Titanischer Smog

Dunstschleier um den Saturnmond gelüftet

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Ein internationales Wissenschaftlerteam hat sich mit dem Klima des Saturnmondes Titan beschäftigt und veröffentlicht seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

Titan, Bild: Voyager/NASA

Im antiken Griechenland galten die Titanen als Schöpfer des ersten Menschengeschlechts. Titan war eines der Kinder von Uranus und Gaia. Besiegt und verbannt wurden die Riesengötter von den Olympiern, Zeus wurde oberster Gott. Seitdem sind die Titanen nicht mehr an der Macht beteiligt, aber Titan zieht weiter seine Kreise um den Planeten Saturn.

Der Mond Titan wurde bereits im 17. Jahrhundert von dem holländischen Astronomen Christiaan Huygens entdeckt. Er ist der einzige Mond mit einer dichten Atmosphäre - Neptuns natürlicher Satellit Triton hat eine dünne Atmosphäre - und mit einem äquatorialen Durchmesser von 5150 Kilometern der zweitgrößte in unserem Sonnensystem. Seine Atmosphäre besteht vor allem aus Stickstoff, es sind aber auch Methan, Argon und organische Moleküle vorhanden. Seine Oberfläche bleibt unter dicken Schichten von Dunst vor unseren Blicken verborgen. Die Astronomen gehen davon aus, dass sich Titan heute in einem Zustand befindet, der dem der Erde vor 4.6 Mrd. Jahren ähnlich ist. Das macht Untersuchungen dieses Saturnmondes besonders interessant.

P. Rannou und F. Hourdin von der Universit Paris 6 und C.P. McKay vom NASA-Ames Research Center haben sich mit dem Klima auf Titan beschäftigt und eine Simulation der Situation der Vorgänge auf der unsichtbaren Oberfläche des Mondes geschaffen. Die für optische Angriffe undurchdringliche Hülle des Trabanten besteht aus verschiedenen Schichten eines Dunstschleiers, die sich scheinbar unabhängig voneinander bewegen, und in der sich in einer Höhe von 400 km organisches Material verdichtet. Die kosmischen Meteorologen sehen die Ursache für diesen Smog in einem Wechselspiel mit den Winden und der Sonneneinstrahlung, die für die Zirkulation sorgen. Smogpartikel bewegen sich in unterschiedlichen atmosphärischen Höhen von den warmen Gefilden in die kalten und wieder zurück. Die Zusammensetzung der Strömung in der Dunstglocke verändert sich mit den Jahreszeiten. Ein Titanjahr dauert dreißig Erdenjahre, deswegen sind die jahreszeitlich verschiedenen Zirkulationsmusters des Dunstes sehr langwierig. Aber auch während des Sommers ist es alles andere als gemütlich auf der Oberfläche des Mondes: es herrscht eine Temperatur von minus 200 °C und immer wieder prasseln Methan-Hagelschauer vom Himmel herab.

Saturn von Titan aus gesehen, Illustration zur Mission der Huygens-Sonde, Bild: ESA

Die Computersimulation der Atmosphärenströmungen der Forscher beruhen auf meteorologischen Modellen von der Erde. Wie schon erwähnt betrachten Paläoklimatologen und Astrobiologen Titan als eine Art Prototyp eines frühen Planeten, weil sie davon ausgehen, dass die Bedingungen unter den Smogschleiern denen auf der Erde vor mehr als 4 Millionen ähneln. Titan kreist zwar als Mond um Saturn, passt aber von seinen Eigenschaften her mehr in die Kategorie der Planeten. Die Kosmologen gehen nicht davon aus, dass Leben auf Titan existiert, denn dafür sind die Bedingungen unter der dicken Smogschicht zu unwirtlich, aber sie hoffen, die Vorbedingungen erforschen zu können, die die Entstehung von Leben ermöglichen. Methan und Stickstoff-Moleküle könnten sich dort zu komplexen organischen Materialien wie Kohlenwasserstoffen oder sogar Aminosäuren - den Grundbausteinen des irdischen Lebens - zusammenschließen. Christopher McKay erläutert:

Titan ist eine interessante Welt. Sein organischer Dunst könnte ein Beispiel für die präbiotische organische Chemie sein, die zu Leben auf der Erde führte.

Mehr Verständnis für die komplexe Chemie der Titan-Atmosphäre könnte der Schlüssel zum Grundverständnis der Evolutionsgeschichte auf unserem blauen Planeten sein und das neue Klima-Modell ein entscheidender Schritt in diese Richtung. Bisher ist es nur eine Simulation, die nicht alle tatsächlichen Variablen einbeziehen kann, da sie unbekannt sind. In seinem begleitenden News&Views-Artikel in der selben Ausgabe von Nature weist Robert E. Samuelson von der University of Maryland darauf hin, dass das Modell ein wertvoller erster Versuch einer quantitativen Analyse ist, aber viele Details noch nicht restlos überzeugen. Wichtige Grundlagen, die bisher unbekannt sind, soll die Huygens-Sonde der Cassini-Mission erbringen, die im Januar 2005 in die Atmosphäre des Titan einfliegen und auf der geheimnisvollen Oberfläche landen soll. Die Sonde wird Proben nehmen und Bilder senden, wenn alles klappt wie geplant.