Schwanengesang eines kosmischen Pensionärs

NASA-Forschungssonde Pioneer 10 verabschiedet sich langsam aber sicher für alle Ewigkeit in die Ewigkeit

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Sternenstaub, Asteroiden, kosmische Strahlung, eisige Kälte und andere potenzielle Gefahrenquellen haben ihr nichts anhaben können. Vielmehr hat die legendäre Raumsonde Pioneer 10 während ihrer 30-jährigen Odyssee durchs All mehrfach Raumfahrtgeschichte geschrieben und nebenher noch einige Rekorde für sich verbuchen können. Bis dato gelang es den NASA-Ingenieuren stets aufs Neue, mit Pioneer 10 zeitweise in Kontakt zu treten. Jetzt ist das ohnehin schon sehr schwache, kaum wahrnehmbare Piepsen der Sonde auf dramatische Weise abgeklungen. Die NASA musste kürzlich die Erfahrung machen, dass eine Kommunikation mit der stetig von der Erde forttreibenden Sonde kaum noch möglich ist. Alles sieht danach aus, als sei Pioneer 10 dabei, den Schwanengesang zu intonieren

Bilder: NASA

Fernab der Erde, irgendwo da draußen in den Tiefen des kosmischen Ozeans driftet eines der erfolgreichsten irdischen "Raumschiffe" unaufhaltsam einem unbekannten "Ufer" entgegen. Von seinem Heimathafen, der in 12,21 Milliarden Kilometer Entfernung (80.82 AU) ein planetares Dasein fristet, zeugt nur noch ein kleiner heller, kaum wahrnehmbarer Punkt, der sich zusehends in nichts auflöst.

Ereignisreiche Vita

Seit über 30 Jahren rast die NASA-Raumsonde Pioneer 10 mit einer Geschwindigkeit von 12,24 Kilometern in der Sekunde (relativ zur Sonne) durchs All und hat dabei ein strapaziöses Forschungsprogramm mit Bravour absolviert. Zahlreiche faszinierende Farbfotos vom Gasplaneten Jupiter dokumentieren, dass Pioneer 10 mit den Jahren eben nicht in die Jahre kam.

Der hochbetagte Weltraumveteran erwies sich in der Tat als so langlebig, dass die NASA vor Jahren seine offizielle Mission bis zum 31. März 1997 verlängerte, ja sogar noch heute darum bemüht ist, mit ihm den Kontakt zu wahren. Gleichwohl gelang es den Forschern Anfang 1997 nur unter großen Schwierigkeiten die sondeneigenen Funkantennen präziser in Richtung Erde ausrichten. Und als im August des selben Jahres die Signale der Sonde immer schwächer wurden und die Datenübertragung von der Erde zu Pioneer 10 zusammenbrach, schien alle Hoffnung vergebens. Doch Mitte Februar 1998 brachte sich der astrale Vagabund wieder in Erinnerung, als er von Voyager 1 überholt wurde.

Seitdem ist Pioneer 10 zwar nicht mehr als das am weitesten von der Erde entfernte, von Menschenhand geschaffene Raumgefährt im Universum. Dafür aber die erste Forschungssonde in der Raumfahrtgeschichte, die sowohl den zwischen Mars und Jupiter eingebetteten Asteroidengürtel erstmals durchquerte als auch das Sonnensystem erstmals auf Nimmerwiedersehen verließ. Zwar konnte die NASA nochmals am 9. Juli 2001 mit Pioneer kurz in Kontakt treten; unmittelbar darauf jedoch blieb es ruhig um den einstigen interplanetaren Flitzer. Trotz mehrfacher Kontaktierungsversuche ließ sich die Raumsonde zu weiteren Überstunden nicht mehr überreden und ignorierte das irdische Funkfeuer - bis zum 2. März dieses Jahres. An diesem Tag konnten die Forscher das Raumgefährt - pünktlich zum 30. Geburtstag -doch noch dazu bewegen, mal wieder etwas von sich hören zu lassen (Vgl.NASA gönnt Rentner im Weltraum keinen ruhigen Lebensabend).

So nett die Vita des Weltraumroboters auch klingen mag; die Hoffnungen, dass Pioneer 10 jemals wieder an alte Zeiten anknüpft, sind ausgesprochen gering. Denn was den irdischen Empfängern des "Deep-Space-Networks" (DSN), das aus jeweils mehreren in Madrid, in Goldstone/Kalifornien und im australischen Canberra operierenden Antennen besteht, früher in periodischen Zeitabständen phasenweise gelang, glückt ihnen heute immer seltener.

Milliardste Teil einer Trillionen Watt

Dennoch gab es jetzt einen kurzen Kontakt mit Pioneer, wie Projektmanager Dr. Larry Lasher vom Ames-Forschungszentrum im kalifornischen Silicon Valley kürzlich bekannt gab. Nach Monaten des Schweigens ließ der kosmische Pensionär, der die Nabelschnur zu Mutter Erde offensichtlich noch nicht vollends durchtrennt hat, Mitte Juli wieder von sich hören.

Allerdings registrierte das leistungsfähige 70-Meter-Radioteleskop des DSN in Madrid das Pioneer-Funksignal, dass alleine 11 Stunden und 18 Minuten zur Erde unterwegs war, nur eine Minute lang. Und zudem war dieser kurze Gruß, auf dessen Eingang die Wissenschaftler drei Stunden lang warten mussten, noch nicht einmal ein herzlicher. "Es gab einen einminütigen Kontakt mit Pioneer, aus dem aber nur hervorging, dass ein Kommunikation möglich gewesen wäre. Das Signal war viel zu kurz und zu schwach für die Übertragung von signifikanten Daten", verdeutlicht der Pioneer-Experte Dr. John F. Cooper vom NASA Goddard Space Flight Center.

Fakt ist: Allmählich geht den sondeninternen Nuklearbatterien, deren thermoelektrische Generatoren von einer Plutonium-238-Quelle gespeist werden, der Saft aus. Ähnlich ergeht es dem Radioisotope Thermal Generator (RTG) System, das den lediglich acht Watt starken Pioneer-Sender mit Energie versorgt. Und infolge des "Energieproblems" und der zusehends größer werdenden Distanz zwischen Erde und Sonde wird das ohnehin unglaublich schwache Pioneer-Signal immer schwächer. "Das Signal macht nur den Milliardsten Teil einer Trillionen Watt aus", erklärt Glenn Mucklow vom NASA-Hauptquartier in Washington, der sich auf interstellare Missionen spezialisiert hat und auch weiterhin das Schicksal von Pioneer mit Argusaugen verfolgen wird: "Because the signal from Pioneer 10 is at the limits of the DSN, we try to contact the Pioneer 10 every month to gather information to assist future spacecraft communications technology development", so Mucklow gegenüber Telepolis. "However, DSN antenna maintenance may prevent contacting Pioneer 10 in August and September.

Nach Auskunft von Mucklow wird die NASA bereits diesen Monat den nächsten Versuch starten, mit Pioneer Verbindung aufzunehmen:

Planned future contacts with Pioneer 10 are: August 2002: DSS 14 (70 m station at Goldstone) down for Servo Drive Replacement, therefore no scheduled support because of the need for 200KW transmitter from DSS 14; September 2002: DSS 14 (70m station at Goldstone) down for Servo Drive Replacement, therefore no scheduled support because of the need for 200 KW transmitter from DSS 14; October 2002: Support scheduled for October 11, 12 using 70m stations at Goldstone and Madrid.

Botschaft für fremde Lebensformen

Wenngleich zwischen Mutter Erde und ihrem kosmischen Botschafter aufgrund der gestörten Kommunikation das große Schweigen ausgebrochen zu sein scheint, so könnte die Forschungssonde gegenüber außerirdischen Intelligenzen eines Tages weitaus beredsamer und auskunftsfreudiger sein. Denn wie die beiden Voyager-Sonden wurde seinerzeit Pioneer 10 ebenso wie seine Schwestersonde Pioneer 11 mit einer interplanetaren Flaschenpost bestückt, "in" der die NASA-Konstrukteure in vorsorglicher Weitsichtigkeit Informationen gespeichert haben, die neben anderen Daten auch Auskunft über die kosmische Position der Erde und sogar über unser Aussehen geben.

Frühestens in zwei Millionen Jahren, wenn das kosmische Intermezzo der Menschheit nicht mehr als eine Randnotiz in der galaktischen Enzyklopädie ist, erreicht die Sonde das Sternbild Stier (Taurus), sofern sie die lange astrale Reise auch halbwegs unbeschadet übersteht. Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass der kosmische Pensionär dann wirklich von einer außerirdischen Kultur aufgelesen würde, fänden die fremden Lebensformen eine 15 mal 22,5 Zentimeter große und 1,27 Millimeter dicke Aluminiumplatte, "auf" der neben eingravierten Symbolen ein menschliches Paar schemenhaft vor der Raumsonde zu sehen ist. Sollten die Aliens vernunft begabt sein und die Symbole und schemenhafte Figuren auf der Leichtmetallplatte richtig deuten, dann werden sie wissen, dass vor langer Zeit einmal eine andere Lebensform den Drang verspürt hat, den unbekannten Brüdern (und Schwestern) im All einen Gruß zu übermitteln. Aus irdischer Sicht war es ein Gruß in die ferne Zukunft - für den Empfänger wäre es ein Gruß aus ferner Vergangenheit, von einer womöglich selbst vergangenen Kultur.