Das rotierende Universum

Einsteins Relativitätstheorie beinhaltet eine Eigenrotation des Universums, die jetzt experimentell überprüft werden könnte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Leon Foucault 1850 sein berühmtes Pendel (Vgl. Foucault-Effekt) aufhängte, wurden die Instrumente zur Messung der Drehung der Erde von der Wissenschaft immer weiter verfeinert. Heute sind Gyroskope gängige Instrumente zur Messung der Rotation, die in Autos, Flugzeuge und Satelliten eingebaut werden.

Bild: Georgia State University

Als physikalisches Spielzeug sind einfache Modelle schon ab Euro 7,50 erhältlich. Hochpräzise Geräte sind aber immer noch sehr teuer und bisher schien eine so feine Messung wie die der potenziellen Drehraten des Universums schlicht unmöglich. Das könnte sich nun ändern.

Die European Space Organsiation (ESA) plant die Mission "Hyper-precision cold atom interferometry in space" (HYPER), ein Satellit soll ab 2010 in 600 km Höhe um die Erde kreisen und die sehr schwachen "gravito-magnetischen" Effekte messen, die durch die Erddrehung im umgebenden Raum entstehen. Hyper soll mit einem Atominterferometer-Gyroskop arbeiten. Die Rotationen des umliegenden Raumes werden gemessen, indem ein kalter Atomstrahl in zwei Strahlen gespalten wird. Die beiden Teilstrahlen werden dann in entgegengesetzter Richtung aufeinander zu geschickt. Wenn sie nicht am gleichen Zeitpunkt aufeinander treffen, kann so gezeigt werden, dass im Raum eine Drehung stattgefunden hat (Vgl. Sagnac-Effekt).

Die gravitomagnetischen Effekte: die Erdrotation (J) führt zu Verzerrungen (schwarze Linien), durch die der HYPER-Satellitenorbit (rote Linie) führt und die Effekte misst. Bild: ESA/Hyper

Deutsche Physiker schlagen jetzt zusätzlich eine Modifikation des HYPER-Gyroskops vor, die es erlauben soll, durch Verschränkung der Quanten die winzigen Effekte der Rotation des Universums zu messen. Im New Journal of Physics erläutern A. Delgado und W.P. Schleich von der Universität Ulm sowie G. Süssmann von der Ludwig-Maximilians-Universität München ihre Vorstellungen eines Quanten-Gyroskops, das es möglich machen soll, Einsteins allgemeine Relativitätstheorie und Gödels (Vgl. Kurt Gödel Gesellschaft) kosmologisches Modell anhand der Eigenrotation des Universums zu überprüfen.

Albert Einsteins Theorie der Raumzeit wurde von Gödel modifiziert, der 1949 eine Lösung der Einstein'schen Gleichungen präsentierte, die eine Raumzeit voller rotierender Materie beinhaltete, in der Zeitschleifen durch jeden Punkt führen ("An Example of a New Type of Cosmological Solutions of Einstein's Field Equations of Gravitation" - zu bestellen für $ 35.). Wenn sich die Materie im All um sich selbst dreht, dann müsste sie die Raumzeit auch in eine eigene Drehung versetzen. Delgado, Schleich und Süssmann wollen durch eine Verschränkung der Quanten im kalten Atomstrahl des HYPER-Gyroskops die Präzision des Instruments um das 10 Milliardenfache steigern.

Die Physiker amüsieren sich über die Vorstellung, dass die Quantenmechanik, der Einstein kritisch gegenüberstand, jetzt zur Verifizierung seiner Theorie maßgeblich beitragen könnte:

Gödels kosmologisches Modell geht von einer Rotation des Universums aus. Der Sagnac-Effekt wird uns erlauben, diese Rotation zu messen. Ein Materie- oder Lichtwellen-Gyroskop, das auf verschränkten Atomen aufbaut, könnte tatsächlich die Präzision erreichen, die nötig ist, um Gödels Hypothese zu überprüfen. (...) Einstein schien Gödels Modell nicht zu mögen. Darüber hinaus war er nicht begeistert von der Idee der Verschränkung in der Quantenmechanik, wie sich im Einstein-Podolsky-Rosen-Paradox zeigt. Deshalb wäre es amüsant, wenn die Verschränkung von Quantenzuständen dazu beitragen könnte, einigen Einblick in das ein wenig ungewöhnliche Modell des Universums zu bekommen, das sich auf Einsteins Relativitätstheorie gründet.

Gegenüber dem Newscientist kommentierte Arnaud Landragin vom L'Observatoire de Paris, der an der HYPER-Mission mitarbeitet, es wäre denkbar, die Strahlen durch ein Bose-Einstein-Kondensat zu ersetzen, also einen Quantenzustand, in dem die Atome vorübergehend ihre Eigenständigkeit aufgeben und im Gleichtakt schwingen (Vgl. Schuld war nur der Bosenova). Landragin meint, ein solches Gyroskop müsste vorab erst mal auf der Erde ausprobiert werden, aber "Es geht in die selbe Richtung, es ist nur viel schwieriger." Und er vermutet, dass die Zeit bis zum Start von HYPER nicht ausreichen wird, um diese Modifikation umzusetzen.