Grünalgen als Wasserstoffproduzenten

Durch genveränderte Algen ist man einen Schritt zu einer großtechnischen und umweltfreundlichen Erzeugung von Wasserstoff als Energielieferanten der Zukunft näher gekommen

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Nach einhelliger Expertenmeinung soll Wasserstoff die Energieprobleme der Zukunft lösen. Doch seine Herstellung erfordert in aller Regel noch immer elektrische Energie und verursacht damit nicht nur immense Schwierigkeiten, sondern auch horrende Kosten. Außerdem gilt es zu bedenken, dass Wasserstoff nur dann wirklich umweltfreundlich ist, wenn er tatsächlich aus regenerativen Energieträgern gewonnen wird.

Wissenschaftler der Universität Bonn sind einem erfolgversprechenden Ausweg nun erstaunlich nahe gekommen. Ihnen ist es gelungen, aus einfachen Grünalgen das Gen für die Wasserstoffproduktion zu isolieren und einen Algenstamm gentechnisch so zu verändern, dass er mehr als doppelt so viel Wasserstoff erzeugen kann wie zuvor.

Die Grünalge Chlamydomonas kann bei Beleuchtung und unter bestimmten Kulturbedingungen Wasserstoff produzieren. Foto: Dr. Thomas Happe/Uni Bonn

Dass Grünalgen einen nahezu einzigartigen Wasserstoffmetabolismus besitzen, erkannte Hans Gaffron schon Ende der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Aber erst heute wird die Tragweite seiner Entdeckung absehbar. Grünalgen spalten mit Hilfe des Enzyms Hydrogenase Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff und beziehen die dabei benötigte Energie ganz einfach aus der Photosynthese. Dieser Vorgang kann intensiviert werden, wenn man die Algen auf eine Art Schwefeldiät setzt und damit ihren Stoffwechsel reduziert, ohne die Photosynthese-Systeme zu beeinträchtigen. Die Algen sind dann nicht mehr in Lage, die entstandene Energie selbst zu verwerten und geben sie in Form von Wasserstoff, den sie eigentlich als Energiespeicher verwenden, an die Umwelt ab.

Ein Forscherteam um Dr. Thomas Happe vom Botanischen Institut der Universität Bonn hat sich diese Erkenntnisse nun zu Nutze gemacht und das Gen mit dem Bauplan der Hydrogenase aus verschiedenen Grünalgen isoliert. Zwar muss die räumliche Struktur des Enzyms noch entschlüsselt werden, weil nur dadurch die exakten Reaktionsstellen lokalisiert werden können, aber die bisherigen Fortschritte stimmen die Wissenschaftler optimistisch. "Unsere Hydrogenase ist sehr einfach aufgebaut", sagt Thomas Happe, "und das macht es natürlich leichter, ihre Wirkungsweise zu verstehen."

So konnte sein Team das isolierte Enzym bereits mit einem "Turbo" versehen, der eine häufigere Ablesung der entsprechenden Erbinformationen bewirkt und dafür sorgt, dass die gentechnisch veränderten Algen zwei- bis dreimal so viel Wasserstoff produzieren wie ihre natürlichen Verwandten. Im Rahmen eines multinationalen Projektes, das u.a. vom japanischen Energieministerium gefördert wird, wollen die Bonner nun versuchen, die Photosynthese-Systeme und die aus den Algen gewonnene Hydrogenase an künstlichen Membranen zu befestigen. Unter Sonneneinstrahlung müsste auf diese Weise eine biochemische Batterie entstehen, die in nennenswertem Umfang Wasserstoff produzieren kann.

Für Happe ist die Arbeit also noch lange nicht beendet, dass sie einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, steht für ihn allerdings außer Zweifel: "Wir müssen nun die Mutante genauer genetisch untersuchen, betrachten diesen Erfolg aber als ersten Schritt zur großtechnischen Produktion von Wasserstoff."

Wasserstoffgewinnung mit Hilfe von Algen. Agarplatte mit Algenkulturen. Foto: Frank Luerweg/Universität Bonn

Wenn sich seine Hoffnungen erfüllen, könnte das zur Lösung zentraler wirtschaftlicher und ökologischer Probleme beitragen. In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden die weltweiten Erdölreserven aller Voraussicht nach langsam zur Neige gehen. Bis dahin müssen tragfähige Alternativen gefunden werden, die auch Aspekte des Umweltschutzes hinreichend berücksichtigen. Deutschland ist da besonders gefordert, denn hierzulande sollen die Eckdaten des Kyoto-Protokolls, das bis 2012 eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 8 % im Vergleich zu 1990 vorsieht, in ganz neue Dimensionen gerückt werden. Wenn es nach dem Willen der rot-grünen Regierung geht, wird der Ausstoß des Treibhausgases im vorgesehenen Zeitraum sogar um runde 20 % reduziert. Angesichts der Tatsache, dass momentan allein durch den Straßenverkehr Jahr für Jahr etwa 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid produziert werden, stehen die Chancen, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, allerdings denkbar schlecht.

Wenn über geeignete Alternativen diskutiert wird, kommen Fachleute immer wieder auf die noch nicht ausgereifte, aber doch mittlerweile sehr intensiv erforschte Brennstoffzellen-Technologie zu sprechen. Sie könnte nämlich sowohl in der stationären als auch in der mobilen Energieerzeugung eingesetzt werden und also Autos, Computer, Handys, Laptops oder Maschinen mit Strom versorgen. Dabei funktioniert sie ebenso simpel wie effektiv. Brennstoffzellen sind kleine elektrochemische Systeme, die aus einer chemischen Verbindung zwischen Wasserstoff und Sauerstoff, Elektrizität erzeugen können. Dabei erreichen die Zellen, die im Idealfall überhaupt keine Schadstoffe, sondern lediglich Wasserdampf produzieren und obendrein noch extrem leise arbeiten, einen Wirkungsgrad, der etwa doppelt so hoch ist wie der von Ottomotoren, Dieselmotoren oder Gasturbinen.

Aus dem von Algen erzeugten Wasserstoff lässt sich in einer Brennstoffzelle Energie gewinnen. Foto: Frank Luerweg/Universität Bonn

Diese Aussichten haben Verbraucher und Produzenten mittlerweile wachgerüttelt. Jüngst kürte das "Time Magazin" ein Brennstoffzellenfahrrad von Aprilia zur "Erfindung des Jahres 2001", und auch in der deutschen Automobilindustrie gilt die Brennstoffzellen-Technologie durchaus als attraktives Zukunftsmodell.

DaimlerChrysler gilt als Vorreiter dieser Entwicklung. Das Unternehmen beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren mit der alternativen Antriebstechnologie und hat bereits 16 Prototypen vorgestellt. Das sind - wie der Automobilhersteller betont "mehr als alle Wettbewerber zusammen", aber mit 16 Autos kann die dramatische Situation natürlich nicht entschärft werden (und mit den zwei Wasserstofftankstellen in Hamburg und München, die in Berlin bald Gesellschaft bekommen sollen, selbstverständlich auch nicht).

DaimlerChrysler will bis 2004 deshalb rund 1 Milliarde Euro in das Zukunftsprojekt investieren. Und dann werden auch die Ergebnisse eines Pilotversuches ausgewertet sein, den der Konzern derzeit mit dem Hamburger Paketdienst Hermes Versand Service durchführt. Dieser hat einen nur für diesen Zweck gebauten Mercedes-Benz-Transporter erworben, der mit gasförmigem Wasserstoff betankt wird. Das Fahrzeug erreicht eine Motorleistung von 55 kW und kommt immerhin auf eine Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern bei einer Reichweite von mehr als 150 Kilometern. Nach Angaben von DaimlerChrysler hat die neue Technologie aber nicht nur wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Bis jetzt sollen allein in Deutschland im Zusammenhang mit der Entwicklung der Brennstoffzellen über 1.000 Arbeitsplätze geschaffen worden sein.

Wenn man dann noch die Schwierigkeiten bei der Wasserstoffherstellung beseitigt - worauf die Bonner Ergebnisse durchaus hindeuten -, anschließend die völlig unzureichende Infrastruktur aufbessern würde und schließlich auch noch eine allgemeine Bewusstseinsveränderung bewirken kann, stände einer erfreulichen Energierevolution des 21. Jahrhunderts eigentlich nichts mehr im Wege. Wie viel Zeit bis dahin noch verstreichen wird, und welche neuen Herausforderungen sich dann schon wieder stellen mögen, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt.