Unterschriften gegen Zensur

Eine Petition macht mobil gegen Internetsperrungen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Widerstand im Netz formiert sich. Mit einer Unterschriftenliste will die Initiative Odem Druck gegen die Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf machen. Unterdessen beweist das Jürgen Büssow Medienkompetenz.

Alvar Freude ist Netzaktivist. Und Netzaktivisten haben etwas gegen Zensur im Netz. Freude machte dies schon Anfang Februar deutlich, als er Mitarbeiter von Bezirksregierung und Internetprovidern anzeigte (Email, Internet und die Justiz). Nun legt er zusammen mit seinen Mitstreitern der Initiative Odem einen nach: Mit einer Unterschriftenliste soll Druck gemacht werden.

Von Aktivisten und Unterschriften

Die Erklärung gegen die Einschränkung der Informationsfreiheit beginnt mit einer Zusammenfassung der Lage:

"Obwohl die Behörde für Mediendienste wie Videotext und nicht für Telekommunikationsdienste zuständig ist, wurden die Provider aufgefordert, zunächst zwei rechtsextremistische Domains in den USA für ihre Kunden unzugänglich zu machen. In der Praxis werden durch diese Sperrungen nicht nur die Websites blockiert, sondern es wird auch jegliche Kommunikation mit den Betreibern, beispielsweise via E-Mail, unterbunden."

Auch der Blick in die Zukunft beunruhigt die Initiatoren. Sie erwarten nicht, dass es bei der Sperrung von zwei Webseiten bleibt (Dammbruch öffnet Weg ins Zensurnetz). Das Ganze sei ein Versuchsballon für weitergehende Maßnahmen. Webwasher.com, IntraNet sowie das Bonner Gemeinschaftsunternehmen Bocatel basteln bereits zusammen mit der Uni Dortmund an einem System, dass die Filterung des kompletten Internetverkehrs ermöglichen soll.

Ausbruch aus der Netzöffentlichkeit

Die Verfasser der Petition fassen ihre Standpunkte in drei Punkten zusammen.

1. Providerseitige Filtersysteme stellen unangemessene Eingriffe in Grundrechte dar
2. Nicht gegen Infrastrukturen, sondern gegen Inhalte vorgehen!
3. Sperrungen verfehlen die Zielgruppe

Mit diesen Kernforderungen hoffen sie auf breite Zustimmung. So reicht die Bandbreite der Erstunterzeichner von der PDS-Bundestagsabgeordneten Angela Marquardt bis zum Freenet-Gründer Ian Clarke. Die Reporter Ohne Grenzen haben sich dem Aufruf ebenso angeschlossen wie der Chaos Computer Club. Bis Dienstag sind schon über tausend Unterschriften zusammengekommen.

Noch ist nicht ganz klar, wie lange die Aktion dauern wird. Spätestens im Sommer sollen die Unterschriften an Vertreter der Bezirksregierung, des Landtags und der Landesregierung sowie des Bundestags und der Bundesregierung überreicht werden. Die digitalen Unterschriften werden verifiziert. Jeder Unterzeichnende bekommt eine Bestätigungsmail mit einem Link. Erst wenn dieser aufgerufen wird, wird die Unterschrift gezählt.

Erklärtes Ziel der Aktion ist es auch, Menschen zu erreichen, die nicht zur "Netzöffentlichkeit" gehören. "Die Argumente sind gut - jetzt muss man die Leute darauf aufmerksam machen", sagt Freude. Denn innerhalb der Netzgemeinde sei die Meinung zur Sperrungsverfügung ziemlich klar, wie Freude erklärt. Ob eine reine Internetpetition das richtige Mittel ist, um neue Kreise zu erschließen, muss sich noch erweisen. Auf alle Fälle planen die Mitglieder der Initiative Odem noch weitere Aktionen, um auf den Kampf gegen Internetzensur aufmerksam zu machen. Noch im März wollen sich verschiedene Gruppierungen treffen, um ihr gemeinsames Vorgehen bezüglich der Internetsperrungen zu beraten.

Kompetenzen und Regierungspräsidenten

Regierungspräsident Jürgen Büssow, der sich im vergangenen Jahr erfolglos um den Intendantenposten der Deutschen Welle bewarb und jetzt für den Bundestag kandidieren will, stellt in einer neuen Pressemitteilung seine Kompetenz in Sachen Online wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis (Die Frohe Botschaft des Herrn Büssow).

"Die Sperrung der unzulässigen Intranetinhalte ist keine Lokalangelegenheit", lässt er verkünden. Doch leider beschränkt sich der Regierungspräsident nicht auf das Intranet seines Hauses, sondern experimentiert mit dem Internet herum. Die übliche Rechtsbelehrung über den Medienstaatsvertrag, wird ergänzt durch einige Schmankerl besonderer Güte. Die Bezeichnung "Wacht am Rhein", mit der ihn die taz belegt hatte, will die Bezirksregierung nicht gelten lassen. Stattdessen gibt sie eine Lehrstunde in freiheitlich-demokratischer Grundordnung:

"Eingriffe in den Datenfluss sind nicht typische Kennzeichen totalitärer Regime."

China und Saudi-Arabien lassen grüßen.