Europarat verschärft Kampf gegen Rassismus im Netz

Ein Zusatzprotokoll zum Cybercrime-Abkommen, mit dem das Verbreiten und Zugänglichmachen von fremdenfeindlichen Materialien - auch durch Links - unterbunden werden soll, steht vor der Beschlussreife

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Still und leise hat das Expertenkomitee des Europarats "zur Kriminalisierung von Akten rassistischer und fremdenfeindlicher Natur, die durch Computersysteme begangen werden" (PC-RX), am Freitagmittag die elfte und voraussichtlich abschließende Version des ersten Zusatzprotokolls zur Cybercrime-Konvention ins Web gestellt (Die wundersame Vermehrung der Zusatzprotokolle). Die Verfasser hatten sich als Ziel gesetzt, die Meinungsfreiheit nicht ungebührlich zu beschränken, gleichzeitig aber gegen Hassparolen im Netz mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der internationalen Verbrechensbekämpfung vorzugehen. Doch selbst Sammlungen von Links auf extremistische Webseiten sollen nun verboten werden.

Besorgt ist der Europarat vor allem über die "modernen und mächtigen Mittel", mit denen das Internet "gewisse Personen" bei der leichten Verbreitung rassistischen Gedankenguts unterstützt. Das Protokoll, dessen Kernvorschriften auf Druck von Staaten wie den USA von der im November gezeichneten Hauptkonvention ausgeklammert worden waren, will nun zum einen die 43 Mitglieder des Staatenbundes und weitere angeschlossenen Industrienationen zur Vereinheitlichung ihres Strafrechts im Bereich Rassismusbekämpfung im Internet bringen.

Zum anderen sollen die substanziellen Kooperationsvorschriften des Cybercrime-Abkommens, die die gemeinsame Rechtshilfe, Befugnisse zum Abhören der Netzkommunikation in Echtzeit und die Speicherung von Verbindungsdaten betreffen, auch gegen Hetzer und Holocaust-Leugner angewendet werden dürfen. Die Zeitplanung ist straff: Anfang Juni soll das Protokoll vom übergeordneten Cybercrime-Komitee des Europarats verabschiedet und noch in diesem Jahr zur Unterzeichnung geöffnet werden.

Unter "rassistischem oder fremdenfeindlichem Material" verstehen die Experten "alle geschriebenen Inhalte, alle Bilder oder alle anderen Darstellungen von Gedanken und Theorien, die Hass Diskriminierung oder Gewalttaten gegen Einzelne oder eine Gruppe aufgrund von Rasse, Hautfarbe, nationalen oder ethnischer Abstammung befürworten, für gut heißen oder dazu anstacheln".

Die Verbreitung derlei Äußerungen über Computernetzwerke sollen die Unterzeichner des Protokolls unter Strafe stellen, sofern es "absichtlich und ohne Recht" erfolgt. Ein kleines Schlupfloch lässt die Neufassung des Vertragszusatzes aber für Länder, die der Redefreiheit einen hohen verfassungsmäßigen Rang einräumen: So müssen sie diesen Paragraphen nicht umsetzen, wenn sie "aufgrund bestehender Prinzipien ihres nationalen Rechtssystems im Bereich Meinungsfreiheit keine effektiven Hilfsmittel zur Verfügung stellen können."

Gegen die kriminelle Bedrohung und die öffentliche Verunglimpfung von Personen oder Gruppen mit rassistischem oder extremistischem Hintergrund sollen dagegen alle Beitrittsparteien verbindlich vorgehen. Genauso wie gegen das öffentliche "Verbreiten" oder "Zugänglichmachen" von Material, "das Akte des Völkermords oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, stark herunterspielt, für gut heißt oder rechtfertigt." Das soll sich nicht nur auf den Holocaust beziehen, sondern auch auf Genozide, die von Internationalen Gerichtshöfen nach 1945 bestätigt wurden.

Das "Zugänglichmachen" bezieht sich dabei, wie die Begründung des Protokolls ausführt, auch auf das "Zusammenstellen von Hyperlinks, um den Zugang zu solchen Materialien zu erleichtern." Keine Strafbarkeit soll generell nur dann gegeben sein, wenn Interessen der Forschung oder der Strafverfolgung nachgewiesen werden können. Zumindest unklar wäre damit aber erneut, ob Linksammlungen wie die des Nazi-Gegners Burkard Schröder auf rechte Seiten noch möglich wären.

Etwas vage bleiben auch die neu eingefügten Bestimmungen zur Stellung von Zugangsanbietern. Unter den Ausführungen soll ein "Service-Provider" laut Begründung zwar "nicht haftbar sein", wenn er "als Durchgangsstation dient oder eine Website oder eine Newsgroup mit solchem Material bereit hält, ohne die erforderliche Absicht unter nationalem Gesetz in diesem Fall." Der Begriff "Absicht" werde aber nicht näher definiert, monierte ein Sprecher der European Internet Services Providers Association in einer ersten Stellungnahme gegenüber Telepolis. So bliebe offen, ob die Anbieter nach einer Aufforderung zum Blockieren von Websites durch Behörden wie im Fall Büssow nun absichtlich rassistisches Material verbreiten würden oder nicht. Klar stellt der Protokollentwurf nur, dass "ein Service-Provider nicht verpflichtet ist, Leitungen zu überwachen."