Sag mir, wo die Sterne sind, wo sind sie geblieben?

Lichtverschmutzung lässt die Sterne verschwinden und ist ein großes Problem für viele Tiere

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Warum wir aufhören sollten, unsere Städte in nächtliche Lichtmeere zu verwandeln, erläuterten Experten auf dem 2. Europäischen Symposiumzum Schutz des Nachthimmels.

Lichtverschmutzung weltweit: The World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness

Die Erfindung des elektrischen Lichts ist für die Menschheit fraglos ein Segen gewesen. Aber der helle Lichtschein, der die Nacht zum Tag werden lässt, hat auch Schattenseiten. Vor allem die öffentliche Beleuchtung der Städte, die Lichtstrahlen, die sich hoch in den dunklen Himmel hineinzeichnen, behindern nicht nur Sternengucker, sondern sind auch ein großes Problem für eine Vielzahl von Tieren. Ein großer Teil der Bevölkerung in den Städten der Industrie-Staaten hat keine Chance mehr, einen Blick auf die Milchstrasse zu werfen, die künstliche Beleuchtung überstrahlt sie. In den Ländern der Europäischen Union gilt das für die Hälfte der Einwohner. Das vielfältige Kunstlicht erstickt in seinen Lichtdomen die meisten Sterne. Nach Untersuchungen von Astronomen sieht das menschliche Auge am unverschmutzten Himmel ungefähr 2'500 Sterne. In den Vorstädten der westlichen Staaten reduziert sich die Zahl auf 200-300 Sterne und in den Innenstädten sind nur noch einige Dutzend sichtbar.

Europa strahlt nachts, Bild: Darksky Switzerland

Lichtverschmutzung lautet der Fachbegriff für die künstliche Aufhellung des Nachthimmels. Geprägt wurde der Terminus bereits Mitte der vergangen Jahrhunderts und er umfasst sowohl künstliches Licht, das an Luft- und Staubpartikeln in der Atmosphäre gestreut wird, wie das direkt blendendes Licht. Beide Arten der Lichtverschmutzung sorgen dafür, dass unsere Nächte immer heller werden. Grundlegende Elemente der Lichtverschmutzung sind die Beleuchtung von Wohnanlagen, Schaufenstern, Industriegebieten und vor allem die Straßenbeleuchtung. Herausragende Rollen spielen inzwischen außerdem Lichtreklamen und so genannte Skybeamer, lichtstarke bündelnde Scheinwerfer, mit denen vor allem Nachtclubs Lichtkegel in den Himmel stanzen. Pro Jahr nimmt die nächtliche Helligkeit in Deutschland um sechs Prozent zu, in anderen Staaten wie z.B. Japan liegt die Zunahme doppelt so hoch. Vergangenes Jahr erstellten Astronomen aus Italien und den USA einen Weltatlas der Lichtverschmutzung zusammen (Vgl. Milchstraße verschwindet hinter milchigem Gewand), sie schätzen, dass 99 Prozent der Europäer und US-Amerikaner unter lichtverschmutzten Bedingungen leben. Was die konstante Helligkeit für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen bedeutet ist noch nicht genügend erforscht. Gefangene in eine Zelle mit hellem Dauerlicht zu sperren, gilt heute als Foltermethode. Aber welche Rolle gedämpftes Licht spielt, ist umstritten. Diskutiert wird über mögliche Schlafstörungen, Beeinträchtigungen des Hormonhaushaltes und des Immunsystems sowie Konzentrationsprobleme.

Die Beeinträchtigung der Tierwelt ist in Teilen gut erforscht. Bekannt ist, dass Seeschildkröten durch Kunstlicht nachhaltig in ihrem Nistverhalten gestört werden. Vögel und vor allem Zugvögel werden durch Scheinwerfer oder andere starke Lichter von ihrer Flugbahn abgebracht. Erschöpfte Tiere müssen dann notlanden oder kommen von ihrem Weg ab, was tödlich für sie enden kann. Insekten fallen zu Milliarden künstlichen Lichtquellen zum Opfer, fast jede Straßenlaterne ist ein Nachtfalterfriedhof. Die toten Insekten wiederum locken Beutetiere wie Fledermäuse oder Vögel an, die an den Straßen eher Giften und anderen Risiken ausgesetzt sind, als in ihrem angestammten Lebensraum. Das sind einige Beispiele für die Gefährdung von Artenvielfalt und biologischem Gleichgewicht, die aus der Lichtverschmutzung resultieren.

Ein Skybeamer, Bild: Darksky Switzerland/Julio Dieguez

Als erstes Land der Welt hat Tschechien in diesem Jahr ein nationales Gesetz gegen Lichtverschmutzung erlassen (Vgl. Kampf um die Schönheit der Nacht).

Die Stadt Tucson in Arizona gilt den Kritikern der Nachtbeleuchtung als positiver Modellfall. In ihrer direkten Umgebung finden sich verschiedene Observatorien und seit vielen Jahren wird hier alles getan, um die Nacht nicht zum Tag werden zu lassen. Wer durch die Stadt fährt, ist auf seine eigenen Scheinwerfer angewiesen und selbst im historischen Zentrum gehen die Straßenlampen erst an, wenn sich ein Fußgänger nähert, um dann gleich wieder zu erlöschen, wen er vorüber gegangen ist. Entsprechend verschlafen wirkt die Metropole in einem Dorf zu sein. Zur Idee von urbaner Lebendigkeit gehört eben auch ein gewisses Maß an Licht. Aber dafür kann man in Tucson jede Nacht die Milchstraße sehen.

So extrem muss es ja nicht sein, allein mehr Bewusstsein und bessere Lampen würden schon enorme Verbesserungen bringen. Deutsche Experten zu dem Thema wie der Physiker Andreas Hänel von der Universität Osnabrück oder der Zoologe Gerhard Eisenbeis von der Universität Mainz geben auf ihren Homepages praktische Tipps. Dazu gehören Bewegungsmelder statt Dauerlicht rund um Häuser, oder Leuchtstoffröhren statt Quecksilberdampf-Hochdrucklampen als Straßenbeleuchtung. Als Zielsetzung nennen die Experten eine Beleuchtung, die nur so hell wie nötig ist, fest umrissen ausleuchtet und nach Möglichkeit zeitlich begrenzt ist. Nicht zuletzt sollte noch gesagt sein, dass viele Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung beträchtliche Energieeinsparungen bringen, wodurch ein zusätzlicher Umweltmehrwert erzielt werden könnte.