The Empire is back

Britischer Diplomat fordert einen "neuen liberalen Imperialismus"

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Der britische Diplomat Robert Cooper war bis vor kurzem persönlicher außenpolitischer Berater Tony Blairs und ist kürzlich zu einem Posten im Außenministerium gewechselt. In einem Essay, der zunächst vom einflussreichen außenpolitischen Think Tank Foreign Policy Centre veröffentlicht wurde, redete er einem neuen Imperialismus das Wort, was zunächst kaum auffiel. Als der Essay dann auch im Observer veröffentlicht wurde, brach jedoch eine heiße öffentliche Diskussion aus.

Während man bedenken sollte, dass Cooper hier seine Meinung in Privateigenschaft abgibt, so handelt es sich doch um einen seltenen Blick durchs Schlüsselloch auf britische strategische und außenpolitische Überlegungen, die das traditionell zugeknöpfte Foreign and Commonwealth Office sonst nur hinter geschlossenen Türen anstellt.

Einem historischen Abriss, in dem er auf die Grundprinzipien des Staatenmodells zurückblickt, lässt Cooper Worte über sein favorisiertes Organisationsmodell folgen: Die EU. Nur in der Europäischen Gemeinschaft seien Verhältnisse am Werk, die in der gegenwärtigen Zivilisationsstufe für Frieden und Wohlstand zu sorgen im Stande sind. Als primäre Eigenschaft nennt er "gegenseitige Transparenz", die ständig verfügbare Option, sich gegenseitig ins zentrale Nervensystem zu schauen, ohne den Zugang zu missbrauchen. Schließlich seien die Zeiten des Empires längst vorüber, postmoderne Staaten wollen heutzutage einfach keinen Krieg mehr führen. Moderne und prä-moderne Staaten seien hingegen weit weg von diesem Zustand und stellen nicht zu letzt deshalb eine Bedrohung dar. Als moderne Staaten hat er China, Indien und Pakistan eingestuft. Schnell könnten sie zu atomaren Risikofaktoren erwachsen. Wie mit ihnen umzugehen sei, steht für Cooper außer Frage.

"Die neue Herausforderung für die postmoderne Welt besteht darin, sich an die Idee zu gewöhnen, dass Doppelmoral zum Alltag gehört. Innerhalb der postmodernen Welt können alle beteiligten Akteure auf der Basis von in gemeinsamen Beschlüssen abgesegneten Gesetzten und einer offenen kooperativen Sicherheit miteinander in Eintracht leben. Aber wenn man es mit altmodischeren Systemen außerhalb des postmodernen Kontinents Europa zu tun bekommt, müssen wir auf die rauheren Methoden einer früheren Ära zurückgreifen: Gewalt, Präventivschläge, Betrug und was immer notwendig wird, um mit denen, die noch immer im 19. Jahrhundert leben, zurecht zu kommen. Innerhalb der postmodernen Welt halten sich alle beteiligten Akteure an das Gesetz, doch wenn man den Operationsradius in den Dschungel verlegt, dann gelten auch die Gesetzte des Dschungels."

In die letzte Kategorie fallen große Teile des Erdballs: Tschetschenien, Burma, Somalia, Teile von Südamerika und alle Länder, die maßgeblich an der Drogenherstellung beteiligt sind. Für sie hat er noch bessere Massnahmen ins Auge gefasst:

"Was wir brauchen ist eine neue Form des Imperialismus, der in der Welt der Menschenrechte und kosmopolitischer Werte akzeptabel ist. Seine Gestalt lässt sich bereits umreißen: Ein Imperialismus, der, wie alle Imperialismen sich zur Aufgabe gemacht hat, für Ordnung und Organisation zu sorgen und gleichzeitig auf dem Prinzip der Voluntarismus beruht. Postmoderner Imperialismus kann zwei Formen annehmen:

Zunächst gibt es den freiwilligen Imperialismus der globalen Ökonomie. Dieser wird üblicherweise von einem internationalen Konsortium durch internationale Finanzinstitutionen wie den International Monetary Fund oder die World Bank betrieben - charakteristisch an dieser Spielart des neuen Imperialismus ist, dass er multilateral ist. Die genannten Institutionen stellen Unterstützung für Staaten zur Verfügung, die ihren Weg zurück in die globale Ökonomie und den tugendhaften Zirkel von Investment und Prosperität finden wollen.

Die zweite Form des postmodernen Imperialismus könnte man einen Nachbarschafts-Imperialismus nennen. Instabilität innerhalb der Nachbarschaft stellt eine Bedrohung dar, die kein Staat ignorieren kann. Misswirtschaft, ethnische Gewalt und Verbrechen auf dem Balkan stellt für Europa eine Gefahr dar. Die erste Antwort darauf war so etwas wie ein ehrenamtliches UN-Protektorat in Bosnien und Kosovo zu installieren."

Obwohl die USA bei Coopers Abrechnung nicht ganz ungescholten davon kommen, versteht es sich von selbst, dass die Intervention in Afghanistan vollends von seinen Konzepten legitimiert wird. Im Observer-Forum ist jedenfalls eine heiße Debatte über seine Ausführungen entbrannt. Ein Leitartikel im Guardian bezeichnet die Ausführungen - und die Tatsache, dass sie von jemandem kommen, der das Ohr des Premierministers hat - als "ungewöhnlich und gefährlich [...] Herr Cooper hat sich als politischer Brandstifter betätigt".