Was machen eigentlich die deutschen Neonazis?

Sie versammeln sich online in den USA und dominieren die Inhalte auf den Webservern der dortigen Nazi-Provider

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Die US-amerikanischen Hitler-Darsteller wie der berüchtigte Gary Lauck, pseudoreligiöse Sekten wie die World Church of the Creator und andere "White Supremacists" und "White Power"-Anhänger dürfen die Technik bereitstellen, geben sich aber damit zufrieden, ein paar Unterforen in englischer Sprache zu benutzen. Und zu allem Überfluss ist einer der wichtigsten Sponsoren amerikanischer Neonazi-Provider der Nachfahre eines deutschen Wehrmachtsgenerals. Das Motto: Am deutschen Neonazi-Wesen soll die rechte US-Szene genesen.

Noch vor einem Jahr war die Domain "front14.org" wichtigste Sammelstelle rassistischer und antisemitischer Propaganda im Internet. Die Website wurde abgeschaltet, ihr Erbe hatte "odinsrage.com" übernommen. Dessen Betreiber Larry Bertolino aus Ohio alias "Yoder" posiert gern vor einem Hitler-Bild und hat "RAHOWA" auf seinen Arm tätowiert - für "Racial Holy War". Bertolino und seine Firma Yoderanium Productions Hosting Service hosteten zahlreiche deutsche und österreichische Neonazi-Websites wie zum Beispiel das rechte Online-Satire Magazin "Unrat", die satanistischen Lords of Hell aus Australien, "arische" Metal-Bands oder die "Volkstreue Kameradschaft Süd-Württemberg".

Viel Geld scheint der gut zwanzigjährige "Student" nicht verdient zu haben. Deshalb hat er jetzt mit der "White Alliance" aus Michigan fusioniert. "White Alliance" alias Richard Anderson aus Kalamazoo versuchte sich in der Vergangenheit ziemlich erfolglos als Internet-Provider. Die rassistische "Allianz" ist keine Partei, sondern ein Sammelsurium regionaler und untereinander zerstrittener Gruppen und einzelner Neonazis. Bertolino und Anderson betreiben jetzt www.whiterage.us.

Doch viele ihrer ehemaligen Kunden sind zur Konkurrenz gewechselt, - zu diespinne.org. Das hört sich deutsch an - und soll es auch sein. Der Domaininhaber heißt Rainer Erich von Falkenhorst aus Houston, Texas. "Die Spinne" - "National Association for the Advancement of Nordic Aryan Peoples" (N.A.A.N.A.P.) - ködert potentielle Kunden mit dem Download rechter Musik.

Der Sohn des deutschen Generals Rainer Erich von Falkenhorst II und der gleichnamige Enkel (III) werben für ihre Firma, die Webdesign verkauft, aber offenbar am meisten an Wehrmachts-Devotionalien verdient. Ihre diversen Domains verherrlichen die Taten des Großvaters und werben gleichzeitig für dieProdukte wie "Hitlerjugend Blood & Honor Knife" oder "Fuhrer Standard and Parade Banners".

Wer die Mitglieder der N.A.A.N.A.P sind, scheint strittig zu sein. Der Neuseeländer Neonazi Dale Peterson, der auf seiner Website mit Braunhemd und Hakenkeuzfahne posierte, hat sich den Titel "Nationaler Direktor" des "Advancement of Nordic Aryan Peoples" (NAANAP) zugelegt und gibt seine Gruppe als Abspaltung der rassistischen Politsekte "Aryan Nations" aus. Rainer Erich von Falkenhorst II distanziert sich in E-Mails vom "Nationalen Direktor" Dale Peterson und seiner NAANAP. Peterson habe behauptet, er sei mit der Familie des Generals verwandt - und das sei gelogen. Wahr ist, dass der General und spätere Generaloberst Falkenhorst (eigentlich: von Jastrzembski) 1940 die Weserübung kommandierte, die Besetzung Dänemarks und den Überfall auf Narvik. Er war Hitlers Oberbefehlshaber in Norwegen. Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurde er zum Tode verurteilt, die Strafe jedoch in zwanzig Jahre Haft verwandelt, von denen er nur wenige verbüßen musste. Falkenhorst starb 1968 in Holzminden.

Sohn und Enkel des Nazi-Generals halten sich auf ihren Homepages auf den ersten Blick politisch zurück. Zudem arbeiten sie mit den Nachfahren Hans Goebelers zusammen, die keine Neonazis zu sein scheinen. Goebelers U-Boot 505 wurde 1944 von mehreren US-Zerstörern und dem Flugzeugträger "Guadalcanal" verfolgt und gekapert. Goedeler blieb bis zum Kriegsende in den USA in Gefangenschaft und organisierte drei Jahrzehnte später ein Veteranentreffen der ehemaligen Gegner. "Sein" Boot ist in den USA berühmt und seit 1954 im Museum of Science & Industry in Chicago zu besichtigen. Goedelers Ehefrau Erika lebt in Florida und handelt ebenfalls mit Wehrmachts-Devotionalien.

Die Falkenhorsts haben aber nichts gegen ein Werbebanner des Neonazis Lauck, der auf seiner Homepage den Holocaust leugnet, "Mein Kampf" im Volltext anbietet und antisemitische Hassparolen verbreitet. Andere einschlägige Homepages wie Hammerwar.com loben die Falkenhorsts in den höchsten Tönen. Der Enkel Falkenhorsts ist ein waschechter Nazi: unter seiner E-Mail-Adresse erich88vonfalkenhorst88@hotmail.com Yversucht er, sich bei den Scriptkiddies auf Hacker-Seiten anzubiedern.

Die Website White Pride World Wide empfiehlt Falkenhorsts Domain und Firma fiworld.com - mit demselben Logo wie das des "Nationalen Forums" auf "diespinne.org". Dieses Forum ist einer der weltweit wichtigsten Online-Sammelplätze von Rechtsextremisten - mit mittlerweile über 1.000 registrierten Nutzern. Holländische Neonazis haben eine eigene Sektion, bei der "Euskalherria Nacionasocialista" wird baskisch (www.euskalherria.org) gesprochen und ein eigener baskischer Staat gefordert. Falkenhorst III betreut als "Erich88" die "Foreign speaking section".

Im "Nationalen Forum" bietet mittlerweile fast der gesamte kleinere neonazistische Versandhandel aus Deutschland seine Produkte an. Der Vertrieb rechter Musik ist konspirativ organisiert. Die Realnamen sind nur wenigen bekannt. Die größte Datenbank RAC (Rock against Communism), die auch dem "Nationalen Forum" angeschlossen ist, betreibt ein ehemaliger Webdesigner aus Olpe in Nordrhein-Westfalen. Der 22jährige David B. versuchte in den in den letzten Tagen, alle Spuren seines realen Namens zu verwischen. Unter seinem Pseudonym "PlutonSvea" - eine schwedische Nazi-Rockband - betreute er seit Frühjahr diesen Jahres das Forum. Seine Website www.h8music.tk hat er aufgegeben.

Die Dominanz deutscher Neonazis zeigt sich auch in den IRC-Kanälen auf den Servern irc.yoderanium.com und irc.wpww.net. Dort chatten Mitglieder der "World Church of the Creater", rechte Separatisten aus Kanada propagieren, sie seien "vrais patriotes" - aber die meisten Nutzer hat der Channel "#nationalersturm". Man spricht deutsch. Und streitet sich, wie es unter Neonazis üblich ist. Das Publikum des "Nationalen Forums" ereifert sich über ein ähnlich braunes Produkt - das Forum des deutschsprachigen "Neo Germania NS Portals" mit der "einfallsreichen" Domain adolfus-bund.org - Domaininhaber Gary Lauck, Nebraska. Dort muss der Nazi-Surfer Geld lassen, wenn er in den "Genuss" der zahlreichen Hakenkreuze kommen, "Kill den Kanack" online spielen oder antisemitisches Hetztiraden als zip-File dwonloaden will. Die primitive Hitler-Nostalgie à la Lauck scheint aber die braunen Massen nicht anzuziehen, nur wenige Website sind dort gehostet.

Wer Jugendliche erreichen will, muss deren Medienverhalten kennen. Die Aktivisten in der Neonazi-Szene Deutschlands sind in den letzten zwei Jahren dazu übergegangen, die neuen, populären und gratis erhältlichen Programme zu nutzen, mit denen Homepages im World Wide Web ausgestattet und erweitert werden, zum Beispiel "phpBB". Auch das "Nationale Forum" ist ein Klon der phpBB-Freeware. Mit dieser Software des englischen Entwicklers James Atkinson kann jeder ohne technische Vorkenntnisse ein Diskussionsforum auf seiner Website einrichten und das Layout seinen Wünschen anpassen. Die Zahl der phpBB-basierten Foren hat sich in den letzten Monaten explosionsartig erhöht. Fast alle Online-Läden, die die rechte Szene ansprechen wollen, nutzten die Software.

Die Rechner der Shops stehen nur selten in Deutschland, viele Neonazis haben ihre Domain mittlerweile im Pazifik-Staat Tolekau gratis eingetragen, beliebt ist auch ein Provider im mittelamerikanischen Belize, der die Anonymität seiner Kunden garantiert. Sogar im südamerikanischen Guyana ist eine rechte Seite angemeldet.

Deutschtümelei wie "Weltnetz" für "Internet" gehört zum Ambiente einer rechten Website. In der Realität spiegelt der Jargon in den Diskussionsforen die Anglizismen im Internet wider: Eine Neonazi-Gruppe nennt sich "Untergrund Divisions Team Weserbergland". Die will eine "Suchmaschine für nationale Heimatseiten" entwickeln, die "fragwürdige", das heißt: antifaschistische Websites nicht anzeigt. Das Projekt fand jedoch kaum Widerhall. Mit technischen Mitteln lässt sich das Internet nicht zensieren - auch nicht für braune "Kameraden." Und das ist auch gut so.