Developement“ Projekten floriert, vor allem in Asien. Der Grund: Rechnerisch können sich Industriebetriebe, die am Emissionshandel teilnehmen müssen, die nominelle Emissionsreduktion auf ihr eigenes CO2-Konto anrechnen lassen. Technische Zusammenarbeit läuft so zunehmend unter der Flagge des Klimaschutzes. Grafik: Brake

Ziel soll es sein, eine weltweite Strategie zur Reduzierung der Treibhausgase zu beschließen, an der sich nun auch die USA und die großen Schwellenländer beteiligen. Die EU-Kommission legte einen Vorschlag vor, den die Mitgliedsstaaten jedoch nicht ohne Änderungen akzeptieren. Umstritten sind vor allem zwei Punkte: Wie viel Geld soll man den Entwicklungsländern dafür versprechen, dass sie ihren Ausstoß an Treibhausgas begrenzen? Und welche Maßstabe werden dabei angelegt. Also die Frage, wie man die Menge der Emissionen überhaupt praktisch kontrollieren kann: Wie sollen die Mengen erfasst werden? Welcher Maßstab soll gelten: Reduktion je Einwohner oder Reduktion nach dem Sozialprodukt?

Die Erwartungen sind hoch. Umweltkommissar Stavros Dimas forderte. Die Industriestaaten sollten ihre Emissionen um 30% mindern und alle Länder, außer den allerärmsten, sollten sich zu einer emissionsarmen Entwicklungsstrategie verpflichten. Auch die Entwicklungsländer müssten ihre Treibhausgas-Emissionen um 15-30% reduzieren. Im Gegenzug sollten sie finanziell und technisch unterstützt werden. Der Ansatz könnte lauten: Entwicklungshilfe gegen Umweltschutz.

Die EU wird aber ohne finanzielle Zusagen in die Klimaverhandlungen einsteigen. Dimas geht davon aus, dass das neue Klimaschutzabkommen voraussichtlich 23 -54 Milliarden Euro für Maßnahmen gegen die unabwendbaren Folgen des Klimawandels und für die Einführung kohlenstoffarmer Technologie kosten wird. Die Industriestaaten sollen die Kosten aus den Einnahmen finanzieren, die sie aus dem Emissionshandel ziehen.

Im Moment wird noch der größte Teil der Emissionsrechte an die Verursacher verschenkt. Mit Inkrafttreten des Kyoto-Nachfolgeabkommens ab 2013 sollen die Produzenten diese Zertifikate vollständig kaufen müssen. Ob das so funktioniert, wird sich zeigen. Denn in ihren Prognosen geht die Kommission noch von 30 Euro pro Tonne CO2 und entsprechend hohen Einnahmen für die Staaten aus dem Emissionshandel aus – zur Zeit liegt der Preis an der Emissionshandelsbörse EEX in Leipzig jedoch nur bei 10 Euro.

Realisierte „Clean Developement Mechanism“-Beispiele (von links oben nach rechts unten): Solarthemie Dachanlagen in Khayelitsha (Cape Town, Südafrika). Windkraftanlage in Guohua, Innere Mongolei. Biomüllkraftwerk in Rangpur, Rajasthan, Indien. Nutzung einer Bagasse-Halde (Faserreste bei Zuckerrohrverarbeitung) zur Elektrizitätserzeugung, Brasilien. Bilder: United Nations Framework Convention on Climate Change. Zusammenstellung: Brake

Die Finanzierbarkeit der EU-Klimapläne ist so keineswegs gesichert. Und ob die EU-Mitgliedstaaten weiter angehobenen Reduktionszielen zustimmen, ist nicht realistisch, wo sie doch schon die bisherigen Ziele bis 2020 nicht erreichen werden. Dennoch zeigen auch das bisherige Kyoto-Protokoll und sein Lenkungsinstrument, der Emissionshandel, Wirkung, sie fördern den Einsatz neuer Technik zur Nutzung regenerativer Energiequellen. Denn die beiden im Kyoto-Protokoll eingebauten Kompensationsmechanismen "Clean Development Mechanism" (Entwicklungszusammenarbeit mit "Entwicklungsländern") und "Joint Implementation" (Zusammenarbeit mit "Schwellenländern") belohnen technische Zusammenarbeit durch die Anrechnung in Form nationaler Verschmutzungsrechte. Entsprechende Projekte boomen. Selbst wenn es mit dem Emissionshandel an der Börse nicht so recht klappen sollte, wirksam ist er bereits - über seine Kompensationsmechanismen.