Websperren: Uschi, mach kein Quatsch

Ursula von der Leyen verfolgt weiterhin die Idee der Websperren gegen Kinderpornographie. Die Idee ist so verführerisch wie gefährlich, denn längst warten schon die nächsten Sperrungsgelüste an der Startlinie

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"Wie der Ursulatag anfängt, so soll der Winter beschaffen sein." heißt eine Bauernregel, die sich auf den 21. Oktober bezieht. An diesem Tag wird der Namenstag der Ursula von Köln gefeiert. Doch momentan ist es keine Heilige, die sich auf ihrem Kreuzzug gegen die Kinderpornographie befindet; und falls "ihr Tag" kommt, so könnte der für die Internetgemeinde zum Beginn eines langen "winter of discontent" werden.

Das dicke Fell der kleinen Bärin

Die kleine Bärin mit den sieben Kindern zeigt beim Thema Websperren ein so dickes Fell, dass sowohl technische wie auch verfassungsrechtliche Probleme in diesem nicht einmal wie eine Laus im Pelz wahrgenommen werden. Stattdessen versinken sie förmlich in der dicken Schutzschicht einer bis dato beratungsresistenten Familienministerin, die Gutachten, die sich mit der Problematik von Websperrungen beschäftigen, als qualitativ unterirdisch bezeichnet. "Absoluter Nonsens", so die technisch leyenhafte Ursula, sei die Vermutung, die Websperren könnten sich auch auf unbedenkliche Seiten beziehen oder ausgeweitet werden.

Die mädchenhafte Familienministerin, die mit Naivität wie auch Leidenschaft an ihre Familienvergrößerungsstrategie heranging, zeigt diese beiden herausragenden Eigenschaften auch bei ihrem Kampf gegen die Kinderpornographie. "Diesen Kampf werde ich erbittert führen", stellt die Mischung aus dauerlächelnder Barbie und Übermutter immer wieder klar und zeigt dabei die Beharrlichkeit und Kompetenz des Bulldozers in Per Anhalter durch die Galaxis. So wie dieser nicht wahrnimmt, dass vor ihm ein Mann im Bademantel liegt, so ist auch die kämpfende Bärin anscheinend so besorgt um (ihre) Jungen (und Mädchen), dass sie ihren Weg verfolgt, ohne nur einmal auf einem Bänkchen auszuruhen und zu beobachten, wer denn auf ihrem Pilgergang gen Websperren mit von der Partie ist. Denn längst wird ihr Vorstoß von jenen beobachtet und unterstützt, die ihrerseits bereits die Sperrungsbegehren in sich tragen.

Der Wirtschaftsverband eco monierte denn auch, dass die freiwillige Selbstverpflichtung sich nicht nur auf Kinderpornographie beziehe.

In den abschließenden Verhandlungen mit dem Familienministerium in großer Runde ist laut Ansicht von eco-Vertretern ferner klar geworden, dass es den bislang beteiligten Ressorts einschließlich des Wirtschafts- und Innenministeriums nicht nur um die von Experten als wirkungslos erachteten Sperrungen im Bereich Kinderpornographie gehe. Von einer entsprechenden Beschränkung sei nicht mehr die Rede gewesen.

Keine Spitzfindigkeiten bitte

Doch Uschi Zensurwunsch erhält bei ihrem Kreuzzug tatkräftige Unterstützung vom rollenden Einsatzkommando gegen die Grundrechte. Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble nutzt seine typische Rhetorik, um die Kritiker von Webseitensperrungen in die Ecke derjenigen zu schubsen, die Kinderpornographie nicht so schlimm finden. Bei einem solchen Thema solle man sich nicht mit juristischen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern solle vermeiden, dass der Eindruck erweckt wird, die Verfassung schütze Kinderpornographie. Somit geht es also schlichtweg, wie Dr. Schäuble offen zugibt, um die Außenwirkung, sprich: um Symbolpolitik.

Doch diese Symbolpolitik kann schnell dazu führen, dass aus den unendlichen Weiten des Internet ein kleiner Dorfanger samt Umzäunung wird, wenn die bereits in den Startlöchern stehenden Lobbygruppierungen erst einmal durch das Einfallstor der Websperrungen gegen Kinderpornographie stürmen. Die Idee der blonden Bärin ist quasi der neue Bundestrojaner, in dessem Bauch sich nicht griechische Truppen, sondern ein buntes Völkchen befindet, welches nur darauf wartet, endlich das Troja Internet einnehmen zu können. Hart aber gerecht werden dann nicht nur kinderpornographische Seiten, sondern Seiten mit Bombenbauanleitungen, Glücksspielangeboten und vieles mehr den Sperrgelüsten jener anheim fallen, die sich dem Kreuzzug der leidenden Ursula angeschlossen haben.

Die Nächste bitte...

Derweil rutschen auch viele Kritiker auf der Honigspur aus, die die kleine Bärin wie Winnie Pooh nach dem erfolgreichen Raubzug bei den Bienen hinterlässt, kleben fest glaubend an den Beteuerungen, es ginge nur um Kinderpornographie, und sehen nicht einmal, wie sich hinter der dickbefellten Familienministerin bereits der nächste Reformator des Internet in Szene setzt. Die Bundesbildungsministerin, Annette Schavan, gründelt bereits fleißig mit, wenn es darum geht, dem Internet den Boden zu entziehen. Fleißig werden die in den See der Gelegenheiten geworfenen Amoklaufbröckchen aufgepickt und zusammen mit Frau von der Leyens Kinderpornographiehonig zu einer klebrigen Masse verwoben, die sich über die Informations-, Meinungs- und Kommunikationsfreiheit legen soll.

Wer glaubt, hier ginge es nur um eine tatsächliche Bekämpfung von Kinderpornographie, der wird sicher gerne mit einem chinesischen Politiker plauschen, der auch den Begriff Zensur hinsichtlich der chinesischen Informationspolitik vehement ablehnen dürfte. So, wie es dort um die nationalen Interessen geht, geht es dann hier in der EU eben um Kinderpornographiebekämpfung. So, wie auch in China und anderen Staaten, in denen das Internet mehr und mehr den Zensurwünschen verschiedenster Interessengruppen zum Fraß vorgeworfen wird, werden auch in Deutschland und der EU Politiker wie Uschi Zensurwunsch, so ihnen nicht letztendlich z.B. durch Karlsruhetouristen Einhalt geboten wird, für ein eindimensionales Deutschlandnetz (oder EU-Netz) sorgen. Der Internetnutzer wird vom krähenden freien Hahn zum mit genehmen Inhalten gemästeten, kastrierten Kapaun.