Fakten, Fiktionen, Fakes...

The WTC Conspiracy XXVII

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Wie man durch Ansammlung bedeutungsloser Fakten die Fiktion dessen "Was wirklich geschah" konstruiert, demonstriert das Nachrichtenmagazin "Spiegel" in seiner gleichnamigen Serie. Mit minutiöser Faktenhuberei wird das Drama des WTC-Einsturzes nachgestellt und so getan, als ob eine ausufernde Beschreibung der Symptome die Ursache der "Krankheit" erklären würde. Dabei wird keine einzige der Dutzenden offenen Fragen und Widersprüche zur Ausführung und den Hintergründen des Anschlags auch nur beleuchtet.

Damit reiht sich auch das einstige deutsche Flagschiff eines "investigativ" genannten Journalismus in die Medien-Phalanx der Propagandawiederkäuer und Kriegsnebelwerfer ein - und wäre nicht der alte Rudolf Augstein noch in seinen letzten lichten Momenten glasklar, man könnte meinen, sämtliche Insassen des Spiegel-Hauses an der Brandstwiete seien nunmehr komplett verrückt geworden. Oder einer Verschwörung zum Opfer gefallen, die Prozac oder ein anderes "Take-it-Easy"-Psychopharmakon ins redaktionelle Kaffeemaschinensystem eingeschleust hat, das jeden kritischen Gedankengang schon im Kleinhirn eliminiert und in sternengesprenkelte Bannerwerbung verwandelt.

Was in der hintergrundlosen Nullserie jetzt zum seitenweisen Ausbruch kommt, deutete sich schon in der "Originalberichterstattung" in den Wochen nach dem Anschlag an - im kurzen Schluss, und jenseits aller Pressekodexe und Standesregeln, wurden Verdächtigungen und Vermutungen in den Bereich der Fakten und Tasachenbeweise gehievt. "Was zählen Fakten, wenn man hasst" - vor dem Motto, unter dem der "Spiegel" den Vater von Mohammed Atta porträtiert, sind die Redakteure, wie Uwe Galle in einer Dokumentation für das Schweizer Magazin Zeitfragen schön gezeigt hat, offenbar selbst nicht gefeit.

Unsere kleine Randbemerkung (Ein lange geplanter Krieg), dass "Spiegel-Online" bei der Übersetzung eines langen Essays der indischen Autorin Arundhati Roy ausgerechnet jene 10 Zeilen ohne Auslassungszeichen verschwinden ließ, in denen sie den Rüstungskonzern "Carlyle Group" erwähnt, der bis vor kurzem Bush sen. zu seinen Repräsentanten und die Bin Ladin-Familie zu ihren Investoren zählte, passt da ins Bild. Denn wohin würde eine Recherche dieser Zusammenhänge den Blick lenken ? Nicht nach Afghanistan, sondern nach Saudi-Arabien; nicht auf eine weltweite Phantom-Organisation wie "Al-Qaida", sondern auf diskrete Netzwerke von Öl,-, Militär,- und Geheimdienstaktivitäten; nicht auf zum Abschuss freigegebene mittelalterliche "Untermenschen" namens Taliban, sondern auf die Bonzenvariante dieses Mittelaltertums, das zutiefst undemokratische, frauenverachtende und korrupte Feudalsystem der Saudis; nicht auf irgendwelche unbedarften, gehirngewaschenen Flugschüler, sondern auf ihre perfiden und durchorganisierten Hintermänner; nicht auf katastrophengeile Nachbuchstabierung der letzten Minuten an Bord der entführten Maschinen oder in den Türmen, sondern auf die himmelschreienden Frage, warum die nur wenige Meilen vom Pentagon entfernten Abfangjäger am Boden blieben.

Mitte Oktober zitierten wir den Bericht der "Times of India", der die Gründe für den überraschenden Rücktritt des Chefs des pakistanischen Geheimnsdiensts ISI, General Mahmud Ahmad nannte: aufgrund von Telefonüberwachungen hatten der indische Geheimdienst und das FBI ermittelt, dass über einen von Mahmuds engsten Mitarbeitern im Sommer 100.000 $ an Mohammed Atta überwiesen wurden (Manus Manum Lavat - Money Money Lavamat). Verglichen mit den wilden Vermutungen und Spekulationen über die Hintermänner, die bis dato zu Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, Wahrheiten aufgedonnert worden waren, schien das ein echter Nachrichtenbrocken, eine heiße Spur zu sein. Doch abgesehen von ein paar Erwähnungen in den westlichen Medien sah sich kein investigativer Journalist, sei es beim "Spiegel" oder sonstwo, genötigt, der Sache nachzugehen. Es hätte ja, womöglich, den Blick weg von Afghanistan nach Pakistan gelenkt, nicht auf den jungen, ferngesteuerten Dorfprediger und "Staatschef" Mullah Omar, sondern auf seine Erfinder und Lenker wie General Mahmud, weg von den armen afghanischen Mohnbauern, hin auf die unter ISI-und CIA-Aufsicht operierenden Heroinlabors, weg von der gespenstischen Bedrohung durch fanatisierte Islamisten und hin zu ihren Ausbildern, Finanziers, Nutzern und Herren.

Nachdem er Jahrzehnte in Bibliotheken auf der Suche nach ungewöhnlichen Phänomenen verbracht und die vorliegenden Beweise und Zeugenberichte auf Karteikarten notiert hatte, veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller Charles Fort 1919 sein "Book of the Damned". Ein Buch all jener Nachrichten über unerklärliche Ereignisse, die aus der Wahrnehmung verdammt wurden - nicht weil sie nicht stattgefunden hätten, sondern weil ihr Stattfinden mit den herrschenden Vorstellungen über die Naturgesetze bzw. dem gesunden Menschenverstand nicht vereinbar waren. Uns interessiert der Radikal-Rationalist Fort ("Ich denke, also habe ich gefrühstückt") hier aber nicht als Enzyklopädist des Unerklärlichen - sein Erbe wird von der Fortean Times liebevoll weitergepflegt - sondern als Erforscher jener verdammten Fakten, die trotz Unterbuttern, Übergehen, Ignorieren, Wegerklären die Eigenart haben, immer wieder störend, unkrautartig, aufzutauchen.

Der CIA-Forscher und Ex-Drogen-Cop Mike Ruppert hat auf seiner Seite zum Beispiel eine ganze Reihe von solchen verdammten Beweisen über die kriminellen Machenschaften der US-Geheimdienste gelistet, die sich einfach nicht unterkriegen lassen - und jetzt auch eine Prämie von 1000 $ ausgesetzt, wenn ihm jemand auf seinem Timetable des Vorauswissens über den WTC-Anschlag (siehe dazu auch das Interview mit Andreas von Bülow) einen Fehler nachweist. Anti-Conspiracy-Konspirologen können sich also noch eine Weihnachtsprämie verdienen - und der "Spiegel" (samt ARD, ZDF, FAZ, SZ et. al.) einen Rehabilitationsversuch starten und die verdammten Fakten endlich in den Blick nehmen.

Das Phänomen der selbstverordneten, vorauseilenden Gleichschaltung der Medien, die in Deutschland seit dem 11.9. noch sehr viel extremer als zum Beispiel in Frankreich oder England auftrat, verdiente eine ausführliche Untersuchung. Der (ebenfalls verdammte) Psychoanalytiker Wilhelm Reich hat in "Massenpsychologie des Faschismus" die Formierung faschistischer Systeme als neurotische Konstellation beschrieben, die sich in der Mischung aus Freiheitssehnsucht und Angst vor der Freiheit, freiheitlichen Phrasen und autoritärem Führerprinzip äußert. "Neu am Faschismus ist", so Reich 1940, "dass die Menschenmassen praktisch ihre eigene Unterdrückung bejahten und herbeiführten. Die Autoritätsbedürftigkeit erwies sich stärker als der Wille zur Selbstständigkeit". Den bejahenden, sich selbst unterwerfenden Bushisten und Bellizisten unserer Tage scheint es ebenso zu ergehen - und den Miet-Schreiberlingen jeder Wille zum selbstständigen Gedanken wie weggeblasen. Freiheitliche Phrasen hingegen sprudeln nur so ...

Dass nun nach drei Monaten von der CIA ein Amateur-Video "gefunden" wird, auf dem sich Bin Ladin (bzw. ein ihm ähnlich sehender Mann) einem unbekannten Turbanträger gegenüber als Mitwisser des Anschlags zu erkennen gibt und dessen Gratulationen dafür entgegennimmt, ist als Zufallsfund nach einem Vierteljahr systematischer Fahndung mehr als dürftig - selbst wenn das Video, sofern es denn echt ist, als Beweis für die Mittäterschaft Ladins gelten kann. Es hinterlässt freilich nicht weniger, sondern mehr offene Fragen:

Warum lancierte der Superterrorist, der seine Statements im militärischen Drillich abzugeben pflegte, dabei seine Beteiligung bisher abstritt und den Anschlag u.a. einer jüdischen Weltverschwörung zuschob, sein beiläufiges Selbstbekenntnis auf diesem Wege - statt mit dem Markenzeichen Kalashnikov über den Al Dschasira-Sender? Oder hat er den Fund gar nicht lanciert, sondern das Band ist aus Versehen "in einem Haus in Dschalalabad" liegengeblieben, so wie Attas Tasche mit dem Testament am Flughafen, so wie der Koran und die arabischen Flugunterlagen? Aber wenn interessieren Videos in arabischer Sprache in Afghanistan, wo niemand arabisch spricht ? Wenn es als Statement zur Verteilung in der arabischen Welt gedacht war, warum dann in dieser grottenschlechten Qualität? Wenn es sich um ein nicht zur Veröffentlichung bestimmtes privates Videotagebuch von Bin Ladin handelt, wo sind dann die anderen Bänder ? Wieviele wurden von der CIA noch "gefunden"? Und: widerspricht nicht das Paradebeispiel für Bin Ladins diabolischen Zynismus - seine Aussage, dass außer den Piloten keiner der Mittäter von der Selbstmordmission wusste - der Version der bisherigen "Fundstücke", des Testaments und der genauen Handlungsanweisungen für die Gruppe?

Das neue Beweisvideo bietet dank miserabler Bildqualität, mangelhaftem Ton und dubioser Herkunft den Medien alle Voraussetzungen, weiter aus Möglichkeiten Wirklichkeiten und aus Fiktionen Fakten zu machen - doch die verdammten, unpassenden Nachrichten werden nicht aufhören zu erscheinen.