Softwarepatente? Non, merci!

Der Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Einführung von Softwarepatenten in Europa stößt in Frankreich auf heftigen Widerstand

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Am 20. Februar präsentierte die EU-Kommission eine Direktive mit dem schier endlosen Titel: Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen. Eine Direktive, die mit der derzeitigen Handhabung von Erfindungen im europäischen Softwarebereich eindeutig bricht und sich an US-Praktiken annähert. Bislang gab man dem weniger schwerfälligen und kostengünstigeren Urheberrecht den Vorzug, um Innovationen aus der hyperaktiven IT-Branche zu schützen. Der französische Industrieminister Christian Pierret vermeint in dieser EU-Richtlinie eine mögliche "Bremse für die europäische Innovation" zu erkennen und ließ den zuständigen EU-Kommissaren einen Protestbrief zukommen. Und Eurolinux Bündnis für eine Freie Informationelle Infrastruktur warnt vor einer "grenzenlosen Patentierbarkeit", die zu einer monopolistischen Konzentration und informatischer Zensur führen würde.

Gerade was die Grenzen der Patentierbarkeit betrifft, zeigt sich die neue EU-Richtlinie mehr als schwammig: Als Voraussetzung für die Anerkennung eines Softwarepatentes wird der "technische Beitrag" angesehen. Und das ist - man höre und staune - ein "Beitrag zum Stand der Technik auf einem Gebiet der Technik, der für eine fachunkundige Person nicht nahe liegend ist". Die Frage, welchen "computerimplementierten Erfindungen Technizität zugesprochen werden kann", wird folgendermaßen beantwortet: "(...) Alle Programme, die auf einem Computer ablaufen, sind per Definition als technisch anzusehen (da es sich bei dem Computer um eine Maschine handelt)."

Industrieminister Pierret zeigt sich über diese Ansammlung von Gemeinplätzen konsterniert und kann nur noch feststellen, dass dieses "Richtlinienprojekt keine einzige der erwarteten Präzisionen zu den Begrenzungen und Anforderungen der Patentierbarkeit bringt", wie er es in seinem Brief an die EU-Kommissare Errki Liikanen und Frits Bolkestein formuliert.

Frankreich verlangt eine vollständige Bilanz des bisherigen europäischen Umgangs mit Softwareinnovationen, die seltsamerweise noch nicht erstellt wurde. Vom Eurolinux-Kollektiv wird dies schon seit Jahren gefordert. Sie würde vielleicht zeigen, dass die vorliegende EU-Richtlinie ohnehin nicht von Nöten ist. Denn trotz der bislang in der EU geltenden Unpatentierbarkeit von "Programmen für Datenverarbeitungsanlagen als solche", sind beim europäischen Patentamt (EPA) in den letzten 15 Jahren über 30.000 Softwarepatente anerkannt worden. Ein kleiner Trick war dabei behilflich:Aauch wenn Computerprogramme als solche derzeit nicht patentierbar sind, so sind sie es doch, wenn sie in komplexere Systeme integriert sind. "Der Betrieb einer Waschmaschine durch eine Software kann patentiert werden", wie der EPA-Direktor, Winfried Schmid der Tageszeitung Libération erklärt.

Diese in Europa praktizierte Mischung aus Urheberrecht und eingebautem Hintertürchen zu Softwarepatenten scheint jedenfalls bislang für genügend "Rechtssicherheit und leichtem Zugang zum Markt" gesorgt zu haben. So sieht es jedenfalls die Eurolinux-Allianz, welche in der etwas unausgegorenen EU-Richtlinie vor allem eine Tendenz erkennen möchte: In Europa Softwarepatente amerikanischer Prägung zu legalisieren. Laut dem Kollektiv zitiert die neue Direktive als einzige Informationsquelle eine Studie der amerikanischen "Business Software Alliance" (BSA), die der Softwarepiraterie den Kampf angesagt hat und von Microsoft und anderen US-Unternehmen dominiert werde. Die EU-Direktive für softwaregestützte Erfindungen sei augenscheinlich von einem BSA-Angestellten verfasst worden.

Das Patent, wirksamste Waffe gegen unliebsame Konkurrenz?

In einer im April 2001 fertiggestellten Studie der renommierten Pariser Hochschule für Technik "Ecole des Mines", analysierte deren Innovationsdirektor Yean Michel Yolin die Gefahren, die Softwarepatente "à l'américaine" für die europäische IT-Branche mit sich bringen könnten. Sie dürfte dem Industrieministerium wohlbekannt sein, ist doch die Hochschule direkt Christian Pierret unterstellt.

Die in den USA derzeit reichlich ausgeschöpfte Praxis von Softwarepatentierungen hat laut Yolin zu nichts anderem geführt, als dass sie "die Innovation abwürgt, indem das Terrain für Neuankömmlinge in der Branche vermint wird". Die Flut von "Junkpatenten", die tagtäglich deponiert werden - sprich Patente, die sich nicht durch besondere erfinderische Qualitäten auszeichnen -, diente vorwiegend dazu, das Heer von Patentanwälten mit reichlich Arbeit zu versorgen. So hat alleine Microsoft mehr Anwälte auf seiner Gehaltsliste stehen, als Yahoo Mitarbeiter zählt!

Und das nicht ohne Grund: Die amerikanische Patentierungswut diene vor allem dazu, mögliche neue Konkurrenz im Keime zu ersticken, indem erfahrungsgemäß finanziell schwachbrüstige kleinere Unternehmen mit Prozessen eingedeckt oder zumindest bedroht würden. Da so ziemlich alles patentiert wird, das nur einen Hauch von Erfindungsgeist enthält, lässt sich immer das passende Patent finden, um einen Marktneuling mit kostspieligen Gerichtsprozeduren zu verschrecken.

Für Yolin ist es vor allem die freie Software, die den amerikanischen Marktleadern wie ein Dorn im Fleische steckt: Er zitiert eine interne Strategienotiz eines nicht genannten Softwaregiganten, dass "die Anwendung der Patente, um das Aufkommen von freier Software zu bekämpfen, ins Auge gefasst werden muss". Des weiteren warnt Yolin vor der für die IT-Branche viel zu langen Gültigkeitsdauer von Patenten: 20 Jahre entsprächen keinesfalls der Dynamik im Bereich der Softwareentwicklung, wo die Innovationszyklen viel eher im 3- Jahres-Rhythmus ablaufen würden.

Frankreich hofft derweilen auf tätige Unterstützung von Seiten Großbritanniens und Deutschlands, um die vorgeschlagene EU-Direktive den Vorstellungen der Grande Nation anzupassen. Bei ersteren wird man wohl wenig Glück haben, da England und Irland sich bislang wenig überraschend als Verfechter des amerikanischen Modells positioniert haben. Bei Deutschland allerdings wähnt man sich auf der "gleichen Wellenlänge". Die Frage um die Softwarepatente ist interessanterweise zu einem Wahlkampfthema geworden: So ziemlich alle Präsidentschaftskandidaten haben sich vehement dagegen ausgesprochen. Um ihrer Wahlkampagne einen jungen und dynamischen Anstrich zu geben? Aber man weiß ja, was mit Wahlversprechen in der Regel geschieht ...