Nicht entfernte Verwandte, sondern eng verbundene Vettern

Von Meteoren, Kometen und Asteroiden

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Im Januar rauschte ein stattlicher Asteroid namens 2001 YB5 knapp am blauen Planeten vorbei (Vgl. Ein großer Asteroid flog heute nahe an der Erde vorbei). Die am Himmel leuchtende Abschiedsvorstellung der Leoniden verpassten die meisten Deutschen vor einigen Tagen wegen schlechten Wetters (Vgl. Naturfeuerwerk). Beim Anblick von Sternschnuppen freut man sich und wünscht sich etwas, aber größere Gesteinsbrocken, die auf der Erde einschlagen, sind ein Risiko, das die Politik und Wissenschaft abzuschätzen versuchen. Filme wie "Deep Impact" oder "Armageddon" haben die Furcht vor einem verheerenden Meteoritenschauer in die breite Öffentlichkeit getragen. Ein einzelner ausreichender großer Meteor könnte außer der direkten Zerstörung an und um seinen Krater auch zur nachhaltigen Veränderung des Weltklimas führen.

Asteroid Gaspra, Aufnahme von Galileo, Bild: NASA

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature veröffentlichen P. Brown und D.O. ReVelle vom Los Alamos National Laboratory, R. E. Spalding vom Sandia National Laboratory in Albuquerque, E. Tagliaferri von ET Space Systems und Brigadier General S.P. Worden von der United States Space Command in der Peterson Air Base ihre Studie über die Häufigkeit von kleinen erdnahen Objekten, die mit unserem Planeten kollidieren. Die Zusammensetzung des Teams liest sich nicht nur ungewöhnlich, sie ist es wirklich, denn in diesem Fall hat das Militär einmal eigene Daten für die zivile Forschung zur Verfügung gestellt.

Von der Erde aus ist es außerordentlich schwierig die Vielzahl der so genannten Near Earth Objects (NEO) zu beobachten. Im Sonnensystem kreisende Asteroiden und Kometen werden mit Teleskopen beobachtet. In der Region zwischen Mars und Jupiter tummeln sich eine Unmenge der kalten kleinen Gesteinsbrocken, die als Asteroiden bezeichnet werden. Die Sternschnuppen dagegen sind meist winzige Splitter und Partikel in Staubwolken, die von Kometen und Asteroiden stammen. Sie werden von der Erde aus mit speziellen Radargeräten und Weitwinkelkameras dokumentiert. Allerdings klafft zwischen diesen Kleinstobjekten und ihren großen Geschwistern bisher eine gewaltige Lücke, denn Objekte mit einem Durchmesser von einem bis zu zehn Metern sind zu klein, um mit Teleskopen entdeckt zu werden und sie schlagen zu selten auf der Erde ein, als das diese raren Erfahrungen aussagekräftig verallgemeinert werden könnten. Entsprechend schien es bislang, dass weniger Objekte dieser Größe auf die Erde stürzen. Genau das ist die Art von Meteor, nach der das Wissenschaftlerteam nun systematisch forschte.

Die Gruppe um Peter Brown hat dafür den größten natürlichen Detektor genutzt: die Erdatmosphäre. Sie analysierten die Daten der letzten 8,5 Jahre von Satelliten des US-Verteidigungsministeriums, die alle Explosionen kleinerer Asteroiden in der oberen Atmosphäre beobachtet haben, weil sie dort oben kreisen, um weltweit nukleare Detonationen festzuhalten (Vgl. Atomkrieg aus Versehen?). Sie registrierten die entsprechenden Energieblitze, die entstehen, wenn ein solches Objekt in der Atmosphäre verglüht. Ingesamt gab es im Untersuchungszeitraum fast 300 dieser optischen Blitze. Ihre Intensität gab Aufschluss über ihre Größe.

Aus ihren Berechnungen schlossen die Astrophysiker, dass die obere Atmosphäre der Erde einmal jährlich von einem Meteor mit der Sprengkraft von umgerechnet fünf Kilotonnen TNT getroffen wird, das entspricht der gesuchten Meteor-Größe. Zum Vergleich: die Hiroshima Bombe setzte eine Energie von 20 Kilotonnen TNT frei.

Was in Tunguska in Sibirien 1908 genau geschah, darüber wird bis heute nicht nur unter Alien-Fans immer wieder kontrovers diskutiert (Vgl. Rätselraten um Tunguska Explosion), aber wenn ein kleiner Asteroid aus dem All die Zerstörung von 2000 Quadratkilometern Taiga dort verursachte, dann hatte er einen Durchmesser von 30-50 Metern und zehn Megatonnen Energie. Nach den Daten, die dem Team nun zur Verfügung standen, schlossen sie, dass ein ähnliches Ereignis nur einmal alle tausend Jahre stattfindet. Bislang war geschätzt worden, dass alle 200-300 Jahre damit zu rechnen sei. Das klingt beruhigend, allerdings schränken die Autoren selbst ein, dass weitere Forschungen folgen müssen, denn eine statistischer Zeitrahmen von 8,5 Jahren ist nicht nur an kosmologischen Maßstäben gemessen sehr kurz. Trotzdem feiert Robert Jedicke von der University of Arizona in seinem begleitenden News&Views-Artikel in Nature diesen Durchbruch. Denn nun steht fest, dass es keine echte Lücke zwischen den Sternschnuppen und den Asteroiden gibt, diese mittleren Meteore wurden nur bislang durch die mangelnden Beobachtungsmöglichkeiten verhältnismäßig selten entdeckt. Er meint, durch diese Studie: "wurden die Gebiete der planetaren Astronomie von Meteoren, Kometen und Asteroiden in einer Weise zusammengebracht, die zeigt, dass sie nicht entfernte Verwandte sind, sondern eng verbundene Vettern."