Büssow und die CSU

Für seine Versuche, das Internet zu zensieren, erhält der nordrhein-westfälische Regierungspräsident Büssow Schützenhilfe gegen die eigenen Genossen von der CSU

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Einen kleinen Rückzug scheint derzeit die nordrhein-westfälische Bezirksregierung in Sachen Internetzensur vorzunehmen. Nachdem Regierungspräsident Büssow eine Sperrungsverfügung gegen Internetprovider verordnet hat, um zwei Websites auf amerikanischen Servern mit rechtsextremistischen Inhalten für die Internetnutzer des Landes unzugänglich zu machen, soll jetzt offenbar stärker auf Selbstregulierung der Provider gesetzt werden. Das ist der CSU aber zuviel der Anpassung.

Der nordrhein-westfälische Regierungspräsident will eine Lanze brechen für die Zensur im Internet. Was in Deutschland verboten ist, muss dies zwar nicht im Ausland sein, aber deutsche Internetbenutzer sollen zumindest auch keinen Zugriff darauf erhalten. Es geht also um ein Internet, das nationalstaatlich reguliert wird, also im Prinzip in nationale Enklaven zerfällt, deren Bürger nur Zugang auf das haben sollen, was in ihrem Land erlaubt ist. Um das zu erreichen, sollen nach Ansicht von Büssow die Internetprovider eines Landes entsprechende Blockierungen von ausländischen Websites einrichten, um so auch im Internet die nationale Gesetzgebung zwangsweise zu verwirklichen.

Herausgepickt wurden von Büssow für die medienwirksame Demonstration, auch im weiten wilden Web für Recht und Ordnung zu sorgen, zunächst ein US-Provider für rechtsextreme und rassistische Websites, den es mittlerweile gar nicht mehr gibt, sowie rotten.com, eine Website, die vornehmlich Bilder zeigt, die schrecklich oder abstoßend sind. Schließlich sattelte man für die Sperrungsverfügung auf die rassistische Website stormfront.org und auf die Website des Neonazi Lauck um. Die Provider sollten Anfragen auf diese Websites umlenken oder den Zugriff auf deren IP-Adressen sperren. Diese Sperrungen seien technisch möglich und zumutbar, und überdies auch im Hinblick auf die Verfassungsrechte verhältnismäßig.

Die beiden inkriminierten Sites sollen jedoch nur Präzedenzen schaffen. Nach Meldungen sieht Büssow Bedarf für die Sperrung von bis zu 6.000 Websites. Vorreiter wollte die Bezirksregierung auch mit der Förderung neuer Sperr- und Filtertechniken spielen. Damit kam man allerdings bislang nicht weit (Filter - Klappe, die Erste). Weil man aber selbst aus den eigenen Reihen Kritik erfuhr, scheint Büssow jetzt vor staatlichen Regulierungsmaßnahmen erst einmal zurückzutreten. Die Access-Provider werden zu mehr "Selbstregulierung" aufgefordert, und das wird nicht nur rechtlich, sondern von Büssow vor dem Unterausschuss "Neue Medien" des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages auch wirtschaftlich begründet: "Es sei durchaus förderlich für den Provider-Standort Nordrhein-Westfalen, so führte Büssow vor dem Unterausschuss aus, wenn Access-Provider ebenso wie Content-Provider freiwillig ausländische rechtsextremistische Internet-Angebote sperren, sobald sie davon Kenntnis erhielten", liest man in der Presseerklärung.

Wie eine Selbstregulierung im voreilenden Gehorsam aber verhindern könnte, dass nicht nur rechtmäßig verbotene, sondern auch andere Inhalte gesperrt würden, hört man vom Regierungspräsidenten nicht. Mit gleichem nationalen Recht können denn auch totalitäre Staaten wie China oder Saudi-Arabien den Zugriff ihrer Bürger auf "verbotene", also politisch unerwünschte Seiten im Ausland verhindern, ohne dies noch kritisieren zu können. Das Internet, das jetzt noch, trotz aller problematischen Inhalte, eine demokratisierende Wirkung besitzt, solange auch die "freien" demokratischen Staaten dies zulassen, könnte dann schnell in jeweils staatskonforme Inseln auseinanderbrechen.

Doch Büssow, auch in Kritik von eigenen Parteigenossen wie Jörg Tauss, dem bildungs- und forschungspolitischen Sprecher und dem Beauftragten für Neue Medien der SPD-Bundesfraktion geraten, holte sich Beistand von der SPD-Europaabgeordneten Karin Juncker, die ausdrücklich bestätigt habe, "dass ein Vorgehen gegen Access-Provider zur Sperrung rechtsextremistischer Internet-Angebote aus dem Ausland rechtens sei". Damit will man sich gegen angebliche Falschmeldungen wehren, die unter anderem auch Telepolis verbreitet habe (Europäisches Parlament gegen Webseitensperrungen): "In Pressemitteilungen und Veröffentlichungen des eco-Forums, des Computer-Chaos -Clubs und des heise/telepolis-Forums wurden die sich aus dem Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments ergebenden Tatsachen auf den Kopf gestellt. Die Behauptung , das europäische Parlament habe sich gegen das Vorgehen der Bezirksregierung Düsseldorf gegen die Access-Provider ausgesprochen, weil es kontraproduktiv sei und schädliche Nebenwirkungen habe, ist falsch."

Tauss hatte Büssow in ziemlich scharfem Ton in einer Pressemitteilung geraten, seinen "einsamen privaten Kreuzzug gegen das Böse in der Welt" und die "Internet-Infrastruktur" einzustellen. Wer heute 6.000 Seiten filtern wolle, könne morgen durchaus 6 Millionen von den Bürgern des eigenen Landes fernzuhalten versuchen. Mit den Sperrungen würden die Internetprovider zu "Hilfspolizisten", die Sperrungsverfügung sei lediglich ein "symbolischer Akt", um politische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, da technisch die Sperren leicht zu umgehen seien. Tauss warnt vor einer "zentralen Internetkontrolle", was sicherlich gewichtiger ist als die Frage, ob Sperren technisch tatsächlich den Zugriff in allen Fällen verhindern können.

Auffällt allerdings, dass bislang eine Diskussion darüber fehlt, warum möglicherweise nationales Recht und Meinungsfreiheit im Internet, das (noch) eine globale Öffentlichkeit ermöglicht, nicht unbedingt konform gehen müssen, also dass der vielfach strapazierte Spruch, dass das, was offline in den nationalen Grenzen verboten ist, auch online verboten sein sollte, für eine Politik der offenen Gesellschaft nicht zwangsweise gültig sein muss. Gemeinhin sagt man dann, dass es "keine rechtsfreien Räume" geben soll. Noch hätten die demokratischen Staaten, die auf Meinungsfreiheit setzen, auch die Möglichkeit, mit einer größeren, wenn auch schwierigen Offenheit die Durchsetzung einer globalen Demokratisierung zu fördern. Wird selbst eine zentrale Zensur von Inhalten nach nationalem Recht eingeführt, ließe sich aber diese Praxis kaum mehr von Staaten wie Nordkorea, Saudi-Arabien, Irak, Burma oder China abgrenzen, die ganz genauso argumentieren können.

Aber wir sind im Wahlkampf und daher erfährt der Kämpfer für die Zensur oder für das deutsche Internet Beistand auch von der CSU, die hier einen Wettbewerbsvorteil wittert. Als "völlig unverständlich" bezeichnet Martin Mayer, der technologie- und medienpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und Mitglied des Unterausschusses für Neue Medien, die Kritik von rot-grünen Abgeordneten am Sperrungswillen der Bezirksregierung: "Die Zugangssperrung gesetzlich ohnehin verbotener Inhalte im Internet braucht volle politische Unterstützung, auch wenn sie technisch noch unvollkommen ist. Der Regierungspräsident von Düsseldorf, Jürgen Büssow, hat mit seiner entsprechenden Verfügung gegenüber Internet-Zugangsprovidern einen wichtigen Schritt zur Eindämmung des groben Missbrauchs des Mediums Internet unternommen." Es müsse "jeder Ansatz" zur Bekämpfung der "verbotenen rassistischen, gewaltverherrlichenden und menschenrechtsverletzenden Inhalte" verfolgt werden (siehe auch "Regierungsbezirk Düsseldorf contra Globalisierung").

Spricht Mayer nicht nur für die CSU, sondern auch für den CSU-Kanzlerkandidaten, so lässt sich aus diesen Äußerungen auch die Position der möglichen neuen Bundesregierung erahnen. Dass Zensur nicht ein wirkliches Bekämpfen unerwünschter Inhalte darstellt, sondern lediglich ein letztes Mittel, sollte aber sowohl der nordrhein-westfälischen Bezirksregierung als auch der CSU klar sein. Und dass nationale Alleingänge, die in das Internet die territorialen Grenzen einführen wollen, der Sache einer freieren und demokratischeren Welt einen Bärendienst erweisen, sollte Politikern auch in Wahlkampfzeiten bewusst sein.

Die Grenzen für Menschen und Daten dicht zu machen, scheint gegenwärtig aber opportun zu sein. Die Fragmentierung der ansatzweise entstandenen globalen Öffentlichkeit würde möglicherweise aber auch die Chancen für Taliban-ähnliche Regimes wieder wachsen lassen. Das Taliban-Afghanistan hatte bekanntlich gleich die Benutzung des Internet unterbunden, da hier zuviel des Verbotenen ins Land gelangen könnte.