Das Neue Rom

Die USA sind auf dem Gipfel der Macht. Doch einige Strippenzieher zeigen sich verblüfft, was sie damit wirklich anstellen sollen

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In Empire, das von Sympathisanten wie dem "unvermeidlichen" Slavoj Zizek als das "Kommunistische Manifest unserer Zeit" gefeiert worden ist, haben Michael Hardt und Toni Negri unlängst den Schluss gezogen, dass das postmoderne Imperium der Daten, Netzwerke und Echtzeitkommunikation "kein Rom" mehr besitze. "Die Form der Weltordnung und auch der Ort, an dem Macht sitzt, haben sich verändert." Inmitten der globalen Netzwerk-Machtstruktur, die Kapital-, Technologie- und Migrationsströme aufspannen, etabliere "sich eine neue Form von Souveränität", die dem alten System der Nationalstaaten ebenso den Garaus mache wie dem Imperialismus vergangener Zeiten. Kein Staat, auch nicht der mächtigste, könne sich künftig brüsten, die Parameter und Richtlinien der Weltpolitik allein und unabhängig zu bestimmen; und keine Macht der Welt könne die Kontrolle über die gegenwärtige globale Ordnung ausüben.

Das "Empire" ist ein Nicht-Ort

Die neue Herrschaft der Ströme, Netze und Körper wäre also ein "Nicht-Ort". Als solcher "U-Topos" reguliere er "nicht nur die menschlichen Interaktionen", sondern trachte danach, "direkt über die menschliche Natur zu herrschen". Und weil diesem "Empire" räumliche und zeitliche Grenzen abgehen, gewännen vor allem internationale Zusammenschlüsse und Institutionen zunehmend an Macht und Einfluss wie zum Beispiel die G-8 oder supranationale Gebilde wie die WTO, WB oder der IWF. Dass diese längst unter command, communication & control der USA stehen, wird nicht erwähnt.

Es ist an der Zeit, eine neue Geschichte zu schreiben.

George W. Bush

Wohlwollend hat jüngst Claus Leggewie diesen Passus in einem Beitrag für die Zeitung Die Welt zitiert und ihn als Beleg für den neuen Willen und wachsenden Mut zur Totalkritik am räuberischen Kapitalismus angeführt. Auch er frönt wie zuletzt der Berkeley-Soziologe Manuel Castells in seinem dreibändigen Mammutwerk über den Geist des Informalismus dem Gedanken, dass der neuen supranationalen Netzwerkordnung der .orgs, .coms und .nets ein Caput fehle.

Asymmetrie der Macht

Die Augen und Ohren amerikanischer Strippenzieher scheint diese Botschaft nicht erreicht zu haben. Nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums, der Stagnation der "japanischen Herausforderung" und dem Wirtschaftsboom des letzten Jahrzehnts ist die Überlegenheit der Vereinigten Staaten unermesslich groß. Die Kluft zwischen ihnen und der alten Welt wächst von Tag zu Tag. Binnen einer Dekade ist die "Einstrahligkeit" des weltpolitischen Systems Wirklichkeit geworden. Nach Meinung von Charles Krauthammer, einem neokonservativen Kolumnisten der Washington Post, steht das Land nun vor der historischen Aufgabe, dieses "unipolare Moment", das ihm nach dem Ende des Kalten Krieges in den Schoß gefallen ist, in eine "unipolare Ära" zu verwandeln.

In Washington, rund um den Potomac, zeigt man sich zwar hoch erfreut, aber offensichtlich auch höchst überrascht und irritiert über den raschen Aufstieg der USA zum unumschränkten Führer und Herrscher über die Welt. Ihre Strippenzieher scheinen perplex ob dieser weltgeschichtlichen Situation und fragen sich verdutzt, was ihr Land mit dieser Machtfülle außen- und sicherheitspolitisch anfangen kann und welche Rolle es künftig in der Welt spielen will.

Diese Ambivalenz der Gefühle prägt und spiegelt jedenfalls eine ebenso aufregende wie bemerkenswerte Studie, die in der jüngsten Nummer der "Foreign Affairs", der führenden Theoriezeitschrift der "Gemeinschaft globaler Denker", abgedruckt ist. Publiziert haben diese Stephen G. Brooks und William C. Wohlforth, zwei am Department of Government am Dartmouth College lehrende Politologen, die dem stürmischen Flügel der Republikaner zuzurechnen sind, dem auch Vize-President Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Stellvertreter Paul Wolfowitz sowie Chefberater Richard Perle und Stabschef Lewis Libby angehören. Mit den republikanischen Realisten in der Regierung, jener Fraktion also, die sich um den Außenminister Colin Powell scharen, liefert er sich schon seit geraumer Zeit einen erbitterten Kampf um das Herz des Präsidenten - mit durchschlagendem Erfolg wie die Hinwendung zu "pre-emptive actions" als qualitativ neue Formel der US-Außen- und Sicherheitspolitik beweist, die in der neuen Bush-Doktrin einen überragenden Platz einnehmen werden.

Vom Tisch gefegt scheinen erst einmal Bedenken, wie sie Sam Huntington noch vor der Jahrtausendwende allen Verfechtern einer "lonely" bzw. "rogue superpower" ins Stammbuch zu schrieben versucht hatte, nämlich die Fülle weltweiter Probleme nur gemeinsam und in Kooperation mit anderen Staaten und Partnern (Multilateralismus) zu stemmen. Außer Post Nine-Eleven scheinen diese Argumente niemanden mehr zu überzeugen. Seit der blutigen Außerkraftsetzung der Monroe-Doktrin ist in Washington die Neigung gewachsen, internationale Probleme handstreichartig im Alleingang, also ohne die lästige und langwierige Konsultation von Partnern und Verbündeten zu lösen. Verständlich ist das schon. Immerhin hat der Terroranschlag die Dominanz der USA im zwischenstaatlichen Verkehr kaum nachhaltig berührt. Und der Gegenschlag und der rasche Erfolg des Krieges in Afghanistan haben ihre einzigartige Position im System der Nationalstaaten eher bestärkt und gefestigt als geschwächt.

Analyse der Macht

Dieses Selbstbewusstsein merkt man dem Artikel auch an. Statt blumiger Versprechen dominiert dort kalte Empirie. Und statt missionarischem Eifer präsentieren die beiden Analytiker eine nüchterne und unaufgeregte Analyse mit vielen eindrucksvollen Fakten, Daten und Zahlen, die erneut die einmalige und unangefochtene Machtstellung der USA in der Welt belegen.

Im nächsten Jahr werden die USA aller Voraussicht nach mehr Geld in die Verteidigung stecken als die 20 nächstfolgenden Staaten für ihre gesamten Streitkräfte. Neben dem nuklearen Übergewicht, einer dominanten Luftwaffe und einer weltweit operierenden Seemacht, die es dem Land ermöglichen, jederzeit und an mehreren Orten gleichzeitig loszuschlagen, verfügt das Land über modernste IuK-Technologien, um Informationen über einem Schlachtfeld lichtschnell zu koordinieren und entfernte Ziele punktgenau zu zerstören. In die militärische Forschung und Entwicklung investiert das Land mehr als dreimal soviel wie die nächstfolgenden sechs Mächte zusammen.

Crowns may generally lie uneasy, but America's does not.

Brooks/Wohlforth

Zur militärischen Stärke gesellt sich die ökonomische. Die US-Ökonomie erwirtschaftet allein doppelt so viel wie ihr schärfster Rivale, Japan. Allein die kalifornische rangiert als derzeit fünftgrößte der Welt noch vor Frankreich. Inzwischen sind die USA weltweit der beliebteste Standort für ausländische Firmen. Mehr als ein Drittel aller Direktinvestitionen gehen in die USA. Mögen derzeit auch Investitionen stocken, Profite stagnieren und Bilanzfälschungsskandale den wirtschaftlichen Optimismus trüben, begleitet wird diese hausgemachte Rezession - anders als der japanische Katzenjammer in den Neunzigerjahren -von einem robusten Wirtschaftswachstum, sodass im schlimmsten Fall höchstens ein Rückgang auf die ökonomische Position Anfang der Neunzigerjahre zu erwarten ist. Darüber hinaus ist das Land für die Globalisierung am besten positioniert.

Auch technologisch und ideologisch sind die Vereinigten Staaten jedem denkbaren Rivalen haushoch überlegen. Allein die Ausgaben, die das Land für Forschung und Entwicklung ansetzt, entsprechen etwa dem Etat, den die sieben reichsten Länder zusammen dafür aufwenden. Das Land beherbergt nicht nur die berühmtesten Universitäten. Auch die weitaus meisten Nobelpreisträger kommen aus den USA. Und während die Talente aller Herren Länder vor den Toren der Supermacht Schlange stehen, um Einlass ins gelobte Land zu begehren, berauscht sich die Jugend außerhalb des amerikanischen Territoriums an all jenen Mythen, Moden und Lebensstilen, welche die amerikanischen Kulturindustrien für sie propagieren.

Eine Macht von planetarischer Größe

Neu an dieser weltpolitischen Konstellation ist sicherlich, dass sich die Vorrangstellung, die die USA derzeit unter den übrigen Völkern und Nationen einnehmen, ausnahmslos auf alle "kritischen Bereiche" (militärisch, ökonomisch, technologisch, ideologisch) erstreckt, die eine Macht zur Supermacht prädestinieren. Auf keinem der genannten Gebiete ist ein Wettbewerber auszumachen, der ihnen das Wasser reichen könnte. Niemals zuvor hat ein einzelner Staat eine solche Machtfülle in sich vereint.

Und neu ist gewiss auch, dass diese Macht den gesamten Planeten umfasst. Während die Pax Romana nur das Mittelmeer einschloss, und die Pax Britannica immerhin die Kontrolle über die globalen See- und Handelswege innehatte, erklimmt die Pax Americana zum ersten Mal in der Geschichte planetarische Höhen. Die Signatur eines "planetarischen Zeitalters", das nach Einschätzung des Erfinders der Geopolitik, Rudolf Kjellén, die "planetarische Epoche der Menschheit einleiten" soll, ist unweigerlich mit dem Namen Amerikas verbunden. Die planetarische Epoche - das ist zweifellos die amerikanische.

Eine "neue Epoché"?

Die Frage, auf die Brooks und Wohlforth eine Antwort suchen, ist nun, ob diese beispiellose Hegemonie, die die USA momentan einnehmen, tatsächlich von Dauer sein wird. Wie die Geschichte zeigt, hat noch jede Macht, so sehr sie sich auch im Zenit ihres Erfolges gesonnt hat, ihren eigenen Totengräber hervorgebracht. Napoleon und dem Sonnenkönig erging es da nicht anders wie den Habsburgern, Hitler oder Stalin. Und wenn wir den großspurigen Worten der Theoretiker des Empires folgen, so bringt auch der globale Kapitalismus seinen Untergang selbst hervor: die Vielheit der Land-, Namen- und Besitzlosen.

Aber so sehr sich die Autoren auch umsehen, von einer Gegenmacht ist am Horizont nichts auszumachen. Weder die EU noch Russland, China oder Japan kommen in Betracht. Sind die einen mit Querellen um Agrarausgaben, gemeinsamen Wehrwillen und den Kosten der Osterweiterung langfristig mit sich selbst beschäftigt, so leiden die eurasischen Mächte an der technologischen Kluft aller ihrer "kritischen Bereiche". Unter diesen Umständen wird keiner von ihnen, dessen sind sich die Autoren gewiss, es riskieren, sich die USA zum Feind zu machen. Damit wäre binnen weniger Jahre ein historischer Trend zum Stillstand gebracht und umgekehrt worden. Die Geschichte wäre tatsächlich an ihr Ende gekommen. Eine neue Epoché wäre angebrochen, eine, die von der Pracht und vom Glanz, vom Ruhm und der ewigen Herrschaft einer einzigen Nation kündet.

Möchtegern-Hegemonen

Brooks und Wohlforth machen sich deshalb einen Jux draus, alle denkbaren Allianzen zwischen "Möchtegern-Hegemonen" wie Russland, China, Japan oder auch Deutschland durchzuspielen. Die Planspiele fallen für die genannten Staaten verheerend aus. Da jeder dieser möglichen Herausforderer sich meist nachbarschaftlich eingebunden fühlt und lokal handelt, fehlt es ihnen entweder an der geographischen Lage und am globalen Anspruch oder einfach am politischen Mut und militärischen Vermögen und Willen zum politischen Gegenspieler. Statt sich den Zorn der Supermacht zuzuziehen, bevorzugen sie lieber bilaterale Abkommen und Vereinbarungen mit ihr. Schon deswegen sind solche "strategischen Partnerschaften", etwa zwischen China, Russland und Indien, Frankreich, Deutschland und Russland oder gar Deutschland, Russland, China und Japan unwahrscheinlich. Käme es wider Erwarten doch dazu, würde ein solches Bündnis mehr als zwanzig Jahre benötigen, um nur annähernd den jetzigen Stand der USA zu erreichen.

Today, however, U.S. dominance is the status quo.

Brooks/Wohlforth

Und auch die geopolitische Lage der USA, die im Westen und Osten aus Wasser besteht, und im Süden und Norden Speichellecker und Gefolgsleute beherbergt, spricht eine deutliche Sprache. Trotz Nine-Eleven und den daraus neu entstandenen Sicherheitsproblemen, die bereits zu einer massiven Einschränkung der persönlichen Freiheiten und Rechte der Bürger geführt haben, und trotz der latent bestehenden Gefahr neuer Terrorakte, sind die USA aufgrund dieser Geografie prinzipiell weniger verletzbar als frühere Hegemonien.

Volle Bewegungs- und Feuerfreiheit

Was bedeutet es also für die amerikanische Politik, wenn ihr Land auf lange Sicht konkurrenzlos ist und eine "Dauerhegemonie" innehaben wird? Bislang besaß noch jede Macht konkrete Rivalen, Gegner oder Herausforderer, an denen sie sich reiben oder selbst gewinnen konnte: Athen hatte Sparta, Rom Karthago, Philipp II. England, das Vereinigte Königreich das aufstrebende Deutschland, und die USA das sowjetische Imperium. Und jetzt? Was also tun angesichts dieser Lage?

Eine Rückkehr zur Vielstimmigkeit scheidet nach Ansicht der beiden Falken kategorisch aus. Die Nachteile eines solchen Systems wögen weit schwerer als ihre Vorteile. Schon ein leichter Rückfall in ein Netz aus Abkommen, Absprachen und Vereinbarungen mit anderen könnte für die Supermacht zum "worst case scenario" werden. Nicht nur, weil dadurch die einmal erreichte Handlungs-, Bewegungs- und Feuerfreiheit all over the world eingeschränkt und leichtfertig aus der Hand gegeben würde. Sondern auch, weil das Land als "Leader of the Pack" erneut zum Brennpunkt vielfältigster Ressentiments und Hassgefühle staatlicher wie nicht-staatliche Akteure werden könnte. Interessanterweise erachten die Autoren die Gefahren des Terrorismus für eher gering, da er historisch keine neuartige Erscheinung darstellt. Auch eine multipolare Ordnung wäre generell von ihm bedroht. Und auch die Kulturkreislehre, der "Kampf der Kulturen", oder die Frontstellung zu einem aggressivem Islamismus, existiert für das "neue Rom" nicht mehr.

Gütige Hegemonie

Angesichts dieser geopolitischen Konstellation müssten sich die US-Führer vielfach glücklich schätzen. Endlich können sie all ihre machtpolitischen Ziele verfolgen, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen. Doch Achtung! Könnten sich andere Staaten nicht von einer solchen knallharten Interessenspolitik provoziert fühlen und sich möglicherweise zu Gegenkoalitionen formieren? Bedenken wie diese des Realpolitikers Joseph S. Nye jr. wischen die kalten "Analytiker der Macht" vom Tisch. Wer so denkt, übersieht oder verkennt einfach "die Realität des internationalen Systems".

Trotzdem raten sie der Regierung, ihre Macht nicht schrankenlos zu missbrauchen. Was in der Wirtschaft oder im Alltagsleben oft als ratsam erscheint, nützt in der Regel auch im System der politischen Beziehungen. Politische Ziele lassen sich in der Regel durch Güte, Großmut und Generosität eher erreichen als durch Rechthuberei, blinde Konfrontation oder die Demonstration unnachgiebige Härte. Hier dürfte wohl die kluge Formel einer "gütigen Hegemonie" bzw. eines "gütigen US-Imperialismus" Pate gestanden haben, die vor einiger Zeit William Kristol, Kolumnist und Chefredakteur des Weekly Standard geprägt und als Parole für den Umgang mit anderen Staaten, Völkern und Nationen ausgegeben hat.

Andererseits ist auch den beiden Hardlinern und "aggressiven Unilateralisten" bewusst, dass die global dringlichsten Probleme wie "Umwelt, Krankheit, Migration und die Stabilität der Weltwirtschaft" nur unter Mithilfe von Partnern, Freunden und Allianzen bewältigt werden können. Deshalb sollen auch Russland und China in das internationale System einbezogen werden, obwohl diese Strategie mittelfristig vielleicht eher deren autoritäre Strukturen stärkt und der politischen Theologie des Universalismus, der sich der stramme Jung- und Neokonservatismus verpflichtet fühlt, aber diametral zuwiderläuft. Doch schon die wirtschaftliche Zähmung der ostasiatischen Tigerstaaten in den Neunzigerjahren hat gezeigt, dass die Öffnung der Märkte für Investitionen und Produkte des Westens und die Einbindung in das wirtschaftliche System die erfolgreichste und beste Form der Unterwerfung und Kontrolle fremder Staaten und Konkurrenten sein kann.

Auch in diesem Fall gilt wohl immer noch die Formel, die die ehemalige Außenministerin und Busenfreundin Joschka Fischers, Madelaine Albright, geprägt hat, und die auch ihr Nachfolger im State Department, Colin Powell, zu seiner Devise gemacht hat: "Wir handeln multilateral, wenn wir können; und wir handeln unilateral, wenn wir müssen."

Alle Wege führen nach Washington

Einst führten alle Wege nach Rom; heute führen diese nach Washington. Das haben unlängst alle Regierungschefs der restlichen Welt in den Tagen nach dem Angriff auf die Twin Towers und das Pentagon erfahren. Wochenlang mussten sie, der eine oder andere vielleicht mit "klammheimlicher Freude" über den Anschlag im Herzen, zum Command & Control nach Washington reisen. Nachdem sie dem Präsidenten vor den Augen der Weltöffentlichkeit ihr herzlichstes Beileid ausgedrückt hatten, nahmen sie danach im Oval Office, und zwar unter Ausschluss derselben, ihre weiteren Befehle in Empfang.

Alliierte sind willkommen, nicht als Partner, aber als Instrumente amerikanischen Willens.

Adam Garfinkle

Schon allein deswegen sollte sich die restliche Welt von amerikanischen "Zugeständnissen" nicht blenden lassen. Vor allem die nicht, die ihre politischen Hoffnungen, Sehnsüchte und Energien unverdrossen auf die "Stärkung transnationaler Regierungsregime" setzen, auf Institutionen wie den "Internationalen Strafgerichtshof, dem UN-Sicherheitsrat und natürlich auch einer aufgeklärten Weltbank" (Claus Leggewie). Werden solche gemacht, dann nur, wenn sie in Übereinstimmung mit dem nationalen Interesse stehen. Die Enttäuschung in Europa über den "faulen Kompromiss" zum ICC, geriet nur deshalb so groß, weil sich Kommentatoren, Berater und Führer immer noch in politischen Illusionen "wiegen" oder Semantiken vor sich hertragen, die den weltpolitischen Realitäten widersprechen.

Schon laufen die Vorbereitungen für den dritten Golfkrieg auf vollen Touren. Die Aufmarschpläne wurden bereits auf den offenen Markt gehandelt. Wohl auch, um schon mal die Lage zu peilen und vorab die Bereitschaft der Partner zum Wegbomben des Barbaren und Oberschurken Saddam zu testen.

Bevor jedoch die US-Armada vor den irakischen Küsten und Wüsten aufkreuzen und vom Land, aus der Luft und vom Meer eine Dreifronten-Apokalypse für die Region entfachen wird, werden wir sicherlich Zeugen eines regen diplomatischen Rituals, das aus Konsultationen, Beihilfeersuchen und bilateralen Verhandlungen besteht. Und während auf den Prints und Screens der Weltöffentlichkeit noch erregte und hitzige Debatten über die Rechtmäßigkeit dieses Krieges entbrennen, einer medienästhetischen Variante von "panem und circensis", hat Washington derweil längst wie einst Rom souverän Tag und Uhrzeit des Angriffs festgelegt und über seine Form und seinen Umfang allein entschieden.

Der Niedergang

Gefahr für die Hypermacht droht bei Lichte betrachtet eigentlich nur von innen. Nicht von islamistischen Schläfern, Terrorzellen, Schwärmen oder Anthraxbombern, wie man meinen sollte, sondern von der schier eigenen Überheblichkeit und überzogenen Way of Life. Daran wird auch ein Hurrapatriotismus nichts ändern. Das Interesse an ihm wird bald erschlaffen.

Zbig Brsezinski hat diesen hedonistischen und aggressiven Egoismus, diese amoralische Gier nach persönlichem Glück, Besitz und Reichtum auf Kosten anderer, Anfang der Neunziger unter dem Schlagwort einer "permissive cornucopia" zusammengefasst. Sie war auch Anlass für Paul Kennedys berühmtes und viel diskutiertes Buch über "The Rise and Fall of the Great Powers". Diese "große Erzählung" über den Aufstieg und unausweichlichen Niedergang der amerikanischen Nation ist, nur weil es im Augenblick alleiniges Machtzentrum ist, noch längst nicht vom Tisch. Geschichte ist mehr als eine Momentaufnahme. Auch das erinnert nicht zufällig an Rom.