Ausländer im Raster

Nach Berlin und Wiesbaden kippt das Oberlandesgericht Düsseldorf die Rasterfahndung, allerdings nur für Deutsche. Für Ausländer sei sie zumutbar. Kläger rufen jetzt das Bundesverfassungsgericht an.

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Die Gegner der Rasterfahndung konnten in Nordrhein-Westfalen nur einen halben Erfolg feiern. Die Beschwerden eines Jordaniers und Marokkaners wies das Oberlandesgericht Düsseldorf am Montag in letzter Instanz zurück. Die Einbeziehung deutscher Staatsangehöriger in die nordrhein-westfälische Rasterfahndung sei jedoch unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen.

Die Einwohnermeldeämter hatten dem Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen rund 4,7 Millionen Datensätze übermittelt, die Hochschulen knapp 500.000 und das Ausländerzentralregister 89.000 Datensätze. Dabei wurden alle männlichen Personen zwischen 18 und 41 Jahren erfasst. Anhand der Länder-Rasterkriterien identifizierte die Polizei rund 11.000 Datensätze, die restlichen wurden gelöscht. Vier Deutsche hatten sich deshalb vor Gericht beschwert.

Gegenwärtige Gefahr gegeben

Anders als Berlin und Wiesbaden sieht Düsseldorf eine gegenwärtige Gefahr gegeben. Dabei berief sich das Gericht auf das Bundesverwaltungsgericht. Es hatte 1981 in dem Fall einer Ausweisung argumentiert, dass "wegen des hohen Ranges des Schutzgutes und wegen der Art sowie des Ausmaßes der Schäden, die terroristische Anschäge zur Folge haben können [...] die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nur gering" seien. Daraus sei eine Faustregel entstanden, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut sind.

Nach dem 11. September lagen laut Oberlandesgericht "hinreichende Tatsachen" vor, die für einen terroristischen Anschlag in Deutschland "mit unvorstellbaren Personen- und Sachschäden" sprachen. Der Polizei waren damals 42 Personen in Nordrhein-Westfalen bekannt, die als Unterstützer oder Kontaktpersonen des Al-Kaida-Netzwerkes galten.

Rasterfahndung zumutbar

Insofern war die Rasterfahndung nach Auffassung des Oberlandesgerichtes auch "verhältnismäßig" und "zumutbar". Sie sei verhältnismäßig, da das Allgemeininteresse an Sicherheit und Schutz das Interesse des Beteiligten an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte überwiege. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei zudem nicht schrankenlos gewährleistet.

Andere, weniger belastende Maßnahmen zur Erreichung desselben Ziels hätten nicht zur Verfügung gestanden. Methoden wie Durchsuchung, Beschlagnahme und Vernehmung seien untauglich, eine Einzelüberwachung sei angesichts der vielen Betroffenen "weder sinnvoll", noch "weniger belastend". Zwar greife die Rasterfahndung in die Rechte von "Nichtstörern" ein, doch sei dies auch inzwischen in anderen Bereichen wie der Fluggastkontrolle oder den Personenkontrollen an Fußballstadien aufgrund einer notstandsähnlichen Situation anerkannt.

Deutsche Staatsbürger bleiben unberührt

Die Beschwerde eines deutschen Staatsangehörigen hatte hingegen beim Oberlandesgericht Düsseldorf Erfolg. Die Übermittlung seiner Daten habe "gegen das Übermaßverbot" verstoßen. Er habe weder räumlich, noch zeitlich und auch nicht als Zeuge in einem besonderen Verhältnis zu der Gefahrensituation gestanden, schreibt das Gericht in seiner Urteilsbegründung.

"Diese Personenselektion hätte erheblich eingeschränkt werden können auf diejenigen Personen, die die Staatsangehörigkeit eines in der Anlage 2 zur Antragsschrift aufgeführten Länder besitzen oder dort geboren sind oder die islamische Religionszugehörigkeit besitzen." Es sei vertretbar gewesen, "die Personen, die in Deutschland geboren sind, aber deren Eltern die Staatsangehörigkeit eines der verdächtigen Länder besitzen und die Religionszugehörigkeit nicht offenbart haben, von der Rasterfahndung nicht erfasst worden wären".

Verfassungsbeschwerde

Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler sagte Telepolis, dass er aufgrund dieser Begründung nun eine Verfassungsbeschwerde einreichen wird. Zum einen verstoße sie gegen den Gleichheitsgrundsatz, da sie Menschen aufgrund einer Staatsangehörigkeit und der islamischen Religionszugehörigkeit in Gefahrennähe rückt, zum anderen sei die Rasterfahndung als Instrument noch nie verfassungsrechtlich überprüft worden.

Kritik

Der studentische Dachverband "freier zusammenschluß von studentInnenschaften" (fzs) kritisiert, dass die Grundrechtsverletzung nur für Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft Geltung haben soll. Fzs-Sprecherin Carmen Ludwig: "Es ist ein Unding, dass in dem Urteil Menschen mit islamischen Glauben und aus bestimmten Herkunftsländern weiterhin dem Generalverdacht des "Terrorismus" ausgesetzt werden." Damit gelte das grundlegende rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung nur noch für Menschen mit deutschem Pass. Dies sei eine "rassistische Sonderbehandlung durch die staatlichen Ordnungshüter und die Gerichte".

Carmen Ludwig kritisiert an der Einschätzung der "gegenwärtigen Gefahr", dass das Gericht nicht dem "offensichtlichen Widerspruch" zwischen dieser Einschätzung und den öffentlichen Verlautbarungen der Bundesregierung nachgeht. Bereits am 26. September, also vor dem Rasterfahndungsbeschluss, hieß es in einer Pressemitteilung der Bundesregierung nach einer Sitzung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten: "Die Analyse des Bundesinnenministers und der einschlägigen Dienste, dass es zurzeit keinen Anlass zur Besorgnis gibt, traf auf allgemeine Übereinstimmung." Dazu Ludwig: "Nur einer kann Recht haben. Entweder die Bundesregierung hat die Bevölkerung belogen oder das Gericht trifft ein Urteil ohne Tatsachen und Fakten zur Kenntnis nehmen zu wollen."