Code 431.322.12 of the Internet Privacy Act

Auf vielen, vor allem deutschen Seiten mit rechtlich zweifelhaften Inhalten findet man ein Gesetz erwähnt, das unliebsame Gäste wie Polizisten vom Betreten der Seite abhalten soll

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Wer sich ein wenig auf den Websites umsieht, deren Betreiber zu Recht oder auch nicht juristische Folgen wegen der von ihnen angebotenen Inhalte fürchten, wird auf einige Bannsprüche treffen. Manche sind auch weltweit verbreitet und stellen eine Art juristisches Voodoo dar, das vor bösen Zugriffen schützen soll.

Vor allem in deutschen Landen glaubt man an Recht und Ordnung auch im Internet. Wo man hinsieht, trifft man beispielsweise auf das ominöse Urteil des Landgerichts vom 12. Mai 1998, das die Haftung von Links zum Gegenstand hat. Seitdem denken viele, sie könnten, wenn sie sich nur pauschal und allgemein, dafür aber höchst deutlich von allen Inhalten auf verlinkte fremde Websites distanzieren, der Verantwortung entgehen. Das wird natürlich besonders dann gerne gemacht, wenn auf Websites mit verbotenen Inhalten verlinkt wird, weswegen der Distanzierungsrhetorik auch bei den Rechten gerne gefrönt wird. Gleichwohl, die juristische Lage ist einigermaßen schwierig - und es kann ja nicht schaden (Linkhaftung: Gesetzgeberische Untätigkeit schafft endlich Klarheit).

Besonders beliebt bei deutschen Randgängern in Richtung Rechts oder MP3s, Appz, Gamez, Coding, Hacking, Moviez, etc., aber auch auf anderen Websites in vielen Ländern ist aber ein anderer Abwehrzauber. Man richtet eine öffentliche Website im Internet ein, will aber vermeiden, für Inhalte auf den eigenen Seiten zur Verantwortung gezogen werden zu können. Also stellt man vor sein Territorium ein Schild auf, das allen verbietet, die Website zu betreten, die irgendwas mit der Justiz zu tun haben oder Informationen an diese weiter geben könnten. Der Gedanke ist wohl, dass man mit diesem Verbotsschild eine Art Vereinbarung mit den Besuchern trifft, die gültig wird, sobald sie mit einem Klick die Website betreten. Das liest sich dann beispielsweise so:

Rechtswirksamkeit dieses Haftungsausschlusses
Dieser Haftungsausschluss ist als Teil des Internetangebotes zu betrachten, von dem aus auf diese Seite verwiesen wurde. Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Textes der geltenden Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen sollten, bleiben die übrigen Teile des Dokumentes in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit davon unberührt. Für gekennzeichnete Inhalte oder Verweise gilt zusätzlich der "Code 431.322.12 of the Internet Privacy Act", der alle Inhalte für Fremde unbenutzbar erklärt. Es ist grundsätzlich verboten diese Seiten zu betreten. Wenn Sie direkt oder indirekt in Verbindung mit Regierungen, Überwachungsdiensten, Justiz, staatlichen Stellen, Behörden oder ähnlichen Gruppierungen stehen oder gestanden haben, oder eine solche Verbindung aufzunehmen gedenken, ist der Zugang zu diesen Seiten, das Lesen derselben, Auswertung und Sammlung jeglicher in Zusammenhang stehender Informationen, sowie das Herunterladen von Dateien für sie absolut verboten.

Alle Objekte und Informationen in Datenbanken sind privates Eigentum und somit nicht zum Lesen bestimmt. Wenn Sie diese dennoch betreten oder benutzen, verstoßen Sie gegen den 1995 in den USA von Bill Clinton verabschiedeten "Code 431.322.12 of the Internet Privacy Act". Das heißt sie können gegen die Personen, die diese Dateien verwalten, in keiner Weise vorgehen, oder sie für irgendwelche Folgen der Verwendung dieser Daten verantwortlich machen.

Das ist eine sehr ausführliche Version des Abwehrzaubers. Besonders schön ist natürlich die Formulierung, dass es grundsätzlich verboten sei, diese Seiten zu betreten, die privates Eigentum und nicht zum Lesen bestimmt seien. Das ist ein wenig so, also würde man in einem Schaufenster - vielleicht noch ohne Scheibe - zu einer dicht bevölkerten Straße - um mal zu übertreiben - Diebesgut oder Kinderpornografie gut sichtbar zeigen und ein Schild davor stellen, dass es grundsätzlich verboten ist, sich das Gezeigte anzuschauen. Und wenn dann noch ein Polizist vorbeigeht und doch reinschaut, dann hat er wegen des Schildes die Vereinbarung mit dem Schaufensterbesitzer gebrochen, weswegen seine Aussagen und damit eine mögliche Anzeige null und nicht wäre.

Before you enter this web space, access any files from or otherwise attempt any form of any access to any PDX owned data, server, or service you must read and abide to the disclaimer below. Under any circumstances are you to view any information by, or pertaing to paradox security if you do not agree to the disclaimer and if you violate this code you are also you are violating code 431.322.12 of the Internet Privacy Act signed by Bill Clinton in 1995 and that means that you can NOT threaten our ISP or any person(s) or company storing these files, cannot prosecute any person(s) affiliated with this page which includes family, friends or individuals who run or enter this web site. And also face procsecution by our legal team to the fullest extent possible under law.

Gut, ich gebe zu, kein Jurist zu sein. Allerdings dürfte es auch Nichtjuristen kaum schwer fallen, bei dem stets erwähnten Gesetz, das Bill Clinton verabschiedet haben soll, zu erkennen, dass dies nur ein Scherz ist, der sich offenbar wie ein Mem ausgebreitet hat - vielleicht weil doch alles so offiziell klingt.

Auf die Frage in einer Newsgroup:

"Code 431.322.12 of the Internet Privacy Act

Gesendet von Carl ... am November 30, 2001 at 18:40:51:

Kann mir jemand sagen, ob der o.g. Code in Deutschland als Haftungsausschluss anerkannt wird und, wie soll man sich als Webmaster in Deutschland überhaupt noch schützen (Haftungsausschluss, Disclaimer.ect.)"

antwortete ein schlauer Rechtsanwalt oder zumindest jemand, der sich mit RA als Rechtsexperte zu erkennen gab:

"Der genannte Code alleine wird nicht ausreichen. Zudem läßt sich die Frage in dieser Allgemeinheit auch kaum beantworten. Denn selbst ein wirksamer Haftungsausschluß entfalltet, wenn er etwa an versteckter Stelle erfolgt oder unverständlich oder gar verschlüssselt formuliert ist, keine Wirkung."

Natürlich gibt es keinen derartigen "Internet Privacy Act". Die Autoren und Verbreiter des "disclaimer" oder "Haftungsausschlusses" scheinen ihre Rechtskenntnisse, wie Marc Rotenberg, Direktor der Bürgerrechtsorganisation EPIC, süffisant anmerkt, aus Fernsehserien wie NYPD Blues bezogen zu haben. Strafverfolger dürfen "undercover" arbeiten und würden das auch online machen. Das Mantra also mitnichten ein Rettungsmittel, das vor Strafe schützt.

Wer das Ei ins Internet gelegt hat, lässt sich vermutlich nicht mehr feststellen. Bruce Lehman, einst für Präsident Clinton zuständig für das Patent- und Urheberrecht und jetzt Präsident des International Intellectual Property Institute in Washington ist, weiß auch nicht, wie das angebliche "Gesetz" zur Abwehr von Polizisten und anderen unbeliebten Gästen entstanden sein könnte. Aber er hat eine Vermutung, wie es sich verbreitet haben könnte. Er sei überhaupt nicht überrascht, dass die Formulierung des Gesetzes sich auf so vielen Seiten findet, die Dinge mit zweifelhafter Rechtsgültigkeit anbieten: "Da sie alle Piraten sind, kopieren sie das alle einfach."

Und, zugegeben, auch dieser Text ist auf eine Art der Piraterie entstanden, da ich zufällig über einen Artikel der Los Angeles Times stolperte und mich dann erinnerte, schon des öfteren auf diesen Code gestoßen zu sein, der ein bisschen wie ein Kettenhund die ungewünschten Gäste abschrecken soll. Seltsamerweise scheint aber dieses Scheingesetz noch in keine Liste von Gerüchten, Internet-hoaxes oder Urban Legends aufgenommen worden zu sein. Zumindest habe ich es auf den entsprechenden Seiten nicht gefunden, das Zeug dazu hätte es aber schon.