Quaoar zeigt Pluto die rote Karte

Neue Vermessungen zeigen, dass der im Kuiper-Gürtel kreisende Quaoar das größte Objekt jenseits des Pluto ist

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Die Entdeckung dieses Kleinplaneten lässt die Einordnung des Pluto als "echten" neunten Planeten noch unwahrscheinlicher erscheinen als bisher.

Größenvergleich von Quaoar mit anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems, Bild: NASA & Bertoldi

Die Diskussion um die Einordnung des Pluto (Vgl. Pluto wird kälter und wärmer zugleich) beschäftigt die Astronomen seit Jahren. Der nach dem römischen Gott der Unterwelt benannte Planet wurde 1930 entdeckt, ein Mond namens Charon umkreist ihn. Bisher gilt er als das entscheidende Maß für die strittige Definition, welche Himmelsobjekte als Planet und nicht als Asteroid eingestuft werden. Seine Größe von 2300 km wird sozusagen als Grenzwert angesetzt. Allerdings ist der finstere Eisbrocken mit dem Unterweltsnamen deutlich kleiner als der Mond der Erde.

Jenseits des umstrittenen neunten Planeten umkreisen an der äußersten Grenze unseres Sonnensystems eine Vielzahl an kleinen Himmelobjekten aus Stein und Eis unser Zentralgestirn. Im Kuiper Gürtel, auch Kuiper-Disk genannt, bewegen sich hunderttausend Trabanten in einer Entfernung von mehr als 4 Milliarden Kilometer mit Umlaufzeiten von circa 300 Jahren rund um unsere Sonne. Dieses Band aus offiziell auch Klein- und Kleinstplaneten genannten Himmelskörpern wurde theoretisch bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts von den Astronomen Kenneth Edgeworth (1880-1972) und Gerard P. Kuiper (1905-1973) vorausgesagt. Effektiv entdeckt wurde das erste nach ihnen benannte Edgeworth-Kuiper-Objekt (EKO) allerdings erst 1992. Zwanzig Jahre später sind mehr als 550 der kleinen Objekte bekannt (vgl. List Of Transneptunian Objects). Mindestens 70'000 davon sollen einen Durchmesser von 100 km und mehr aufweisen.

Inzwischen ist auch ein EKO bekannt, um das ein Mond kreist (Vgl. Pluto bekommt Konkurrenz aus der direkten Nachbarschaft), auch dieses Qualifikationsmerkmal für einen echten Planeten ist also nicht mehr schlüssig. Und jetzt wurde ein Kleinplanet im Kuiper-Gürtel entdeckt, der immerhin halb so groß wie Pluto und damit größer als alle anderen bisher dort entdeckten Objekte ist. Ein Team von Astronomen des California Institute of Technology stellte den im Durchmesser 1250 km großen "Quaoar" vor. Benannt haben sie ihn nach dem Schöpfergott des Tongva-Stammes, der Ureinwohner der Gegend um Los Angeles. Quaoar umkreist die Sonne jeweils 288 Erdenjahre lang auf einer kreisförmigen, sehr regelmäßigen Bahn, sechs Milliarden Kilometer von uns entfernt. Er hat mehr Masse als alle Objekte im Asteroidenband zwischen Mars und Jupiter zusammen (vgl. Crash im Asteroidengürtel). Mike Brown und Chad Trujillo entdeckten Quaoar im Sommer und verglichen das von ihnen gemachte Bild mit alten Aufnahmen aus den Jahren 1982, 1996, 2000 und 2001. Dazu kamen Abbildungen des Hubble Space Telescope (HST) und thermische Bilder des spanischen IRAM-Teleskops (Institut de Radioastronomie Millemétrique). Dadurch gelang es ihnen, die Distanz, orbitale Bahn und Größe des Kleinplaneten zu bestimmen.

Brown nimmt an, dass Quaoar seit vier Milliarden Jahren im gleichen Orbit kreist. Zukünftige Entdeckungen im Kuiper-Gürtel geben Aufschluss über den ursprünglichen Zustand unseres Sonnensystems, denn die Region ist eine Art Schutthalde des Urnebels, aus dem sich Sonne und Planeten geformt haben.

Und alles sieht danach aus, dass Pluto zu dieser Region gehört, ein EKO und kein eigentlicher Planet ist. Brown und Trujillo sehen Quaoar nicht als zehnten Planeten, sie gehen davon aus, dass der neunte Planet als solcher obsolet ist und in den kommenden Jahren mehrere ähnliche EKOs wie Quaoar gefunden werden, worunter auch einige "Super-Plutos" sein könnten. Brown kommentiert: "Quaoar ist ein Beleg dafür, dass Pluto kein Planet ist. Wenn Pluto heute entdeckt würde, würde ihn niemand als Planeten bezeichnen, denn er ist ganz klar ein Kuiper-Gürtel-Objekt."

Gleichzeitig gelang auch Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie die genaue Vermessung mehrerer Kleinplaneten im Kuiper-Gürtel. Die Beobachtungen der Bonner Astronomen Frank Bertoldi und Wilhelm Altenhoff mit dem 30-Meter-Teleskop von IRAM und MAMBO (Max-Planck-Millimeter-Bolometer), einem sehr empfindlichen Wärmesensor bestätigen sie den Durchmesser von Quaoar und weiterer EKOs mithilfe von Wärmestrahlenaufnahmen.

"Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Kleinplanet am Himmel bewegt, verrät uns seine Entfernung", erläutert Bertoldi das Verfahren, "und damit können wir die durch Sonnenstrahlung erzeugte Oberflächentemperatur des Objekts berechnen. Die von uns gemessene Stärke der Wärmestrahlung, die von der Oberflächentemperatur und der Größe des Kleinplaneten abhängt, zeigt uns dann, wie groß der Kleinplanet tatsächlich ist. Hingegen erlaubt uns die optische Helligkeit, also die Reflexion des Sonnenlicht, keinen genauen Aufschluss über die Größe des Objekts, weil wir das recht niedrige Reflektionsvermögen der Oberfläche vorab nicht kennen".