Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten

Die Entwicklung von kleinen Kernwaffen zum begrenzten Einsatz begann bereits unter Bush sen. nach dem Ende des Kalten Kriegs

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US-Außenminister Powell hatte nach dem Bekanntwerden des geheimen Teils des Nuclear Posture Review Report versichert, um die Aufregung zu dämpfen, dass die USA ohne konkrete Angriffsabsichten über den Einsatz von Nuklearwaffen nachdenken, aber dass keine neuen Nuklearwaffen entwickelt werden (Eine Kombination aus nuklearen und nicht-nuklearen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten). Das aber ist eine Frage der Perspektive oder der Rhetorik, denn nach vorhergegangenen Plänen begann man 1995 mit der Entwicklung einer kleineren Atombombe zur Zerstörung unterirdischer Anlagen. Das Ergebnis ist die B61-11, ein sogenannter "bunker buster", eine Wasserstoffbombe, die bereits 1997 zur Verfügung stand und die zumindest den ersten bekannten Schritt zur Herstellung von kleinen Atomwaffen oder "mini-nukes" darstellt. Bei einem näheren Blick sind die bekannt gewordenen Einzelheiten des NPR-Berichts bereits nach dem Ende des Kalten Kriegs unter Bush sen. angelegt gewesen. George W. Bush setzt mit den alten Kämpen seines Vaters, Cheny, Rumsfeld und Powell, nur um, was durch die Clinton-Regierung ein wenig ins Hintertreffen geraten ist.

Abwurftest mit der B61-11 von einem B-2A Stealth Bomber 1996. Foto: Sandia National Laboratories

Offiziell ist diese Atomwaffe allerdings gerade nicht neu, sondern lediglich eine modifizierte alte Waffe, weswegen sich für das Pentagon eigentlich nichts verändert hat. Das war schon Mitte der 90er Jahre eine geschickte Formulierung, auch wenn die US-Regierung 1996 den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Test Ban Treaty - CTBT) nur unterschrieben hat, die Ratifizierung aber Ende 1999 vom Senat abgelehnt wurde - wahrscheinlich aus guten Gründen. Der Vertrag verbietet Testexplosionen von Kernwaffen und will darüber versuchen, die Entwicklung neuer Atomwaffen zu verhindern. Präsident Clinton, der seiner Zeit den Vertrag ratifizieren wollte, hatte aber erklärt, an dem seit 1992 beschlossenen Teststopp-Moratorium festzuhalten. George W. Bush versicherte hingegen bereits als Präsidentschaftskandidat, hinter dem Beschluss des Senats zu stehen und eine Ratifizierung abzulehnen.

Nach dem Bekanntwerden der B61-11 beeilte sich denn auch das Sandia Lab zu versichern, dass es sich um keine neue Bombe handelte, man habe nur einen existierenden Bombentypus etwas verändert und das "physics package" sei identisch geblieben. Das war schon deswegen notwendig zu behaupten, da der Kongress 1994 verboten hatte, Nuklearwaffen mit geringer Sprengkraft unter 5 Kilotonnen oder Präzisionsbomben mit geringer Sprengkraft zu entwickeln. Der Sprengkopf der also nur modifizierten, aber keinesfalls neuen Waffe musste auch nicht getestet werden, da es ja ein übernommenes System war, allerdings wurden Tests und Simulationen durchgeführt, um zu prüfen, wie tief die Bombe in die Erde eindringt. Offensichtlich gab es noch Konstruktionsfehler, Paul Robinson, der Direktor der Sandia Laboratories berichtete im April 2001 gegenüber dem Kongress, dass die verbesserte Version aber demnächst ausgereift sein würde. Dank dieser Sprachregelung konnte Powell jetzt auch wieder davon sprechen, dass keine neuen Nuklearwaffen entwickelt würden.

"There is also an aspect of the story saying we're getting ready to develop new nuclear weapons. We are not. What we are looking at, and what we have tasked the Pentagon to do, is to see whether or not within our lowered inventory levels we might want to modify or update or change some of the weapons in our inventory to make them more effective. But we are not developing brand new nuclear weapons, and we are not planning to undergo any testing. So I want to make sure we don't get the international community upset by what is essentially sound conceptual planning on the part of the administration." - Colin Powell in CBS's Face the Nation am 10.3. 2002

Die B61-11 ist in der Tat eine Weiterentwicklung der B61er Serie aus den 60er Jahren. Das sind leichtere Trägerraketen, die mit unterschiedlichen Sprengköpfen mit einer "geringen Sprengkraft" zwischen 0,3 und 340 Kilotonnen ausgestattet werden können. Für die B61-11 nahm man als Grundlage die B61-7, die bereits als Waffe zur Zerstörung von unterirdischen Bunkern entwickelt worden war. Sie blieb weitgehend gleich, die Spitze wurde geschärft und die Verkleidung mit abgereichertem Uranium gehärtet. Man kann die 600 Kg schwere Bombe mit unterschiedlich starken Sprengköpfen ausstatten und von verschiedenen Flugzeugen abwerfen, auch beispielsweise von einer F-16. Vorgesehen war sie als Ersatz für die 4.450 kg schwere B53 mit neun Megatonnen Sprengkraft, die man "city buster" nannte und die auch unterirdische Ziele zerstören sollte, aber wegen der gewaltigen Sprengkraft zu große Kollateralschäden bewirken würde. Übrigens wurde ein Ersatz für die B53 nach einer Empfehlung im Nuclear Posture Review Report aus dem Jahr 1994 gesucht, was vielleicht darauf hinweist, dass diese Berichte nicht so theoretisch sind, wie manche US-Politiker uns jetzt glauben lassen wollen.

Die Schurkenstaaten geraten ins Visier der Atomwaffen

"If the developing multipolar world exhibits dangerous instabilities, a fundamentally new class of minimum lethality nuclear weapons may also have deterrent roles. Special highly penetrating, very-low-yield nuclear weapons are required to hold at risk deeply buried command and weapons storage facilities. Electromagnetic-pulse weapons might paralyse electronic systems, computers and sensors, which are critical elements in modern battlefield platforms, weapons, and command and control systems. Nuclear energy's ultrahigh energy density may be harnessed to achieve much greater effectiveness, at greatly reduced cost compared to advanced conventional weapons, and with no casualties. This would be a paradigm shift from 20th century nuclear weapons that use the ultrahigh nuclear energy density to achieve mass destruction." - John Nuckolls, Direktor des Lawrence Livermore National Laboratory, im Jahr 1992

Schon seit dem Ende des Kalten Kriegs hatte sich eine Umorientierung für den möglichen Einsatz von Nuklearwaffen ergeben. Sie waren im Zuge des neuen Konzepts des "adaptive planning", also der Ausrichtung auf "spontan entstehende Bedrohungen", nicht mehr nur auf Tausende von Zielen in Russland oder China ausgerichtet, sondern auch auf vermutete Herstellungs- und Lagerorte von Massenvernichtungswaffen. 1986 gab es alleine in Russland noch 16.000 Ziele, auf die Nuklearwaffen im "Single Integrated Operational Plan" (SIOP) ausgerichtet waren, unter Cheney waren es 1990 nur noch etwa 10.000. Die Umstellung des Konzepts war nicht nur eine Folge des Endes des Kalten Kriegs, sondern auch des Aufkommens von Abschussmöglichkeiten auf Fahrzeugen wie die russischen SS24 und SS25. Dies ließ es erforderlich werden, den SIOP schneller umzustellen, so dass eine schnellere Veränderung der anvisierten Ziele möglich wurde ("living SIOP").

George Bush sen. hatte angeblich auch in einem Brief an Saddam Hussein während der Operation Desert Storm 1991 indirekt, aber unmissverständlich mit dem Einsatz von Kernwaffen - mit dem "stärksten möglichen Gegenschlag" - gedroht, wenn er biologische oder chemische Waffen einsetzen sollte. Und der damalige Verteidigungsminister und heutige Vizepräsident Cheney hatte 1990 gegenüber einem Kongressausschuss bekannt gegeben, dass man trotz dem Ende des Kalten Kriegs und der Abrüstung im Rahmen der START-Verträge weiterhin Atomwaffen benötige, um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern und sich vor der Aufrüstung von Dritte Welt Ländern zu schützen.

"General Butler described the new concept in a May 11, 1993 interview with Jane's Defence Weekly: "Adaptive planning" was designed to respond to "spontaneous threats which are more likely to emerge in a new international environment unconstrained by the Super Power stand-off." The plans would use "generic targets, rather than identifying specific scenarios and specific enemies." Adaptive planning would offer "unique solutions, tailored to generic regional dangers involving weapons of mass destruction."

1996 hat sich mit der Entwicklung der B61-11 bereits die Umorientierung der Nuklearstrategie der USA in Form einer neuen Waffe zu erkennen gegeben, auch wenn die Anfänge dieses Bombentyps bereits in den Beginn der 90er Jahre fallen. Damals aber hatte man die Weiterentwicklung politisch verhindert, selbst der US-Kongress beschloss 1993 ein Verbot der Entwicklung von kleinen Atomwaffen, die gegen "Schurkenstaaten" eingesetzt werden können. Auf politischer Ebene hatte man immer wieder versichert, gegen Staaten, die über keine Kernwaffen verfügen und den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) ratifiziert haben, auch keine einzusetzen. Doch nach den Kenntnissen über die vom Irak entwickelten Massenvernichtungswaffen suchte das Militär nicht nur nach Mitteln, um diese ungefährlich zu machen, auch wenn sie tief unter der Erde gelagert waren, sondern stellte im Kontext des African Nuclear Weapons Free Zone Treaty die Angriffsoption auch um, so dass nun Länder mit Atomwaffen angegriffen werden können, die chemische oder biologische Massenvernichtungsmittel einsetzen oder mit deren Einsatz drohen.

"Enemy combat forces and facilities that may be likely targets for nuclear strikes include WMD and their delivery systems; ground combat units, air defense facilities, naval installations, combat vessels, nonstate actors, and underground facilities." - Executive Summary, Joint Publication 3-12.1, Doctrine for Joint Theater Nuclear Operations, published by Joint Chiefs of Staff, 9 February 1996

Die B61-11 ist ein direktes Produkt des Nuclear Posture Review Report von 1994, in dem gegenüber den Vorgaben der Clinton-Regierung zur weiteren Abrüstung der Atomwaffen deren Einsatz im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen noch einmal bestätigt wurde. Nach dem Ende der Clinton-Regierung konnten dann die Falken, also die von Bush jun. wieder auf die politische Bühne geholten Minister der Regierung seines Vaters, unverblümter die in den 90er Jahren eingeschlagene Neuorientierung der Militärstrategie verfolgen. Doch selbst Clinton hatte mit der von ihm unterzeichnete Direktive PDD-60 das Konzept des "adaptive planning" bereits zur offiziellen Sicherheitspolitik werden lassen. Nach der Direktive wurden neben Zielen für Atomwaffen in Russland und China auch solche Orte in "Schurkenstaaten" wie Iran, Irak oder Nordkorea in den Katalog aufgenommen, an denen biologische, chemische oder nukleare Massenvernichtungswaffen hergestellt oder gelagert werden.

Neu-alte Ausrichtung der Nuklearstrategie

In seinem Papier Nuclear Weapons in the 21st Century plädierte Stephen Younger, Direktor für Nuklearwaffen im Los Alamos National Laboratory, schließlich im Jahr 2000 explizit für die Entwicklung neuer Kernwaffen mit geringer Sprengkraft aus Uranium. Diese seien überdies billiger herzustellen und zu lagern als Plutonium-Sprengköpfe. Man habe immer nur daran gedacht, dass Atomwaffen nur dann eingesetzt werden könnten, wenn die Nation in größter Gefahr schwebt: "Das wird in der Zukunft nicht mehr zutreffen." Seit 1. September ist Younger Direktor der Defense Threat Reduction Agency, was auch ein Indiz dafür ist, dass seine Thesen schon vor dem 11.9. Gefallen im Pentagon und bei der US-Regierung gefunden haben.

In dem Bericht Rationale and Requirements for U.S. Nuclear Forces and Arms Control des National Institute for Public Policy, Januar 2001, wird vor allem darauf hingewiesen, dass Nuklearwaffen weiterhin zur Abschreckung wichtig seien und zur Bekämpfung von Staaten mit Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden könnten. Überdies würden viele der unterirdischen und gesicherten militärischen Anlagen mit herkömmlichen Waffen nicht zerstört werden können. Nukleare Präzisionswaffen zur Zerstörung einzelner Ziele könnten gleichzeitig dazu beitragen, die größeren Nuklearwaffen zu reduzieren. Die Strategie der Bush-Regierung gegenüber der Öffentlichkeit wird hier schon deutlich: hinter der vermeintlichen Abrüstung eine Aufrüstung mit nuklearen Präzisionsbomben geringerer Sprengkraft zu realisieren. Das meint die US-Regierung auch damit, dass die Orientierungen und die Abkommen aus der Zeit des Kalten Kriegs nicht mehr für die Gegenwart taugen. Anders ausgedrückt: Es geht darum, den Einsatz von Atomwaffen in begrenzten Konflikten möglich zu machen.

C. Paul Robinson, der Direktor der Sandia National Laboratories, schloss an dieses Plädoyer kurz danach im März 2001 an und suchte in seinem "Weißpapier": Pursuing a New Nuclear Weapons Policy for the 21st Century noch einmal einer größeren Öffentlichkeit auszuführen, warum nach dem Kalten Krieg und dem weitgehenden Wegfall der Bedrohung durch die Kernwaffen Russlands dennoch weiterhin die nukleare Option erhalten bleiben müsse. Wichtig sei es, dass die USA gegen Staaten, die Massenvernichtungswaffen einsetzen wollen oder diese besitzen, sich zur Abschreckung die Option offenhalten müssten, Atomwaffen als ultima ratio zu verwenden. Gleichzeitig aber müsse man endlich eine konsistente Strategie für "begrenzte nukleare Angriffe" entwickeln und Präzisions-Nuklearwaffen mit einer geringen Sprengkraft von wenigen Kilotonnen zur Verfügung haben, um unterirdische Ziele möglichst ohne Kollateralschäden von Zivilisten gerade in Ländern wie dem Irak, dem Iran, Nordkorea oder China zerstören zu können. Eine große Atombombe auf Bagdad abzuwerfen, um Hussein zu stürzen, ist heute kaum vermittelbar und deswegen nicht machbar, wohl aber die gezielte Zerstörung eines Bunkers durch eine Mini-Nuke, falls dabei nicht allzuviel Schaden durch Strahlung unter den Zivilisten bewirkt wird. In einem Interview machte er seine Gangrichtung deutlich, die nun auch von der US-Regierung übernommen wurde:

Unterirdischer Nukleartest (Sedan) in Nevada (1962), mit dem man angeblich überprüfen wollte, ob Kernwaffen auch als Sprengstoff für friedliche Zwecke gebarucht werden könnten

"Today, we are threatened not only by nuclear weapons in the arsenal of peer nuclear competitors like Russia, but increasingly by biological, chemical, and radiological weapons that could kill huge numbers of people in a flash. Yet it's pretty incredible to think that the United States would respond to such an attack by vaporizing 11 million people in a rogue state just because they were poorly led. Where the hell are we going to use missiles with four to eight warheads, or half-megaton yields? Even the few "tactical" nuclear weapons that we have left have high yields of above 100 kilotons. I would hope a U.S. President would think it was crazy to use such weapons in response to a rogue-state attack.

After a decade of trying to sort out what we learned from the Cold War and how we might tailor our nuclear deterrence and deterrent message to fit the future, I now argue that we need lower-yield nuclear weapons that could hold at risk only a rogue state's leadership and tools of aggression with some level of confidence."

Der Ansatzpunkt für neue Atombomben: Hard and Deeply Buried Targets

Der im Juli dem Kongress vorgelegte Bericht über die Zerstörung harter und tief unter der Erde befindlicher Ziele (Hard and Deeply Buried Target = HDBT), der im Oktober 2000 verlangt wurde, machte dann endgültig deutlich, dass der Besitz und die Verwendung von Nuklearwaffen mit geringer Sprengkraft notwendig wären. Diese könnten nicht nur unterirdische Anlagen zerstören, sondern auch dort befindliche nukleare, chemische oder biologische Massenvernichtungswaffen vernichten. Der Vorteil dieser Kernwaffen sei überdies, dass die "waffenproduzierten Kollateraleffekte reduziert" würden, wenn sie präzise treffen und tief in die Erde eindringen könnten.

Bei den HDBTs handelt es meist um "große, komplexe Anlagen", die abschließbar sind und sich selbst versorgen können, die über viele Kommunikationsmöglichkeiten verfügen, stark gesichert sind, Luftabwehrmöglichkeiten besitzen und sich oft in geschützten bergigen Lagen befinden. Überdies seien HDBTs "Elemente eines gut vernetzten Netzwerks von Operationskapazitäten mit Duplikation", sie dienen als "Schutz für die Regierung, CCC-Zentren, Produktions-, Montage-, Lager- und Einsatzorte für Waffen, speziell für Massenvernichtungswaffen, Tunnels für Raketen und Garnisonen sowie für Verteidigungsanlagen." Auch mobile Waffensysteme oder Kommunikationsanlagen für moderne Netzwerke könnten hier sicher untergebracht werden. Der Golfkrieg und die Balkan-Konflikte hätten gezeigt, dass HDBTs zunehmend wegen der amerikanischen technischen Überlegenheit bei den Waffen und der Aufklärung auch in den "Schurkenstaaten" gebaut würden. Die amerikanischen Geheimdienste gingen davon aus, dass es mehr 10.000 solcher tief unter der Erde liegenden Bunkeranlagen weltweit gibt und dass ihre Zahl in den nächsten 10 Jahren noch wachsen wird. Tarnung und Täuschung würden aber schon die Identifizierung und Lokalisierung der HDBTs immer schwieriger machen.

Zwar seien viele dieser Anlagen nur mit einem Mantel geschützt, der einer Betondecke von etwa drei Metern entspricht. Diese "taktischen" Anlagen können in aller Regel mit konventionellen Waffen zerstört werden, wenn es genügend davon gibt und die Angriffskoordinaten genau genug sind. Doch es gebe auch "Hunderte" von sehr viel stärker geschützten unterirdischen Anlagen mit strategischen Funktionen, die durch das Äquivalent einer Betondecke von 25 bis 100 Metern und zusätzlich durch ausgeklügelte Tarntechniken (camouflage, concealment and deception - CCD) geschützt seien. Manchmal würden sie sich auch in zivilen Bereichen wie Städten befinden.

Aber auch die Zerstörung solcher gut geschützten Anlagen würde nicht ausreichen, wenn sich in ihnen Massenvernichtungswaffen befinden. Um diese mit zu vernichten, benötige man zusätzlich neue Waffensysteme, die eben gleichzeitig kurzfristige und langfristige "Kollateralschäden" minimieren. Und hier tauchen dann als vorhandene Lösung natürlich wieder die Atomwaffen auf:

"Nuklearwaffen haben die einzigartige Kapazität, sowohl die Behälter als auch die CBW-Agenten zu zerstören. Die Letalität wird optimiert, wenn der Feuerball dem Ziel so hane als möglich kommt. Für unter der Erde befindliche Ziele kann ein eindringendendes Waffensystem erforderlich sein. Sind verbesserte Genauigkeit und die Möglichkeit gegeben, die materiellen Schichten über der Anlage zu durchdringen, so ist es möglich, eine Waffe mit viel geringerer Sprengkraft einzusetzen, um die benötigte Neutralisierung zu bewirken. Die Möglichkeit der Verwendung einer geringen Sprengkraft würde die waffenbedingten Kollateralschäden verringern. Die gegenwärtig vorhandenen Nuklearwaffen wurden, auch wenn sie eine gewisse Kapazität besitzen, in den Boden einzudringen, und mit geringer Sprengkraft ausgestattet sind (noch nicht bestätigt), nicht mit dieser Aufgabe im Kopf entwickelt."

Krater, der bei dem unterirdischen Sedan-Test mit einer Sprengkraft von 11 KT entstanden ist. Foto: Energieministerium

In dem Bericht wird auf eine Analyse hingewiesen, in der festgestellt worden sei, dass mit "konventionellen Lösungen" HDBTs nicht zerstört werden könnten. Auf diesem Hintergrund sei 1997 eine als geheim klassifizierte Untersuchung unter dem Projekttitel "Sand Dune" für "nukleare Lösungen" entstanden. Einzelheiten über die "nuklearen Lösungen" würden im geheimen Anhang A ausgeführt werden. Eindeutig zweideutig wird gesagt:

"Es gibt kein laufendes Programm, eine neue oder modifizierte Atomwaffe zur Zerstörung von HDBT zu entwickeln. Aber das Verteidigungs- und Energieministerium überdenken und bewerten weiterhin nukleare Konzepte, die den validierten Misssionsnotwendigkeiten und CRD entsprechen. Sie haben eine Joint Nuclear Planning Group gebildet, um Selektionskriterien für den notwendigen Umfang und die notwendigen Optionen für eine mögliche Durchführbarkeits- und Kostenstudie zu definieren."

Weitere Einzelheiten sind wieder in dem geheimen Anhang zu finden, oder besser: nicht zu finden.

In einem Bericht weist die Federation of American Scientists (FAS) eine der Begründungen für die Mini-Nukes zurück, nämlich dass sie den Kollateralschaden minimieren, indem sie präzise treffen und erst tief in der Erde explodieren. Nach einem Test der B61-11, bei der sie aus einer Höhe von 13.000 Metern abgeworfen wurde, ist diese gerade einmal sieben Meter in den Grund eingedrungen. Bei Tests aus den 60er Jahren (Sedan-Test) wurde ein Nuklearsprengkopf mit 100 KT über 200 Meter unter die Erde in eine Höhle gebracht. Die Explosion ließ aber noch immer eine Wolke entstehen, die stark mit radioaktivem Staub kontaminiert war. Das Feuer brach durch den Boden und schleuderte großen Mengen an Erde in die Luft, die zusätzlich der intensiven Neutronenstrahlung ausgesetzt waren. Damit die Nuklearexplosionen ganz unter der Erdoberfläche verbleiben, müsste eine Bombe mit einer Sprengkraft von 5 Kilotonnen über 200 Meter unter der Erde explodieren. "Auch wenn", so der Physiker Robert Nelson, "eine sich in die Erde bohrende Bombe sich irgendwie Dutzende von Metern vorarbeiten könnte und dann erst explodieren würde, würde die Explosion wahrscheinlich die Umgebung mit hoch radioaktivem Staub und Gas verseuchen." Schon eine Mini-Mini-Nuke mit einer Sprengladung von nur 0,1 KT müsste etwa 70 Meter unter der Erde explodieren, um die Umgebung nicht zu kontaminieren.

Gleichwohl ist die Entwicklung und der Einsatz von Atomwaffen mit einer geringen Sprengkraft, die wie die B61-11 auf einer alten Technik beruhen, schon deswegen attraktiv, weil dann keine neuen Tests durchgeführt werden müssten und so das Moratorium nicht gebrochen werden würde, auch wenn die USA das Abkommen zum Verbot von Nuklearversuchen gar nicht ratifiziert haben. Man könnte so auch an der Abrüstung der großen Nuklearsprengköpfe festhalten, wie dies Bush mit Putin und für die Öffentlichkeit bestimmt vereinbart hat. Und das halbe Durchsickern der Aufrüstungspläne könnte durchaus auch den Sinn haben, die Gegner davon zu überzeugen, dass die USA mit Atomwaffen zuschlagen werden, ohne dadurch die Schwelle zu einem wirklichen Atomkrieg überschreiten zu wollen. Die Sicherhheitsberaterin von Präsident Bush, Condoleezza Rice, hat dies unmissverständlich am 12. März formuliert:

"It has long been American policy that the use of a weapon of mass destruction against the United States, its friends or its forces, would be met with a devastating response. And the President cannot take any options out of his arsenal in making very clear the pledge that a use of a weapon of mass destruction against us would be met with a devastating response. That is how you deter the use of one of these weapons against you. But the idea that this somehow lowers the threshold for nuclear war couldn't be further from the truth. No one wants to use nuclear weapons, and this President has gone a long way to encouraging and to pressing the case for things like missile defense, which might make it unnecessary to worry so much about these weapons of mass destruction."

Aber ähnlich wie die B61-11 nicht wirklich neu ist, ist sowohl das Personal der Bush-Reguerung, als auch ihre Politik nicht wirklich neu. Alles wird wie seiner Zeit, als Bush sen. auf den Kalten Krieger Ronald Reagan folgte, unter der militärischen Perspektive von Freund und Feind gesehen. Nur hat sich das "Reich des Bösen" nun in eine "Achse des Bösen" verwandelt. Die Perspektive der militärischen Lösung aber hatte unter anderem die Probleme wie al-Qaida in Afghanistan oder Saddam Hussein erst hervorgebracht, die man nun mit derselben Logik und derselben Frontenbildung wie einst den Kommunismus ausrotten will..