Alter Wein in neuen Schläuchen

Vom Cesid zum CNI: Spaniens Geheimdienst wird reformiert

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Der spanische Militärgeheimdienst "Cesid" wird durch das Nationale Geheimdienstzentrum (CNI) ersetzt. Das Gesetz zur Umwandlung regelt eine enge Kooperation mit den US-Geheimdiensten, übergibt dem CNI polizeiliche Aufgaben und legalisiert durch Begriffe wie "neutralisieren" den "schmutzigen Krieg", in den Cesid verwickelt.

Mitte März wurde die Umwandlung des Cesid in den neuen CNI beschlossen. Obwohl die regierende konservative Volkspartei (PP) vor ihrem Wahlsieg 1996 schon dessen Reform versprochen hatte, war fast sechs Jahre nichts geschehen. Damals hieß es, eine Reform sei nötig, da der Geheimdienst in eine Serie von Skandale verwickelt sei. Tatsächlich hatte der sozialistische Vorgänger den Cesid angewiesen, eine "wirksame" Strategie auszuarbeiten, die später als "schmutziger Krieg" gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung bekannt wurde und mehreren Dutzend Menschen das Leben gekostet hatte. Doch die Reform war nach dem Wahlsieg schnell vergessen. Eine Legislaturperiode später ging es der PP, ohne dass etwas passiert wäre, nur noch um Modernisierung und mehr Effizienz.

Es dauerte bis zum Juli 2001, als an "die Spitze des wichtigsten Geheimdienstes seit seiner Gründung 1977 erstmals eine Zivilperson" gestellt wurde, wie die Zeitung El Pais schrieb. Zum neuen Chef wurde der 55jährige Jorge Dezcallar bestimmt, damals noch Botschafter in Marokko und "Spezialist für den Maghreb und Mittleren Osten, zwei wichtigen Zonen des Cesid". Der Ex-Sonderbotschafter für Sicherheit stand allerdings stets in engem Kontakt zum Geheimdienst.

Das plötzliche Handeln von Ministerpräsident José María Aznar hing direkt mit dem Besuch von US-Präsident George Bush zusammen, der im Juni des letzten Jahres seinen Antrittsbesuch in Europa in Spanien begonnen hatte. Dabei versprach Bush den Spaniern "technische Hilfe" zur Bekämpfung der ETA und die "Kommunikationsüberwachung" von deren Aktivitäten. Der Einsatz des Spionagenetzwerks Echelon wurde dabei "weder bestätigt noch dementiert" (Mit Echelon gegen ETA?).

Seither herrscht reger Austausch zwischen beiden Regierungen, Geheimdiensten und Polizeien, der seit dem 11. September erst so richtig in Schwung gekommen ist. So bemühen sich Computerspezis des FBI seit Monaten in Spanien darum, verschlüsselte Dateien zu knacken, die auf Computern mutmaßlicher ETA-Mitglieder gefunden wurden. In Schwung kommt nun auch die Reform des Cesid, um die Vereinbarungen mit den USA auch gesetzlich abzusichern. Schon im Oktober hatte das Kabinett zwei diesbezügliche Gesetzesinitiativen in den Händen. Alle Einsprüche - sechs die sich komplett gegen die Gesetze richteten und 172 gegen einzelne Artikel - wurden eilig in nur einem Tag abgehandelt.

Für CNI wird die "Kooperation mit Geheimdiensten anderer Länder" ebenso hervorgehoben wie die "Erlangung, Untersuchung und Interpretation von Signalen, die von strategischer Bedeutung sind". Überdies muss der CNI nicht darüber Auskunft geben, woher er seine Informationen bezieht. Dadurch kann auch die Nutzung von Echelon durch Spanien ermöglicht werden.

Legalisiert wurde in der vergangenen Woche offiziell auch die Anwesenheit von US-Diensten in Spanien und deren Zugriff auf Daten der Geheimdienste, Polizeien und Parkamilitärs ist (Spanien öffnet sich offiziell US-Geheimdiensten). Wenig glaubhaft ist, dass die USA den Spaniern außer Versprechen nichts liefern. So muss man davon ausgehen, dass die gezielte Überwachung der Kommunikation in Spanien und Frankreich über Echelon durchgeführt wird.

Gelernt haben die Spanier von den USA, Echelon zu verneinen, und fallen so der EU in den Rücken. Der "Gemischten Gruppe" im Madrider Kongress, der auch die Teilnahme im Kontrollausschuss der Geheimdienste verweigert wird, wurde nach einer Anfrage im Oktober Ende März lapidar erklärt: Das Ministerium für Verteidigung habe kein Abkommen über die Nutzung von Echelon mit den USA. "Die Existenz dessen ausgeschlossen, ergibt sich logisch, dass eine Antwort unnötig ist." Dabei hatte Begoña Lasagabaster nicht nach Echelon gefragt, wie falsch behauptet wird, sondern nach dem Datenschutz, und welche parlamentarische und juristische Kontrolle über die Verwendung empfangener Daten bestehen. Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Dass die oppositionellen Sozialisten dem Gesetz zugestimmt haben, verwundert nicht. Das Gesetz legitimiert gewissermaßen postum deren "schmutzigen Krieg" gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung, die sie mit Hilfe des Cesid entfaltet hatte. Denn fortan hat der Geheimdienst die Aufgabe, "die Aktivitäten, Gruppen oder Personen zu neutralisieren, welche die konstitutionelle Ordnung, die Souveränität, sowie die Einheit und die Sicherheit des Landes bedrohen, gefährden oder dagegen verstoßen." Abhörmaßnahmen und das Eindringen in Wohnungen kann in "speziellen" Fällen auch ohne vorherige richterliche Erlaubnis geschehen.

So verwundert es auch nicht, wenn sich an der Spitze des Cesid, abgesehen von der Einsetzung von Dezcallar, nichts geändert hat. Dass der Putschist vom 23. Februar 1981, José Luis Cortina, am Weihnachtsempfang des Cesid unter dem ersten zivilen Leiter teilgenommen hat, zeigt deutlich, dass dies auch im CNI so bleiben wird. Schließlich gehört seit dem 11. September auch der "schmutzige Krieg" zum US-Repertoire.