Technischer Zauber zur Abwehr des Bösen

Die Nasa schlägt für die Überprüfung von Flugzeugpassagieren, die in die USA einreisen, die Abnahme und Auswertung von Gehirnwellen vor - um mögliche Terroristen zu erkennen

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Nach dem 11.9. stand und steht noch immer die Sicherheitspolitik ganz oben auf der politischen Agenda, weil man mit einer solchen auf die Angst setzenden Politik vor einer unheimlichen Bedrohung und mit Kriegsgerassel schon seit jeher zumindest vorübergehend politische Erfolge einheimsen konnte. Und weil das Böse natürlich vornehmlich von Außen und von den Fremden droht, werden die Staatsgrenzen immer strikter kontrolliert, um verdächtige Personen zu identifizieren. Dabei sprießen offenbar die Fantasien der Technokraten, um mit intelligenten Grenzen alles endgültig in ein Panoptikum für eine umfassende Beobachtung des Verkehrs zu verwandeln, die auch vor den Grenzen des Schädels nicht mehr haltmacht.

Die US-Regierung investiert viel Geld. um im Rahmen der Homeland Security den Grenzverkehr schärfer zu kontrollieren. Das könnte auch nach hinten ausgehen, weil in einer globalisierten Welt die Grenzen eigenlich offener werden müssten, um eine Beschleunigung der Zirkulation von Fahrzeugen, Waren, Informationen und Menschen zu ermöglichen. Kontrollen aber setzen die Geschwindigkeit herab und verursachen Staus. Daher setzt die US-Regierung auf das Wundermittel Hightech, um eine "smart border" umzusetzen. Diese "Grenzen der Zukunft" sollen so intelligent sein, dass gleichzeitig alles Verdächtige und Gefährliche erkennen und abweisen, während sie einen möglichst ungehinderten oder sogar noch einen schnelleren Fluss der Waren, Informationen, Verkehrsmittel und Menschen bewirken sollen, die erwünscht und ungefährlich sind (Der Bau der amerikanischen Mauer).

Symbolisch am 11.9. September beginnt etwa das neue Kontrollprogramm für Ausländer, die in die USA vornehmlich aus arabischen Ländern einreisen. Ihnen werden Fingerabdrücke abgenommen, sie werden fotografiert und müssen sich während ihres Aufenthaltes regelmäßig melden (USA nimmt Fingerabdrücke von Ausländern). Die langen Landgrenzen mit Kanada und Mexiko werden weiter abgedichtet, besonders große Aufmerksamkeit legt man aber auf die Kontrolle an den Flughäfen. An allen Flughäfen soll bald die Möglichkeit vorhanden sein, biometrische Daten, zunächst Fingerabdrücke, zu erhalten. Getestet werden derzeit auch Überwachungskameras mit Gesichtserkennungsprogrammen oder Kabinen, in denen die Passagiere mit schwachen Röntgenstrahlen "entkleidet" werden, um ohne das Abtasten des Körpers verborgene Gegenstände erkennen zu können.

Aber die Überlegungen gehen noch weiter, um mithilfe der Technik die Guten von den Bösen unterscheiden zu können. Die Bundesflugbehörde FAA hat bereits den Fluggesellschaften erlaubt, von den Kunden eine Identifizierung über ein Foto zu erhalten und das Programm CAPPS (Computer Assisted Passenger Pre-screening System) einzurichten, mit dem aufgrund der gesammelten Kundendaten ein Profil erstellt und bewertet wird, um verdächtige Personen auszufiltern. Nach neuen Vorschlägen soll dieses Programm zu CAPPS-II erweitert werden, um auch Daten wie das Reiseverhalten, Vorstrafen oder Kreditinformationen sowie biometrische Daten aller Passagiere einzubeziehen (Bitte geben Sie Ihr Privatleben am Flugschalter ab). Damit will man es Passagieren ermöglichen, denen man vertrauen kann, schneller die Kontrollen zu passieren. Bei diesen würden biometrische Daten wie Fingerabdrücke oder Irismuster auf Ausweisen enthalten sein und an den Kontrollen überprüft werden, wenn sie sich durch eine Überprüfung als vertrauenswürdig erwiesen haben.

Die Nasa soll nun den Sicherheitsexperten der Northwest Airlines vorgeschlagen haben, im Rahmen dieser Überprüfungsmaßnahmen auch "nichtinvasive neuro-elektrische Sensoren" einzusetzen, die in Durchgänge eingebettet sind und die vom Gehirn und vom Herzen der Passagiere ausgehenden elektrischen Signale erfassen können. Die physiologischen Daten könne man dann mit den bereits erfassten Daten über eine Person verbinden, um so irgendwie einen Hinweis auf Passagiere zu finden, "die eine Bedrohung darstellen können". Wie die Washington Times aus Dokumenten erfahren haben will, die die Bürgerrechtsorganisation EPIC über das Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat, entwickelt die Nasa zusammen mit einem noch unbekannten Unternehmen solche Systeme, Gehirnwellen und Herzschlag zu messen und auszuwerten.

Herb Schlickenmaier sagte auf Anfrage der Times, dass der Vorschlag für die Northwest Airlines einer von insgesamt vier Testversuchen von Sicherheitstechnologien ist. Noch wisse man nicht, ob überhaupt eines dieser Systeme für die beabsichtigten Zwecke funktioniere. Er verglich das System mit einem Lückendetektor, der aus der Ferne biometrische Daten wie Körpertemperatur oder Puls erfassen kann. Das Abnehmen von Gehirnwellen von Passagieren, die durch eine Schleuse gehen, sei aber noch "theoretisch". Man müsse erst einmal herausfinden, ob dies überhaupt physikalisch möglich sei. Normalerweise werden Gehirnwellen von Elektroden gemessen, die sich direkt am Kopf befinden. Abgesehen von der Fernabnahme der Gehirnwellen scheint die Nasa bereits ein Sicherheitssystem zu entwickeln. Im Dezember schlugen sie während einer Konferenz bei den Northwest Airlines einen Testdurchlauf mit den von Fluggesellschaft gespeicherten Passagierdaten vom Juli, August und September 2001. Mit einer Software zur Beurteilung von Gefahren, die Gesichtserkennung und eben auch Daten von "neuro-elektrische Sensoren" umfasst, sollten diese dann analysiert werden. Ob die Fluggesellschaft die Daten an die Nasa gegeben hat, ist nicht bekannt.

Allerdings ist das Forschungsprojekt der Nasa als Vorschlag so verwegen nicht, schließlich soll so ein System nach dem unlängst von Präsident Bush vorgestellten Programm für Homeland Security tatsächlich auch mit der Weihe von ganz oben entwickelt werden. Nötig sei, so liest man in der National Strategy for Homeland Security (Systeme zum Erkennen der bösen Absichten von Terroristen), die Entwicklung von "Systemen zur Entdeckung feindlicher Intentionen", da für den Terrorismus immer Menschen notwendig seien, die die Anschläge vorbereiten oder durchführen. Die müssten sich doch auch so verhalten, dass ihre "kriminellen Absichten zu erkennen sind".

Zwar wird es auch den Nasa-Wissenschaftlern noch ein Geheimnis sein, wie man aus einem EEG und dem Herzschlagrhythmus einer Person einen Terroristen erkennen können soll. Sollen die dann besonders aufgeregt sein, wenn sie die Schleuse passieren - vielleicht weil sie an die Überlegenheit der amerikanischen Wissenschaft glauben und Angst haben, damit könne man tatsächlich ihre Gedanken lesen? Sollte es gar für die Nasa ein terroristisches Gehirnareal geben, das permanent aktiv ist und eben auch dann zu erkennen ist, wenn ein potenziell Böser mit jagendem Herzen schnell durch die Schleuse läuft? Jetzt fehlen nur noch die Genforscher, die Gentests bei allen Passagieren durchführen wollen, weil sie das Terrorismusgen festgestellt haben. Die mutmaßlichen Täter vom 11.9. sind übrigens meist ganz unauffällig unter ihrem wirklichen Namen in die USA eingereist.

Bei Lügen scheinen allerdings bestimmte Gehirnareale besonders aktiv zu sein (Erhöhte neuronale Aktivität beim Lügen). Das ließe sich dann tatsächlich auch feststellen, vermutlich mit einem ähnlich hohen Fehlerrisiko wie beim herkömmlichen Lügendetektor. Wissenschaftler entwickeln tatsächlich auch schon einen Lügendetektor, der aus der Distanz über thermische Bilder des Gesichtsbereichs um die Augen erkennen können soll, ob jemand lügt. Doch bei all diesen technischen Verfahren werden physiologische Reaktionen von Menschen auf bestimmte Vorgaben messen, nicht einfach Hirnwellen oder der Herzschlag beim Schlendern durch eine Schleuse erfasst.