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Wollte die US-Regierung das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention kippen, weil sie Gefangene zur "Befragung" in Folterländer wie Syrien schickt?

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Vergeblich hatte die US-Regierung vor wenigen Tagen versucht, die Abstimmung über ein Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention zu kippen, das Besuche von unabhängigen Beobachtern in Gefängnissen oder Gefangenenlagern in den Ländern ermöglicht, die das Protokoll ratifiziert haben. Das verdankt sich allgemein dem Bestreben, möglichst keine internationalen Abkommen einzugehen, aber wahrscheinlich auch einer Praxis der USA, manche Gefangenen in die Obhut von Ländern zu geben, die bekannt dafür sind, dass in ihnen gefoltert wird.

Die USA hatten im zuständigen Ausschuss der UN versucht, die Abstimmung über das nach zehnjährigen Verhandlungen zustande gebrachte Zusatzprotokoll zu kippen, um neue Verhandlungen einzuleiten. Gegen das Protokoll stimmten 8 Länder (Australien, China, Kuba, Ägypten, Japan, Libyen, Nigeria, Sudan), 10 Länder (Bhutan, Kamerun, Äthiopien, Indien, Nepal, Pakistan, Katar, Russland, USA, Zimbabwe) enthielten sich der Stimme, 35 stimmten dafür. Den von den USA zuvor eingereichten Antrag auf eine Aussetzung der Abstimmung hatten unter anderem auch China, Kuba, Libyen, Indien, Pakistan, Russland oder der Iran unterstützt (US-Regierung scheitert an Blockade des Zusatzprotokolls zur Anti-Folter -Konvention).

Entweder für die USA oder für den Terrorismus

Zumindest das US-Außenministerium ist beispielsweise unentschlossen, welche Haltung man gegenüber Syrien einnehmen will. Erst vor kurzem wurde das Land noch in die Liste derjenigen Staaten eingeordnet, die von der USA bezichtigt werden, den Terrorismus zu fördern. Hierzu gehören die Länder der erweiterten "Achse des Bösen": Irak, Iran, Kuba, Libyen, Nordkorea, Sudan und eben Syrien (Die erweiterte Achse des Bösen lenkt ein). Syrien, das Terrorgruppen wie die Hisbollah unterstützt, aber den USA bei der Bekämpfung von al-Qaida hilft, stehe ebenso auf der Schneide wie der Iran, hieß es damals. Mittlerweile hat sich die sehr vorsichtige Beziehung zum Iran wieder abgekühlt, nachdem die US-Regierung nicht mehr auf die Reformer um Präsident Mohammad Chatami setzt, dafür aber scheint man Syrien näher gekommen zu sein. Syrien sieht in der religiös motivierten al-Qaida-Bewegung auch für das eigene weltliche System eine Bedrohung.

Wenn es um strategische Interessen geht, spielen Demokratie und Menschenrechte keine große Rolle mehr. Das war schon im Kalten Krieg so, und ist auch explizit ausgegebene Politik von US-Präsident Bush in dem von ihm ausgerufenen Krieg gegen den Terrorismus, indem man entweder für oder gegen die USA bzw. den Terrorismus ist. Grauzonen sind politisch immer schwierig, aber der Kampf gegen den al-Qaida-Terrorismus kann auch neue Allianzen schmieden. Beispielsweise können auch China und Russland ihre Politik in Uiguiren bzw. Tschetschenien zwanglos mit dem Antiterrorkampf verbinden, in dem vieles erlaubt ist, was sonst geächtet wird. Auch hierfür haben die USA mit ihrer Behandlung von Verdächtigen und der Kennzeichnung der gefangenen mutmaßlichen al-Qaida-Angehörigen als "unrechtmäßige Kämpfer" den Weg bereitet (Das Recht auf Willkür im Krieg).

Der Fall Zammar: Was wird Deutschland machen?

Nach Angaben des Spiegel hätten nun syrische Behörden erstmals bestätigt, dass sie den mutmaßlichen Al-Qaida-Mitarbeiter Mohammed Zammar, einen Deutschen syrischer Herkunft, gefangen halten. Bislang hatte Syrien auch einen Besuch von Zammer durch deutsche Gesandte verweigert, weil man ihn immer noch für einen syrischen Staatsangehörigen halte. Nachdem, wie der Spiegel berichtet, der Generalbundesanwalt Klagen gegen zwei syrische Spione zurückgezogen hat, weil das weniger im öffentlichen Interesse liege als die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, sei jetzt aber die Zusammenarbeit zwischen deutschen und syrischen Behörden besser geworden. Die Frage wird nun sein, ob deutsche Ermittler Zugang zu Zammer erhalten und auch überprüfen wollen, ob er gefoltert wurde.

Zammer soll, wie er - freiwillig oder unter Zwang? - berichtet habe, Atta angeworben, ihn mit al-Qaida-Führern in Afghanistan bekannt gemacht und Kontakte zu dessen Gruppe in Hamburg gehabt haben. Er wurde im Juni in Marokko festgenommen und dann von den Amerikanern nach Syrien gebracht, wo er verhört wird. Angeblich wird er nicht von Amerikanern befragt, sondern diese würden nur Fragen an die Syrer überreichen, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass sie an Folterungen direkt beteiligt sein könnten.

Wie weit solche wahrscheinlich erpressten Informationen tragen, konnte man erst kürzlich bei einer vom US-Justizminister spektakulär mitgeteilten Festnahme sehen, die auf Informationen von Abu Zabaydah, der als ranghöchster al-Qaida-Gefangener gilt, zurückging. Zabaydah wurde im März in Pakistan festgenommen und dann von der USA an einen geheimen Ort gebracht. Möglicherweise befindet er sich auch in Syrien, vielleicht auch in Jordanien oder in Ägypten. Von ihm kam offenbar der Hinweis, dass der zum Islam konvertierte Mudschahir, der "eng mit al-Qaida verbunden" sein soll, "beim Feind" ausgebildet worden sei und dort gelernt haben soll, wie man schmutzige Bomben herstellt (Endlich ein Erfolg für US-Justizministerium, CIA und FBI). Er wurde bei der Ankunft am Flughafen festgenommen und zunächst in einem normalen Gefängnis eingesperrt. Beweise, dass Mudschahir einen Anschlag geplant hatte, konnte Ashcroft nicht liefern. Um eine Anhörung vor einem Richter zu vermeiden, wurde er schnell zu einem feindlichen Kämpfer umtituliert und in ein Militärgefängnis gesteckt, wo seine Rechte eingeschränkt sind und er auch keinen Anspruch auf den Besuch eines Verteidigers besitzt. Vielleicht gingen aus ähnlichen Bekenntnissen von Gefangenen bei Freunden auch manche der Terrorwarnungen hervor, die sich nicht bestätigt haben.

Wer gegen den Terrorismus ist, muss nicht die Menschenrechte achten

Es gibt noch mehr bekannte Fälle von Gefangenen - und wahrscheinlich weitere, die nicht bekannt sind -, die von den USA in die Obhut von Ländern übergeben wurden, um sie dort zu verhören: womöglich eben auch unter Folter (Etwas Foltern lassen bei Freunden). So wurde im Dezember auf Veranlassung der CIA in Indonesien der Pakistaner Havis Muhammad Saad Iqbal festgenommen. Er soll etwa in Verbindung mit Richard C. Reid gestanden haben, der am 22. Dezember in seinen Schuhen Sprengstoff an Bord eines Flugzeugs geschmuggelt hatte. Iqbal wurde mit einem CIA-Flugzeug nach Ägypten gebracht. Dann gibt es beispielsweise noch Mohamed Mansour Jabarah, der angeblich an einen Anschlagsversuch auf die Botschaften der USA und Israel in Singapur beteiligt gewesen sein soll. Er wurde in Oman vor drei Monaten festgenommen und dort verhört, wo er seine Bindung an al-Qaida zugegeben habe. CNN berichtete gestern, dass er sich nun bereits seit einem Monat in den USA in einem Militärgefängnis befinde.

Da sich die US-Regierung sich hier nicht in die Karten sehen lässt, ist zu vermuten, dass die Praxis, Verdächtige zum Verhör in andere Länder zu verschicken, die nicht bekannt für die unbedingte Achtung der Menschenrechte sind, rechtlich zumindest nicht sauber ist. Nach einem Bericht des Christian Monitor würden Regierungsangehörige "privat" dieses Verschicken dadurch rechtfertigen, dass die arabischen Länder die muslimischen Gruppen und ihre Hintergründe besser kennen. Andere würden aber auch zugeben, dass hier durch Folter schneller Informationen erlangt werden könnten. Von Syrien und Ägypten ist nach Amnesty International bekannt, dass dort gefoltert wird. Das räumte selbst der Menschenrechtsbericht 2001 des US-Außenministeriums ein (z.B. für Syrien), so dass die Verschickung einiger mutmaßlicher al-Qaida-Angehörige in solche Länder mit der gleichzeitigen Ablehnung des Zusatzprotokolls der Anti-Folter-Konvention den Verdacht nährt, dass die US-Regierung in ihrem Kampf gegen den internationalen Terrorismus für sich einen Ausnahmezustand reklamiert und neben der Einschränkung von Bürgerrechten und einer zunehmenden Überwachung auch die Verletzung von Menschenrechten in Kauf nimmt - um angeblich die freie Welt und die Menschenrechte gegen den Terrorismus zu verteidigen.

Das chronische Fehlen der Beweise

Der britische Premier Tony Blair hat, wie der Guardian gestern berichtet hat, bestätigt, dass Großbritannien einen Angriff auf den Irak unterstützen werde, wenn Hussein weiterhin die Wiederaufnahme von UN-Waffeninspektionen verweigert. Gedacht wird offenbar daran, möglicherweise einen Überraschungsangriff mit Flugzeugen, Raketen und 50.000 Soldaten und zu führen. Auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrats wollen beide Regierungen nicht setzen, sondern das internationale Recht umgehen, indem unterstellt wird, ein Angriff sei durch vorhergehende Resolutionen gedeckt.

Bekannt ist, dass die US-Regierung die geplante militärische Aktion nicht im Zusammenhang mit al-Qaida rechtfertigen kann, sondern sie dadurch legitimieren will, dass der Irak chemische, biologische und nukleare Massenvernichtungswaffen entwickelt oder besitzt. Angeblich soll Blair die britische Unterstützung davon abhängig gemacht haben, dass noch einmal ein wirklicher Versuch gestartet wird, Irak davon zu überzeugen, UN-Waffeninspektoren ins Land zu lassen. Und bei einem Angriff müssten Beweise vorgelegt werden, dass der Irak wegen der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen eine akute Bedrohung darstelle.

Just das hatte die US-Regierung aber auch schon beim Angriff auf Afghanistan versprochen, aber nie wirklich (nach)liefern können, auch wenn niemand - oder wahrscheinlich: kaum jemand - dem Taliban-Regime nachtrauert. Und auch die Befragung der Gefangenen in Guantanamo und in den Ländern der befreundeten Staaten, die sie möglicherweise foltern, hat hier noch keine wirklich überzeugenden, gerichtsverwertbaren Nachweise erbracht, dass bin Ladin oder al-Qaida für den Anschlag verantwortlich sind. Aber auch die Rede von al-Qaida unterstellt oft das Bild einer fest organisierten, weltweit operierenden Gruppe, während es sich eher um ein loses Netzwerk zu handeln scheint, das es tatsächlich erschweren mag, Verantwortlichkeit im rechtlichen Sinne über die Täter hinaus bestimmten Anführern zuschreiben zu können, sofern es diese überhaupt so gibt.