Crash im Asteroidengürtel

Kollision von Asteroiden führte vor 5,8 Millionen Jahren zur Geburt einer planetoiden Großfamilie

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US-Astronomen haben jüngst im Asteroidengürtel 39 Planetoiden ausgemacht, die offensichtlich allesamt zu ein der derselben Familie zählen, also gleicher Herkunft sind. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von Nature berichten, gelang es ihnen, die Bahnen der Himmelskörper zurück zu berechnen, die kosmische Katastrophe zu datieren und dabei noch jede Menge andere Daten zu gewinnen. Selbst eine Raumfahrtmission in den Asteroidengürtel scheint jetzt möglich.

Dora-Asteroidenfamilie. Bild: David Nesvorny

Eigentlich erfreuen sich Asteroiden bei den meisten Astronomen der "optischen" Fraktion keiner allzu großen Beliebtheit. Denn einerseits sind diese im sichtbaren Licht nur schwer zu beobachten, da sie die schwach einströmende Sonnenstrahlung nur zu zwei bis vier Prozent reflektieren und den Rest gänzlich absorbieren. Andererseits bewegen sich derlei Himmelskörper viel schneller als Sterne und verunstalten demzufolge häufig mit ihren strichförmigen Leuchtspuren lange belichtete Himmelsaufnahmen.

Brockenreicher Asteroidengürtel

Erfreulich hingegen ist aber immerhin die Tatsache, dass die meisten von ihnen sich gottlob fernab der Erde im Asteroidengürtel tummeln, jener gesteins- und metallbrockenreichen Zone, in der jüngsten Schätzungen zufolge zwischen 1,1 und 1,9 Millionen Kleinplaneten driften sollen. Nur selten kommt es vor, dass sich aus dem zwischen den Planeten Mars und Jupiter eingebetteten Asteroidengürtel, der sich in einer zwischen 300 und 495 Millionen Kilometern von der Sonne entfernten Zone erstreckt, einige Irrgänger verabschieden, um der Erde ihre Aufwartung zu machen.

Der mit Planetoiden reichlich gesegnete Gürtel entstand vor 4,6 Milliarden Jahren zu einer Zeit, als nicht "alle" Materie den Sprung in die planetare Selbstständigkeit schaffte. Anstatt als stattlicher kugelförmiger und halbwegs großgewachsener Planet den Heimatstern zu bezirzen, fand sich die "Rest-Materie" als höchst unförmiges und recht klein geratenes Gebilde wieder: eben als Asteroid.

Vagabundierende Familie mit 39 Mitgliedern

Dass dies bis auf den heutigen Tag so geblieben ist, bedingt die enorme Schwerkraft des größten Planeten unseres Sonnensystem: Jupiter beeinflusst mit seinem Schwerefeld die Asteroiden, wirft die kleinen Vagabunden aus ihrer Bahn und beschleunigt dieselben, was zur Folge hat, dass die Planetoiden sich nicht zu einem größeren Gebilde verdichten können, sondern vielmehr mit enormer zerstörerischer Kraft miteinander kollidieren und dabei neue "Asteroidenfamilien" bilden, die aus Fragmenten bestehen, die chemisch identisch sind und sich auf ganz ähnlichen Umlaufbahnen befinden.

Asteroid Gaspra: Bild: Nasa

Jetzt haben US-Wissenschaftler vom Southwest Research Institute in Boulder/Colorado unter der Leitung von David Nesvorny in Nature berichtet, dass sie eine solche im Verbund vagabundierende kosmische Familie aufgespürt haben, die immerhin 39 Mitgliedern aufweist.

Mit einem Alter von "nur" 5,8 Millionen Jahren zählt der aus 39 Asteroiden-Bruchstücken bestehende Trümmerhaufen namens Karin-Cluster zu den jüngsten bisher entdeckten seines Genres. Und wie es sich für eine waschechte Familie gehört, kann die felsige Sippschaft sogar mit einem Elternpaar aufwarten. Während die "Mutter" namens 832 Karin (daher der Name 'Karin-Cluster'), einen Durchmesser von 19 Kilometer hat, bringt es der Vater 1990 (4507) immerhin auf stolze 14 Kilometer.

Anders als die irdischen Vertreter des Homo sapiens sapiens auf Mutter Erde haben beide astralen Objekte aber ein und dieselbe Mutter. Denn nach Berechnungen der Forscher wurden sie dereinst, nachdem ein zirka drei Kilometer großer Körper mit dem "Mutter-Asteroiden" kollidierte, aus dem mindestens 25 Kilometer großen Kleinplaneten herausgesprengt.

Zwischen Simulation und Extrapolation

Bei ihren Berechnungen simulierte und extrapolierte das Forscherteam (William F. Bottke Jr, Luke Dones & Harold F. Levison, Boulder/Colorado) unter Berücksichtigung der Gravitation der vier äußeren Riesenplaneten die Entwicklung der Umlaufbahnen in der Vergangenheit. Ausgehend von der Prämisse, dass jene Objekte im Asteroidengürtel, die einen gemeinsamen Ursprung haben, dazu neigen, einen verwandten Orbit zu haben, konnten die Forscher mittels der gegenwärtigen Bahnen der Gesteinsbrocken nicht nur das Alter der Familie feststellen, sondern auch ermitteln, dass sich deren Bahnen seit der Kollision kaum geändert haben.

Doch mit den gewonnenen Daten, wie etwa mit der Größe des Mutterasteroiden und der nach der Kollision entstandenen Fragmente, können die Forscher extrapolieren und via Computer visualisieren, in welcher Intensität bei solchen Prozessen Stein und Fels zerschmettert werden. "This event may teach us about how asteroid material breaks up when an energetic impact and explosion occurs", so Nesvorny.

Anders sieht dies bei Kollisionen aus, die noch vor viel längerer Zeit zur Bildung von Asteroidenfamilien beigetragen haben. Hier können die Forscher weder Informationen über die Ursprungskörper erhalten noch die Verwandtschaft durch spätere Kollisionen oder unberechenbare Vorkommnisse eindeutig bestimmen. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Gruppe als Mitglieder ein und derselben Familie ausgemacht wird.

Immerhin können die Forscher mittels einer Spektralanalyse in absehbarer Zeit die Oberflächenstruktur der beiden großen Fragmente studieren und dabei klären, woraus Asteroiden genau bestehen und wie schnell die Verwitterung im Weltraum deren pockenartiges, von Kratern geprägtes Aussehen prägt, und wie häufig Asteroiden von noch kleineren Kollegen getroffen werden.

Bei alledem ist der Fund deshalb so bedeutsam, weil es bislang noch keinem Astronomen gelang, eine Kollision im Asteroidengürtel so präzise zu datieren. Für Derek Richardson von der University of Maryland rückt die Karin-Familie damit in den Mittelpunkt des Interesses von Asteroidenforschern. Die Mitglieder der Karin-Familie sind deshalb "ein verlockendes Ziel für Raumsonden", sagt Team-Mitglied Derek Richardson von der Universität Maryland. "Wir könnten hier das frische Innere eines Asteroiden studieren - wie ein Geologe, der mit seinem Hammer einen Felsbrocken aufschlägt."