Harry Potter - verdammt zum Milliarden-Erfolg

Schützt die Kinder, die Kunst und die Eulen oder: Wie ein Buchhit einem Film Fesseln anlegt

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Warner Bros. startet mit Chris ColumbusŽ Verfilmung des ersten Harry Potter-Romans seine mit der Autorin Joanne K. Rowling akribisch abgestimmte Fantasy-Marketing-Attacke auf große und kleine Kids, ein Vorstoß in eine Umsatzdimension von 1.5 Milliarden Dollar.

Warner Bros lässt von seinen PR-Leuten den Zugang zu Pressevorführungen oder zu Presse-Videos- und -DVDs wie von Fluffy, der dreiköpfigen Monsterdogge über der Falltür von Schloss Hogwarts, bewachen. Wer sich nur telefonisch identifiziert, einen Adressenwechsel und unregelmäßigen Postzugang vermeldet, kann kaum mit einer hilfreichen Eule rechnen. Ohne den Zauberbrief, das offizielle Warner-Dokument hat man sein Recht auf Eintritt beinah schon verwirkt: 50 Punkte Abzug für Slytherin, das Haus der kritischen Medienberichterstattung.

Auf Information kommt es derzeit sowieso nicht an. Es geht darum, das Gerede vom Medientaumel weiter zu verbreiten. Endlich wieder ein gelungenes dickes Medienpaket: Zum weltweit erfolgreichen Buch treten nun der ebenso global erfolgreiche Film und alle anderen von Warner lizensierten Merchandizing-Produkte hinzu, von der kleinen Hexenfigur bis zum Nimbus 2000, dem besten Flugbesen der Welt, der ebenso geschäftsfördernd im Roman im Eulen-Paketversand eintrifft. Aber man beachte die Hauptsache, die ungewohnte Reihenfolge: Der Film zum Buch!

Endlich: Der Film zum Buch!

Vortags ein Anruf beim Carlsen-Verlag. Dort ist man ungleich freundlicher als bei Warner. Die Pressesprecherin hat allen Grund, nicht so nervös und überlastet aufzutreten wie die Mitarbeiter des Medienriesen, der schon seit Sommer Probleme mit der Parallelvermarktung von bedeutsamen Filmen (wie "A.I." in N.Y.) hatte, weil er den Großstart von 1.000 Harry-Potter-Kopien (normal 300 bis 400) vorbereiten musste. Die 150 Millionen Dollar Produktionskosten müssen erst einmal wieder erwirtschaftet werden: Nun haben bereits Coca-Cola mit 150 Mio. und Mattel mit 50 Mio. Dollar Lizenzen gezahlt. Lego und Hasbro sind mit im Boot, aber schweigen sich aus wie Professor Snape. Der Wirtschaftskreislauf der Buchvermarktung verbleibt im öffentlichen Licht weißer Magie. Mit bisher vier gewinnträchtigen Hit-Romanen, denen bald der fünfte folgt, führt sich Carlsen wie der gutgelaunte Chefmagier Albus Dumbledore auf, dezent im Hintergrund, während Warner wie der tollpatschig-infantile Riese Hagrid den ersten wuchtigen Schritt nach vorn vollzieht, in die mutig angekündigte 1,5 Milliarden-Umsatz-Dimension aus Kino- und Marketing-Einnahmen (zu je ein Drittel und zwei Drittel).

Nach Carlsen sind bis dato immerhin weltweit 123 Mio. Buchexemplare in 47 Sprachen und 200 Ländern verkauft worden. Der Umsatz von 12,3 Mio. DM in Deutschland betrage rund 10 Prozent der Gesamteinnahmen.. Die früher geheimgehaltene siebenstellige Summe für das O.K. bei den Filmrechten beläuft sich mittlerweile offiziell auf 2,8 Mio., und bei erfolgreichem Marketing habe sie mit weiteren 500 Mio. Dollar zu rechnen. Wenn das keine schwarze Magie ist.

Den Hickhack um die Bildwelten auf den nationalen Buchdeckeln und das kommende Einheitsstyling, kontrolliert von Warner, behandelt der deutsche Verlag mittlerweile gelassen. Die sogenannten Jugendausgaben werden weiterhin die grellen karikaturistischen Grafiken Sabine Wilharms schmücken. Dazu stößt eine neue Edition in den Buchläden: die mit unverbindlichen Naturfotos ausgestattete Erwachsenen-Reihe, die dezent neben Dickens, Goethe und Proust platzierbar ist. Zum Stand des gewaltigen Medien-Rechte-Deals zwischen Rowling und Warner äußert die Hamburger Verlags-Sprecherin ganz offiziell:

Alle deutschen Rechte an den übersetzten Büchern liegen bei Carlsen.

Nicht zu interessieren scheint sie, dass neben den Copyrights von Rowling und Bloomsbury in der aktuellen Jugendausgabe auch der Passus steht:

Harry Potter, names, characters and related indica are copyright and trademark Warner Bros 2000.

Das ist so etwas wie die Blitz-Narbe auf Harry's Stirn, die ja immer nur dann pocht, wenn sich das Böse, der Abgrund des Misserfolgs meldet. Aber der Carlsen Verlag hat die gutgehütete Warner-Verkaufs-Politik mit einer fröhlichen Aufforderung überkreuzt: Carlsen.de ermuntert alle deutschsprachigen Schüler, die Eingänge ihrer Lehranstalt als Schloss Hogwarts zu dekorieren. Alle werben jetzt kreuz und quer, so wie die fliegenden Schlüssel, von denen nur einer ins weiterführende Portal passt. Wem nütztŽs?

Auf den Schultern des Riesen: eine neue Medienwelt

Im großen und ganzen hält sich der Film an das Buch. Regisseur Chris Columbus und Drehbuchautor Steven Kloves haben sich gemäß Vertrag mit Joanne K. Rowling Kapitel um Kapitel "kind- und jugendgemäß" umgesetzt und nur hier und da Szenen und Situationen gerafft, vereinfacht und verdichtet. Sie dienen mit ihren filmischen Möglichkeiten dem Auftakt eines Jugend-Fantasy-Krimis der Ich-Werdung der anderen Art. Auf keinen Fall wollen sie in den bisherigen Büchern ausgetüftelte Komposition stören. Jene wackelige Balance zwischen der Welt der gewöhnlichen Muggles und dem Reich der Magier, zwischen dem Urwald mit seinen Märchengeschöpfen und dem Schloss Hogwarts, sowie das soziale Zusammenspiel der vier rivalisierenden Schüler-Häuser Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin (mit den Zeichen des Löwen, der Schlange, des Dachses und Adlers für die Tugenden des beherzten Mutes, der listenreichen Klugheit, maßvollen Ausdauer und vernünftigen Weisheit). Werkgerechte Detailtreue ist das oberste Gebot.

Wenn man nur alles richtig machen kann (wie Spielberg ironisch zum Harry-Potter-Projekt sagte), macht man leicht alles falsch. Es scheint, als leide die filmische Umsetzung des Romans gerade am ermüdenden Eins-zu-Eins, dem risikolosen, am Ende schleppenden Kotau vor der Vorlage, so wie sie kinoblinde Literaten wünschen, die sich vor eigenwilligen Autorenregisseuren fürchten. Steven Spielberg hat die Verfilmung abgesagt, angeblich wegen Differenzen mit Rowling hinsichtlich des Hauptdarstellers. Spielberg hatte den in "A.I." eingesetzen Jungstar Osment und eine modernisierte amerikanische Highschool-Stilistik vorgeschlagen. Damit wäre die Produktion der "britischen" Kontrolle Rowlings entzogen worden.

Doch Warner will eine in sich geschlossene Medien-Welt für eine Serie von maximal sieben Filmen konstruieren, wie sie Spielberg für und mit Universal in den 90ern mit zwei Teilen von Jurassic Park schuf und Lucas mit Twentieth-Century-Fox mit Star Wars bereits in den 70ern begründet und in den letzten Jahren wiederaufgenommen hat. Das Regie-Karussell dreht sich um Gilliam, Demme, Newell, Parker, Petersen, Reiner, Robbins, Silberling und Weir. Schließlich macht der von jeglichen Autorenflausen geläuterte, dabei hochflexible und biederdiplomatische Schwerarbeiter Columbus das Rennen. Das spricht für eine Mission, die keine Inspiration braucht. Spielberg sei immer noch für den dritten Teil im Gespräch, um dem Projekt den längst verpufften höheren Nimbus zu erhalten. Aber die Rolle eines Nachfolgeverfilmers in einer fix-und-fertig vorgebastelten Welt ist für den Dreamworks-Chef inakzeptabel.

Diesmal geht es gerade nicht darum, dass irgendein Film von einem wunderbaren Buch abweicht, und dabei entweder eine eigene, genuin filmische Welt schafft oder gar keine, also weit hinter der Vorlage zurückbleibt. Der massive Einfluss auf die Filmproduktion stammt nicht allein von Joanne K. Rowling, sondern vom am Milliardenumsatz orientierten Konzern. Eine halbe Milliarde Dollar sollen die Einspielergebnisse, eine ganze das Produkt-Merchandizing erbringen. Der Millionen-Erfolg der bisherigen Buchserie ist der imaginäre Garant für den globalen Medienhype. Und nun soll der Bucherfolg in vermeintlich "literarischer Eindeutigkeit" multimedial "nachbuchstabiert" werden. Doch damit wird dem ersten Film bei aller motivischen Detailgetreuheit eine magische "Ganzkörperklammer" auf den Hals gejagt und lässt ihn in der spiegelbildlichen Abbildung des Buches erstarren.

Zurück in die Zukunft

Die gute Laune des jungen Kölner Premieren-Publikums erreicht ihren Höhepunkt in der ersten Filmhälfte - dann ebbt sie spürbar ab. Man ist nicht durchweg enttäuscht, sondern ermüdet und schließlich ernüchtert. Das warŽs also. Die Leute von Warner haben sich wahrlich angestrengt, vor allem quantitativ. Aber auch qualitativ. Sie haben sich vom Zynismus und Schnick-Schnack der am Ende leerlaufenden Batman-Produktion verabschiedet und proben jetzt eine neue Sensibilität: Beim Eintritt in die Kinderseele bitte vorher anklopfen. Bis zur hingebungsvollen Frage der Presseabteilung nach der Premiere, ob es denn dem kleinen Harry in uns allen gefallen habe.

Deutlich reserviert sind die deutschen Kinder gegenüber dem Hauptakteur, trotz des Votums der Autorin für die englischen Darsteller Daniel Radcliffe, Rupert Grint und Emma Watson. Mit Nachdruck hatte Rowling betont, Radcliffe strahle jene charakteristische "Verletzbarkeit" aus und habe die seelische Spannbreite eines Vier- bis Fünfjährigen im Körper eines Elfjährigen. Das brave Gesicht, die wohlgekämmte braune (statt schwarze) Frisur und die blaue (statt hellgrüne) Augenfarbe, ja die ganze Mimik wollen freilich nicht so recht passen. So wie er jetzt wirkt, kurz vor dem Stimmbruch, der ColumbusŽ derzeitigen Anschluss-Dreh des zweiten Teils beschleunigt, ähnelt er einem neuaufgelegten Michael J. Fox. Vor allem fehlt der smarte Struwwel-Look der immer wieder borstig nachwachsenden Pippi-Langstrumpf-Haare und die gewitzte Miene. Das Naturtalent Harry ist zu einer höheren Hermine, zu einem angepaßten Streber mutiert. In New York will er gleich allen Trost spenden. Vor allem dem Konzern. Aber der Schmerz der Fans auf der Insel sitzt tiefer: Was sollten die 40.000 Bewerbungen um die Potter-Rolle und die 16.000 Castings von Kindern und Jugendlichen, wenn dann am Ende doch der Darsteller des David Copperfield aus einer jüngeren BBC-Serie das Rennen machte? Wiederum nur ein grausamer Marketingtrick, wie bei "Vom Winde verweht II".

Kritik wollen die WDR-Leute, die nach dem Film mit Mikro und Kamera an die jungen Konsumenten herantreten, nicht hören: Ein kurzes Statement, oft von den Älteren vorpräpariert, und schon hat es sich, nach dem Muster: "Na, hatŽs dir gefallen?" "Ja, aber..." "Das genügt." Der Sender hat den vermeintlichen Jubel schnell im Kasten. Auch der öffentlich-rechtliche Kinderkanal KIKA ist nicht zimperlich. Die jugendlichen Vertreter des deutschen Harry-Potter-Fan-Clubs, selbst mit Zauberbüchern im Marketing-Anmarsch, wagen es, dem Jugend-Moderator die Begeisterung auf den kommenden Film abzubremsen. So geht's nicht. Nach der Kritik an Harrys Look muss denn auch der Ankunftstrick auf "Gleis 9 3/4" und die kriegerische Zauberschachpartie im Schlosskeller gelobt werden. In, wir wissenŽs, "uneingeschränkter Solidarität" aller Medien, Händler und Zwischenhändler. Alle wollen mithelfen, beim Medienaufschwung nach der "September-Depression". Warner wird jetzt schon beschwichtigt, denn der Konzern hat allein in den großen US-Sendern die TV-Rechte am ersten Film für die Summe 70 Millionen Dollar angeboten, fast das Doppelte der "Titanic"-TV-Tantiemen.

Vorsicht: Das Buch ist ein Zauberbuch

Die jungen Konsumenten reagieren recht abgeklärt auf die Angebote von allen Seiten: Jetzt gibtŽs gleichzeitig die privaten Harry-Potter-Zirkel, das Verlags-Portal und die Zauberpforten von Warner Bros. - und überall kann man Botschaften, Einladungen, Immatrikulationen, Zauberlehrgänge und Zertifikate erwerben, um das eigene Selbstwertgefühl in aller massenweise reproduzierten Einzigartigkeit zu erhöhen. Wütend verteilt Warner seine Copyright-Narben, während es eine Website nach der anderen ins Netz stellt, auch inhaltlich noch ungefüllte Seiten, mit Stichworten aus dem dritten und vierten Band, die von gängigen Illustrierten und Zeitschriften schon mal raunend vorerklärt werden. Für die junge Generation, spätestens ab 10 Jahren, egal ob Einweg- oder Mehrfach-, ob Trend- und Vorleser oder Nachzügler, zählt eindeutig das Medium Buch. Hier kennen sie sich aus, sind sie auf ihre Weise informiert und gebildet. Und der erste Film beugt sich ihrem literarischen Vor-Urteil und huldigt ihm, Station für Station. Er zaubert nicht vor, sondern nach. Und das ist die Crux für den bevorstehenden Kassenschlager.

Es gibt nur bestimmte Momente, in denen sich die Laune wieder bessert. Da gibt es den sentimentalen Riesen Hagrid, der als wohlwollender Rübezahl die menschlichsten aller Ausbrüche erleidet und Ron, Hermine und Harry immer wieder in und aus der Patsche hilft. Da ist die Adoptivfamilie Dursley, die in ihrem spießigen Alltagsleben die passende Folie der Normalität gegenüber der Zauberwelt hätte abgeben können, wenn man die Überzeichnungen der Charaktere, die autoritäre Dummheit des Vaters, die verzärtelnde Zuwendung der Mutter und die gefräßige Verzogenheit des Sohnes Dudley weiter heruntergefahren hätte. Schließlich wird der zehnjährige Harry, der wegen der Ausartungen seines noch halbbewussten Zaubertalents im Schrank unter der Treppe im Reihenhaus sein Dasein fristet, von diesem Kontext zu schnell abgehoben, verklärt und damit seiner eigenen Individualität und Psychologie beraubt. Das Butzenscheiben-Dekor der gothischen Winkelgasse, der viktorianische Flair der antisemitisch dargestellten Gringotts-Bank, der Neuschwansteinlook Hogwarts, der Plastikwald, den erst Annie Leibowitz Star-Retouschen in Vanity-Fair fotografisch veredelten, und die ewig versöhnlerisch kommentierende Musik treiben den konservativen College-Look ins Unerträgliche.

Dabei gibt es geglückte Szenen, in denen literarische Motive gesteigert werden: Aus der Briefflut an Harry Potter wird ein Wirbelsturm der Post mitten im Heim der Dursleys. Die rund ums Haus versammelten Filmeulen übermitteln Hitchcocks Grüße. Solche Einfälle quittiert das junge Publikum mit Jubel. Und magisch geht es zu, wenn die Adepten unter der blinkenden Sternendecke eintreten und die Kerzen über den Mensatischen einherschweben, wenn Gemälde lebende Figuren bergen und das Treppenhaus seine Verbindungen immer wieder neu umsteckt, als sei es eine manieristische Vorform eines modernen Netzwerks. Andere Tricks, etwa die Haus- und Poltergeister, sowie das Quidditch-Ball-Besen-Jagdspiel erreichen nicht die digitale Prägnanz des Pod-Race in LucasŽ Star Wars I. Die Besenkämpfer erscheinen auf eine grüne Waldszenerie aufkopiert, obwohl der Roman ausdrücklich von eisgrauen November-Bergen spricht. Und den Troll- und Riesendoggen-Geschöpfen sieht man das Blue-Screen und Stop-and-Go-Motion-Verfahren an. Die 300 Mio. DM Post-Production-Kosten sind nur zum Teil gut angelegt. Im Finalkampf mit dem vampiristischen Doppelwesen Quirell-Voldemort degeneriert die Tricktechnik zu billiger Effekthascherei der 80er Jahre, der Höhepunkt des ersten Buches wird verschlissen. Die Offenbarung des geschwächten Bösen erschlafft in einer runzligen Nummer.

Schützt die Kinder, die Kunst und die Eulen

Aber, welche Rolle bleibt nun, nachdem Harry Potter auf die Leinwand geworfen wurde, für seine Fans und Leser? Doch die des widerwärtig verwöhnten Muggles Dudley Dursley, der alles, selbst sein Kinderzimmer, in mehrfacher Ausgabe besitzt? Der Protest, dass mit Harry Potter die hehre Literatur und eine unschuldige Phantasie missbraucht werde, verhallt gegenüber einer Realität, in der eine clevere Autorin mit ihrem Agentenstab die Marketingstrategien selbst in ihren Werken vorweggenommen hat: Die Vergesellschaftung des Wunschreichs von Magie und Zauber in der biederen Institution eines britischen Elite-Internats ist bei Rowling ein berechnender Akt, bei dem weder die Welt der Normalos, noch der Phantasten literarisch etwas neues hinzugewinnt. So jenseitig sich Rowling auch gibt, sie schreibt doch unterhaltsame Bestätigungsliteratur. Und nicht jedes sogenannte Jugendbuch muß dies sein. Die gefällige Art der realistischen Erzählung nach den Konventionen des 19. Jahrhunderts erlaubt es, beliebig Versatzstücke aus anderen Zeiten und Welten einzumontieren und wieder verschwinden zu lassen. Immer wieder nimmt Rowling das Marketing-Konzept im Buch vorweg. Einmal in dem Zauberstabladen der Winkelgasse, in der alle eingekauft haben, die guten und die bösen Magier. Und im Zug, wenn Ron ausdrücklich für "jede Geschmacksrichtung" spricht:

In den Schokofröschen sind Bildkarten von berühmten Hexen und Zauberern zum Sammeln. Ich habe über fünfhundert, aber mir fehlen noch Agrippa und Ptolemäus.

Weihnachten wird ein verrücktes Fest: Unterm Tannenbaum wird im englischen "Harry Potter Part 5" eine Eintrittskarte für den ersten Film stecken, daneben werden zwei LEGO-Kartons liegen, einer für ein Vehikel aus Star Wars I und einer mit Schloss Hogwarts. Der einzige Marketingartikel, der derzeit Sorgen bereitet, ist die Schnee-Eule Hedwig. Und zwar nicht als Plüschtier von Mattel (für 17,19 DM), sondern so lebendig wie Ook, der durchtrainierte Tierstar der BBC. Die britischen Falknereien müssen den jungen Anrufern erklären, dass Eulen grundsätzlich Raubtiere und keine Haustiere sind. Von der E-mail bis zur geklonten Owl-mail ist es naher Zukunft nur ein kleiner Schritt.