Erklärt die Acht das Universum?

Moderne Zahlenmagie

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Die Chinesen (vgl. Zahlen, bitte!) - und die Inder und die Juden usw. usf. - wussten es schon immer: Die Acht ist eine magische Zahl. Mittlerweile sind auch Physiker bei dieser Erkenntnis angelangt. Der Mathematikprofessor Ian Stewart erklärt im New Scientist die entsprechenden Zusammenhänge halbwegs kindgerecht.

Zunächst einmal liegt den Mathematikern gar nicht die triviale Zahl Acht am Herzen, sondern das achtdimensionale Zahlensystem der Oktonionen bzw. der so genannten Cayley-Zahlen. Dabei geht es um Folgendes:

Die komplexen Zahlen kennt, wer im Gymnasium brav aufgepasst hat (oder wenigstens Fermats Letzten Satz gelesen hat, ein Buch, das zwar den Beweis von Fermats Satz nicht erklärt, dafür aber die komplexen Zahlen). Knapp formuliert geht es darum, dass die Definition einer Zahl i, deren Quadrat die Zahl -1 ist, Sinn macht. Hat man erst einmal i definiert, kann man sich komplexe Zahlen basteln à la 2 + 3i. Die Definition von i macht deswegen Sinn, weil man mit den komplexen Zahlen weiterrechnen kann und diese weiteren Rechnungen ein paar Gesetzmäßigkeiten folgen. Wer eine ausführlichere Einführung zu den komplexen Zahlen sucht, findet sie hier.

Wo eine zweite Dimension ist, da ist auch ein dritte, dachten sich Mathematiker, und suchten nach einem Zahlensystem mit einer Dimension mehr. Das klappte aber nicht so recht, bis der Ire William Rowan Hamilton im Jahr 1843 den Durchbruch erzielte. Hamilton ist ein Mathematiker aus dem Bilderbuch (oder soll ich sagen, Fermat-Buch?) mit Hebräischkenntnissen als Fünfjähriger und Selbstmordversuch im Lebenslauf. Was Hamilton entdeckte, war die Tatsache, dass die Sache zwar in drei Dimensionen nicht funktioniert, wohl aber in vier Dimensionen. Seine Entdeckung waren die Quaternionen.

Komplexe Zahlen haben einen imaginären Bestandteil, nämlich i. Quaterionen haben deren drei, nämlich i, j, k. Eine entsprechende Zahl wäre etwa 2 + 3i + 5j + 2k. Dabei gilt, dass das Quadrat von i, von j oder von k gleich -1 ist - und dass zugleich das Produkt von i, j und k ebenfalls -1 ist (versuchen Sie besser gar nicht, sich das konkret vorzustellen). Wer's ausführlicher will, wird hier bedient.

Schon kurze Zeit nach Hamiltons Entdeckung war das nächste Zahlensystem gefunden, diesmal mit sieben imaginären Teilen. Der Entdecker war John Thomas Graves, gleichfalls Ire und Juraprofessor in London, der nebenbei Mathematik betrieb. Forschungen von Graves hatten Hamilton nach dessen eigener Aussage erst zur Entdeckung der Quaternionen gebracht. Es war also nicht erstaunlich, dass Graves das nächste System auffinden würde.

Doch gleichzeitig mit Graves kam auch Arthur Cayley auf dieses System. Cayley war ein erstaunlicher Mann: Mit seinem Brotjob Anwalt finanzierte er seine Berufung Mathematiker (und publizierte in 14 Jahren 250 mathematische Aufsätze), bis er einen Lehrstuhl für Mathematik in Cambridge erhielt (was eine massive Einkommenseinbuße für Cayley, aber die Erfüllung seiner Berufung bedeutete). Da Cayley schneller im Publizieren war, heißt das System auch heute noch oft die Cayley-Zahlen. Noch bekannter ist es aber unter dem Namen Oktonionen.

Genug der Anekdoten. Was an den Oktonionen besonders ist, ist die Tatsache, dass es darüber anscheinend keine Zahlensysteme mehr gibt. Je weiter man sich von den realen Zahlen löst, desto mehr algebraische Gesetze bleiben auf der Strecke. Oberhalb der Oktonionen wäre nichts mehr übrig. Bis vor kurzem waren Oktonionen nur für sehr obskure Felder wie abstrakte Algebra oder Topologie von Interesse.

Doch nun versuchen Physiker, die String-Theorie mit den Oktonionen zusammenzubringen. Die String-Theorie ist, wie es die theoretische Physik so an sich hat, eine schrecklich komplizierte Sache. Freundlicherweise gibt es die Website zur Theorie, und besser als dort kann man es nicht in Alete-Kost-fürs-Kind-Form darbieten.

Anständige String-Theorien haben zehn bis elf Dimensionen, in denen man dann in den achtdimensionen Oktonionen rechnen kann, die hier dann wirklich Einsatz in der Physik finden. Wer es genauer haben will, kann entweder den Artikel von Ian Stewart im New Scientist nachlesen oder aber direkt die Arbeit von John Baez einsehen, auf die sich Ian Stewart bezieht.

Auch wer die Einzelheiten ohne Studium der theoretischen Physik nicht versteht (so wie es unsereinem ergeht), der kann dennoch bei der enthusiastischen Wertung von Ian Stewart hellhörig werden:

The humble 8 is no longer just a number. It's our key to the Universe.