Wir wollen die Nummer zwei werden

Der interaktive Musiksender VIVA PLUS geht heute auf Sendung

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Vor dem Start kam das Ende - vor VIVA PLUS war VIVA ZWEI. Als im Frühjahr 2001 bekannt wurde, dass die VIVA Media AG ihren Sender VIVA ZWEI im Sommer einstellen wolle, hagelte es Proteste.

Denn der 1995 gegründete Ableger von VIVA, dem mittlerweile erfolgreichsten deutschen Musiksenders, bot das, was dem deutschen Fernsehen dringend fehlte: Platz für Subkultur, für Themen abseits von DJ Ötzi, "Big Brother" und "Wetten dass...?". VIVA ZWEI-Sendungen wie Wah² und Zwobot waren herrlich unkonventionell, die Musikauswahl fast konsequent mehr Nebenstraße denn Mainstream, und die sympathisch-schrullige Fast Forward-Moderatorin Charlotte Roche wurde ob ihrer frechen Ansagen und ihrer nonchalant gelebten Emanzipation gar für den renommierten Grimme Preis nominiert.

Alles aus. VIVA ZWEI wird nun - wenn auch verspätet - endgültig abgeschaltet. Nur ein paar Stücke Nonkonformismus bleiben erhalten, wurden wie "Fast Forward" ins VIVA-Hauptprogramm integriert. Der Grund fürs Ende: VIVA ZWEI blieb trotz großer Anerkennung seitens der Kulturwelt und der Zuschauer ein Verlustgeschäft. Jedes Jahr fraß der Sender etwa zehn Millionen Mark. Besserung war nicht in Sicht. Über den Nachfolgesender des gestrauchelten Spartenprogramms wurde lange spekuliert. Sogar von einem weiteren Home-Shopping-Kanal war zuweilen die Rede. Und dann kam der größte Medienkonzern der Welt: AOL Time Warner. Das Unternehmen plante den Einstieg ins Musikgeschäft, VIVA-Chef Dieter Gorny plante einen neuen Sender und bald planten beide zusammen. In nur drei Monaten wurde das Sendekonzept entworfen. Was dabei herauskam, bezeichnen die Macher in einer großflächigen Werbekampagne als

ein neues glitzerndes Ding, wie Du noch keines gesehen hast. VIVA PLUS ist dein neuer vollkonvergenter, interaktiver Musiksender. Funky, stylish und kreativ. Jede Sekunde passiert etwas neues und Du kannst dabei sein!

Heute geht das Joint Venture der Viva Media AG und AOL Time Warner auf Sendung. 70 Angestellte arbeiten bei VIVA PLUS, in 30 Millionen Haushalten kann man den Sender empfangen. Telepolis sprach mit Geschäftsführer Dominik Kaiser.

Ist es nicht eine große Illusionen, dass die Zuschauer interaktiv fernsehen und das Programm mitbestimmen möchten? Wollen TV-Konsumenten nicht lieber nur konsumieren?

Kaiser: Ich denke es gibt beide Sorten von Zuschauern. Natürlich wollen nicht alle Leute das Programm mitbestimmen. Aber trotzdem ist für interaktives Fernsehen ein Markt vorhanden. Und den wollen wir bedienen. Wir sind jedoch in erster Linie ein Musiksender - aber anders, weil eben interaktiv.

Und ihr wollt nach eigener Aussage das CNN des Musikfernsehens werden. Ein hehres Ziel.

Kaiser: Das bezieht sich auf unser Design. Darauf, dass wir unten im Bildschirm durchlaufende Einblendungen haben, die ständig mit neuen Informationen gefüttert werden. Wir sind natürlich nicht in Afghanistan vor Ort und bestimmt auch nicht so schnell wie CNN. Aber wir haben Pop-Korrespondenten in allen wichtigen Städten der Welt, so dass wir direkt informieren können.

Wer soll VIVA PLUS einschalten und warum?

Kaiser: Ich denke VIVA PLUS ist von der Musikauswahl etwas internationaler als VIVA. Die trashigen Sachen wie Scooter und DJ Bobo werden wir nicht bringen. Und so sehr spezielle Musik, wie sie mitunter bei VIVA ZWEI lief, auch nicht. Alles was dazwischen liegt, läuft bei uns. VIVA ist im Vergleich zu VIVA PLUS kuschelig warm und ein bisschen kindlich. Wir sind eher wilder, ein bisschen verrückter und internationaler. Damit werden wir Leute zwischen 15 und 24 ansprechen. Und wir werden wohl auch MTV ein paar von seinen Zuschauern wegnehmen.

Mit VIVA Plus hat VIVA-Chef Dieter Gorny eine weitere Waffe im Kampf um die Marktführung.

Kaiser: Wenn man sich die Marktanteile ansieht, ist VIVA schon lange Marktführer. Die Geschichte ist durch. VIVA liegt klar vorn. Unser Ziel ist es trotzdem, MTV mehr Zuschauer weg zu nehmen. Wir wollen die Nummer zwei nach VIVA werden.

Wird VIVA PLUS nur durch TV-Werbung finanziert oder integriert ihr auch das derzeit so beliebte TV-Geshoppe in euer Programm? Das wäre ja eigentlich naheliegend.

Kaiser: Vor allem werden wir durch Werbung und Sponsoring finanziert. Außerdem wollen wir ein bisschen mit unserer Homepage verdienen und mit 0190-Nummern. Es wird keine Home-Shopping-Geschichten geben, und da bin ich auch froh drüber.

Vom Prinzip her wollt ihr ja eigentlich das machen, was NBC GIGA schon seit Jahren macht.

Kaiser: Wir gehen inhaltlich in eine völlig andere Richtung. Das heißt nicht, dass wir nicht auch mal 'ne Website vorstellen. Aber bei uns geht es in erster Linie um Musik und die Entertainment-Welt.

Die Revolution hängt seit Jahren in der Warteschleife. Was ist eigentlich los mit interaktivem Fernsehen, mit der Konvergenz von TV und IT?

Kaiser: Da wurde viel drüber geschrieben und geredet - passiert ist wenig. Ein Grund dafür ist, dass sich die Breitband-Technik so langsam entwickelt hat. Jetzt gibt es aber tatsächlich schon Leute, die zu Hause Breitband-Anschlüsse haben. Den richtig großen Start in Sachen interaktives Fernsehen wird es geben, wenn sich Set-Top-Boxen und ähnliche Geräte etabliert haben. Dann wird diese Vision, die vor vielen Jahren in die Öffentlichkeit gebracht wurde, wirklich umgesetzt. Wir werden natürlich die Möglichkeiten, die die Breitband-Technik bietet, nutzen. Dann kann man sich auf unserer Homepage zum Beispiel die TV-Sendung in vernünftiger Qualität anschauen. Und das mit den Downloads geht schneller. Wir werden Videos zum Herunterladen anbieten. Das Internet ist dann nämlich nicht mehr das weltweite Warten. Auf unseren Seiten wollen wir mit weiterführenden Informationen die Sendungen verstärken, Beiträge vertiefen und Interviews in voller Länge anbieten. Das Programm läuft rund um die Uhr im Fernsehen, und im Internet bekommt man die Informationen, wann immer man will.

Wird es auf euren Sites auch Mp3s geben?

Kaiser: Wir werden so was zu Promo-Zwecken machen, in Zusammenarbeit mit den Plattenfirmen. Doch die richtig großen Download-Geschichten können wir erst starten, wenn sich in der Musikindustrie ein Konsens gebildet hat. Das muss rechtlich alles mit den Plattenfirmen klar sein. Und in dieser Hinsicht muss noch viel geschehen.

Die Zukunft?

Kaiser: Wenn alles klappt, sind wir in zwei Jahren die Nummer zwei. Und wir werden ein Sender sein, der in Deutschland zeigt, was in der Welt passiert, der tolle Musik spielt, der informiert und sagt, wo man hingehen kann. Ein Sender, der neue interaktive Möglichkeiten entwickelt.