Falange bereitet schmutzigen Krieg gegen Basken vor

Update: Offenbar sollen in Spanien wieder Todesschwadronen geschaffen werden

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Die Basken stehen vor einer neuen Etappe des schmutzigen Krieges. Brandanschläge auf Lokale der Linken und zerstochene Autoreifen sind ohnehin üblich, doch nun scheint die Falange auch tödliche Angriffe vorzubereiten. Das legen Dokumente und Bilder nahe, die von der linken Monatszeitschrift "Kale Gorria" am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vorgelegt hat.

Foto aus einem Falange-Video, das von Kale Gorria gezeigt wurde

Die Angaben von Kale Gorria sind präzis. Drei Kommandos der rechtsradikalen spanischen Organisation, die noch aus der Franco-Diktatur stammt, agieren "mit Unterstützung der Sicherheitskräfte des Staates". 35 Basken stünden auf ihren Listen. Mit Bildern werden Schießübungen bei Ausbildungscamps der Falange dokumentiert. Die paramilitärische Guardia Civil leiste "logistische Unterstützung". Die Verbindung mit den Rechtsradikalen gewährleiste ein Mitglied des Geheimdienstes der Guardia Civil, der den Decknamen "Manu" hat. Manu sei in Madrid stationiert, komme aber oft in die Kaserne von La Salve in Bilbao, wo er einen eigenen Telefonanschluss hat, wie dokumentiert wird.

Die Aufgaben der Kommandos wird durch handschriftliche Skizzen belegt, in denen die Infiltration in die linke Unabhängigkeitsbewegung, Anschläge gegen Gebäude und nun auch die Eliminierung des Gegners aufgeführt sind. In der Organisation befinden sich auch Mitglieder der in Spanien regierenden Volkspartei (PP), z.B. Gonzalo de la Peña Gumizio, der auf dem Listenplatz drei bei den Wahlen 1999 in der Gemeinde Gorliz kandidiert hat. Ein Bild belegt dessen Teilnahme an den Schießübungen und ein weiteres die Teilnahme an Versammlungen der Falange. Dass die PP oder ihre Mitglieder in die Falange verwickelt sind, verwundert nicht, auch der heutige spanische Ministerpräsident José Maria Aznar war unter der Franco-Diktatur eines ihrer Mitglieder.

Gonzalo de la Peña Gumizio von der PP

Für Kale Gorria erklärte Ahoztar Zelaieta, man habe sich zur Veröffentlichung der Erkenntnisse und zur Anzeige bei Gericht entschieden, weil "gewalttätige Aktionen direkt bevorstehen". Die Dokumente und Aussagen hat Kale Gorria zum Teil von einem Mitglied der Falange in Madrid. Sie seien wahr und mit internen Dokumenten der Guardia Civil und anderen Quellen verglichen worden.

Offenbar greift nun auch die konservative Regierung auf die Mittel zurück, mit denen schon ihr sozialistischer Vorgänger in den 80er Jahren gescheitert ist. Nach sechs Jahren an der Regierung ist offenbar auch den Konservativen klar, dass es nicht gelingen wird, die baskische Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen.

Dass die Mitglieder der sozialistischen Todesschwadronen GAL inzwischen fast alle von der Regierung Aznar begnadigt wurden, sagt viel aus (Manche Mörder sind gleicher). Derzeit wird auch die Begnadigung des GAL-Anführers und Ex-Chef der Guardia Civil in der größten baskischen Kaserne von Intxaurrondo (San Sebastian) vorbereitet. Die Anklage gegen Enrique Rodriguez Galindo wegen Drogenhandels, Zuhälterei und Schmuggel wurde am Dienstag eingestellt. Galindo sitzt wegen "illegaler Verhaftung" und dem "Mord" an zwei Jugendlichen eine 71jährige Strafe ab. Seine Berufung wird nun auch von der Staatsanwaltschaft unterstützt, die direkt der Regierung untersteht.

Versuch einer Klärung

Mir stellt sich wegen einiger Reaktionen auf den Text die Frage, ob ich mich völlig falsch ausdrücke oder ob er von einigen in eine Schublade gesteckt wird, weil er nicht dem linken Mainstream in Deutschland entspricht. Während früher die nationalen Befreiungskämpfe völlig undifferenziert bejubelt wurden, ist heute scheinbar alles, was irgendwie damit zu tun hat, abscheulich. Doch beide Haltungen tragen zum Verständnis der Situation fast nichts bei.

Mich so hinzustellen, als würde ich die Gewalt der ETA rechtfertigen, wie es Kai Gronemann tut, liegt falsch. Um es mal klar zu sagen: Ich halte die Gewalt der ETA für ebenso falsch, wie die Morde der Todesschwadronen. Aber das werde ich nicht als Postulat in jedem Artikel vorausschicken. Es geht nicht um meine Meinung, die natürlich immer durchscheint, sondern um den Versuch zu beschreiben, was dort passiert. Dass angesichts der Berichte, die sonst so in den Medien kommen, bei mir die Schwerpunkte anders gesetzt sind, ist klar. Das ergibt sich auch daraus, dass ich das ganze vor Ort verfolge und nicht aus Madrid, wie die meisten meiner KollegInnen. Es kommen sicher oft viele Sachen zu kurz, aber die Welt besteht nicht nur aus dem baskischen Konflikt und die Seiten einer Zeitung sind begrenzt.

Es ist aber eben auch wichtig, nicht zu vergessen, dass die Gewalt der ETA einen Ursprung und ihren aktiven Gegenpart hat. Das auch zu benennen, halte ich für wichtig. Das über den Konflikt viele andere gesellschaftliche Widersprüche unter dem Deckel gehalten werden ist ebenso richtig. Es ist aber auch klar, dass beide Seiten über die nationalistische Karte polarisieren, was gerne vergessen wird. Wobei ich glaube, wer den überwiegenden Teil der spanischen Medien betrachtet, dürfte bestätigen, dass dies von Seiten der Herrschenden in Spanien noch stärker passiert als im Baskenland.

Klar ist auch, dass beide Seiten sich gegenseitig bedingen und hochschaukeln. Da passieren dann die widerlichsten Sachen. So bei dem Versuch der ETA, einen jungen Sozialisten umzubringen, was ihm ein Bein gekosten hat. Das kann ich weder verstehen und nicht einmal mehr abstrakt nachvollziehen. Dann sind da die Anschläge, durch die zwei Arbeiter ermordet wurden, oder der Koch, der offenbar fälschlich für einen hohen Militär gehalten wurde, oder dass die ETA nun sogar selbst linksnationalistische Organisationen bedroht hat. Das alles zeigt, dass sie wohl tatsächlich die Orientientierung verloren hat. Diese Meinung dürfte auch in den Texten von mir durchscheinen, die auch in der Jungen Welt oder in Neues Deutschland erschienen sind. Am 23.02.2001 schrieb ich zum Tod der beiden Arbeiter: "Erneut hat die ETA eine Grenze überschritten. Auch die hartgesottensten Anhänger können kaum legitimieren, dass es diesmal mindestens einen ihrer Anhänger traf".

Soweit nur ein Beispiel, wer weiteres nachlesen will, kann das tun. Es passieren aber auch all die anderen widerlichen Geschichten von Seiten der Regierung, Sicherheitskräfte oder Todesschwadronen: Mord, Folter und oft willkürliche Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Das trifft ja auch nicht mehr nur die echten oder mutmaßlichen ETA-Mitglieder, sondern dieser generalisierten Gewalt und Straffreiheit fallen mit dem rassistischen Einschlag immer mehr die Einwanderer zum Opfer. Gerade gestern hat das wieder Human Rights Watch angeklagt. Die, wie die UNO oder Amnesty International, dürften wohl kaum zu den ETA-Unterstützern gehören. Parteien, Medien und Organisationen werden im Baskenland inzwischen leider verboten, die Leute eingesperrt. Das ist oft keine Nachricht wert oder eben mit dem Einschlag, "alles Terroristen". Das stellt sich oft vor den Gerichten als haltlos heraus. Trotzdem wurden die Leute, wie Unai Romano zu Brei geschlagen, den herbeigeprügelten Geständnissen glauben oft nicht einmal die Richter und lassen die Leute frei.

Darf man die Verletzungen von Menschenrechten eines Landes, dass sich selbst als Rechtstaat versteht nicht mehr anprangern? Darf man den Aufbau von Todesschwadronen nicht mehr aufzeigen? Darf man die Aushöhlung elementarer Rechte nicht mehr benennen? Darf man nicht mehr sagen, dass der heutige Ministerpräsident Aznar ein glühender Falangist war und sich in etlichen Artikeln gegen den Übergang Spaniens zur Demokratie ausgesprochen hat und heute den Demokraten mimt? Darf man weiterhin nicht sagen, dass die Volkspartei (PP) von seinem politischen Ziehvater, dem Franco-Minister Fraga gegründet worden ist, der noch heute für die PP der Präsident der Provinz Galicien ist? Wird man, wenn man dies tut, zum Nationalisten oder zum ETA-Unterstützer?

Ich glaube, man hat selbst die Orientierung verloren, wenn man sich auf solch eine Logik einlässt. Dass Roma-Kinder, die in der baskischen Kleinstadt ebenso ausgegrenzt werden wie in Klein - Knüttelsdorf oder in Hamburg, interessiert bei den deutschen Medien, angesichts dessen, was sonst so an Wahnsinn passiert, leider fast niemanden. Es spricht von reichlich Unkenntnis und schablonenhaftem Denken, wenn man glaubt, das interessiere mich nicht, nur weil darüber kein Text in der Zeitung stand. Um so besser, wenn Gaston Kirsche dies in der Jungle World trotzdem benannt hat. Allerdings lässt sich damit noch nicht die besondere Aggressivität des Nationalismus beschreiben. Das Beispiel zeigt nur, das es Bekloppte eben überall gibt.

Verlässt man die humanistische Seite, dann ist doch auch klar, dass die Gewalt beider Seiten den Konflikt nur verlängert. Gelöst wird er damit nicht, das wissen beide Seiten. Die Gewalt ist nur Ausdruck dieser festgefahrenen Situation. Fakt ist aber auch, dass die ETA mit der Demokratischen Alternative und danach mit dem Waffenstillstand versucht hat, in Verhandlungen zu kommen. Über ein Jahr war die Regierung nicht zu Verhandlungen bereit. Sie hat den Friedensplan ablehnt, den alle baskischen Parteien, Gewerkschaften und selbst die ETA gestützt haben, wonach der Konflikt per Volksabstimmung hätte gelöst werden können. Sie hat den Vermittler beschatten lassen und sogar nach einem Kontakt mit der ETA Teile von deren Verhandlungsdelegation verhaften lassen. Deutlicher kann man kaum seine Haltung zeigen. Das es nicht um die Frage der Gewalt geht, sondern um Macht hat sich damals sehr deutlich gezeigt. Auch heute verweigert sich die PP als einzige Partei, Batasuna dagegen macht mit, an der Friedenskonferenz von Elkarri teilzunehmen. Etliche Friedensnobelpreisträger versuchen dort erneut für die zivilgesellschaftliche Organisation den Konflikt unter Vermittlung zwischen den Parteien auf einen friedlichen Lösungsweg zu bringen. Damit rechtfertige ich keine Gewalt, sondern beschreibe ein Dilemma.

Ralf Streck 05.06.2002