Hasse deinen nächsten, wie dich selbst

"Satanischer Metal: Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund" - jetzt auch in Buchformat

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Die Szene des Black Metal ist verknüpft mit Gewalt und menschenfeindlichen Ansichten. Berüchtigt wurde die Musikrichtung mit ihrem Ursprung im Heavy Metal Anfang der 1990er Jahre. Damals radikalisierten sich in Norwegen Stars und Fans jener Subkultur. Anhänger des düsteren, oft rasant schnell gespielten und durch den kehligen Grunz- oder Kreischgesang geprägten Musikstil grenzten sich teilweise noch radikaler als andere Jugendsubkulturen von der bürgerlichen Gesellschaft ab. Letztlich wurde aus Hass dann Ernst: Kirchen brannten und Menschen wurden umgebracht.

Ein Urgestein des Black Metal war Anfang der 1970er Jahre "Black Sabbath". Mehr aus Provokation denn aus Überzeugung war deren Hardrock mit Texten über Satan garniert. Anfang der 80er Jahre lieferten dann die britischen "Venom" eine raue Mischung aus Heavy Metal und satanischen Texten ab. Sie nannten eines ihrer Alben nicht ohne Folgen "Black Metal". Die Musikgruppe "Slayer" favorisierte schließlich pure Splatterlyriks zum brutal klingenden, schnell gespielten Metal.

Subsumierte sich jene Subkultur abseits des Mainstreams unter Begriffen wie Death oder Black Metal, kristallisierte sich unter letztgenanntem Label insbesondere in Skandinavien um 1990 eine Art extreme Strömung. Ideologisch wandte man sich dabei einer Mischung aus Satanismus, Okkultismus, Heidentum und Rechtsextremismus zu. Das Christentum avancierte zum Hauptfeind und somit die gesamte, darauf aufgebaute, heutige Gesellschaft. Musiker und Fans kleideten sich düster und schminkten ihre Gesichter - ihr "Corpsepaint" erinnerte an Totenmasken, an Geister in Vampir- oder Zombiefilmen.

Schwarze Zirkel

"Lords Of Chaos" dürfte eines der ersten Bücher sein, das ausführlich die Geschichte, internationale Entwicklung und Ansichten der Black-Metal-Szene nachzeichnet. Die beiden Autoren Michael Moynihan (Portland, Oregon) und Didrik Soderlind (Oslo) setzen dabei den Schwerpunkt ihrer Arbeit in Norwegen. Dort sehen sie die Keimzelle der Radikalisierung rund um die Band "Mayhem", deren aus Schweden zugezogener Sänger Per Yngve Ohlin alias "Dead" sich 1991 mit einem Kopfschuss umbrachte. Was in jenem Umfeld damals los war, illustrierte der bei "Mayhem" als Gitarrist fungierende Oystein Aarseth alias "Euronymous". Als er den Toten fand, kaufte er schnell einen neuen Film für seine Kamera und lichtete den Selbstmörder für spätere Werbefotos ab, ehe er die Polizei rief. Zudem sammelte er vor deren Eintreffen Schädelstücke ein, aus denen er sich eine Halskette bastelte.

Aarseth gründete kurz darauf in Oslo einen Plattenladen namens "Helvete" (dt. Hölle), knüpfte gute Kontakte zu einem gewissen Varg Vikernes, dessen Band-Projekt "Burzum" auf Aarseths Kult-Label veröffentlichte und alsbald Aushängeschild des Black Metal war. Im Umfeld schufen weitere Bands und Fans einen Art "Schwarzen Zirkel", dessen Anhänger Grabschändungen und Kirchenbrandstiftungen begingen. 1993 brachte Vikernes dann Aarseth um und die Polizei deckte infolge ihrer Mordermittlungen weitere aus jenem Milieu heraus begangene Straftaten auf. Während viele norwegische Szenemitglieder hinter Gitter wanderten kam es in ganz Skandinavien, den USA, Deutschland und Osteuropa zu ähnlichen Vorkommnissen und Gewalttaten. Später gründeten sich paramilitärische Gruppierungen oder rechte Organisationsstrukturen heidnischer "Fronten".

Ordnung in jenes "Chaos" versuchen die beiden Autoren mit einer Mischung aus Bericht und langen Interviewpassagen mit Kriminalisten, Anton LaVey (Gründer der "Church Of Satan") und Musikern zu bringen. Manche Aussagen illustrieren dabei gut, wozu Okkultismus führen kann:

"Es gibt keine Reue. Ich nahm ihm das Leben und ich bezahlte dafür. (...) Es sollte so geschehen, und ob es diesen oder einen anderen Mann getroffen hätte, ist nicht wirklich wichtig," erzählte 1995 etwa ein Ex-Musiker während seiner Haft. Dagegen problematisch sind nahezu umkommentierte Antworten in Form von übelster Nazipropaganda wie die von Vikernes.

Autor ist "umstrittene Persönlichkeit"

Das hinterlässt einen üblen Nachgeschmack, zumal Alfred Schobert 1997 einem der beiden Buchautoren, Michael Moynihan, vorwarf, "ein internationales braunes Netz zwischen verschiedenen Musikszenen zu spannen". Moynihan ist Kopf der rechtslastigen Band Blood Axis, vertritt selbst rechts-esoterische, ariosophische und heidnische Ansichten, hält Kontakte zu solchen Zirkeln und publiziert in rechtsgerichteten Zeitschriften. Fast schon verharmlosend heißt es dazu in der Autoreninfo der deutschen Ausgabe lapidar: "Aufgrund seiner Beschäftigung mit kulturellen, musikalischen und weltanschaulichen Extremen gilt er als umstrittene Persönlichkeit."

"Lords of Chaos" erschien 1998 in seiner Urfassung, viele Interviews stammen noch aus dem Jahr 1995. Als Hauptautor gibt Moynihan sich hier als schlichter Dokumentator. Für das Musikmagazin "Visions" hat dieses Vorgehen den "schalen Geschmack der Distanzlosigkeit" oder bisweilen den eines Forums für antidemokratische Propaganda unter dem Deckmantel des unparteiischen Journalismus. Diesen indes vernachlässigt Moynihan manchmal, indem seine Fragen ans Stichwortgeben erinnern. Unkommentiert darf dann Vikernes über den Gerichtsprozess-"Verfahrensscheiß" Weltverschwörungstheorien referieren: "Wie die Psychiater, die mich untersuchten; einer war Jude und der andere Freimaurer! Ein anderer war Kommunist. Mein Rechtsanwalt ist schwul. Der andere Anwalt war Freimaurer. Der einzige christliche Geistheiler in Norwegen war unter den Geschworenen!"

"Ausbruch des musikalischen Terrorismus"?

Vikersens konkretisiert später, dass das "...jüdische Implantat namens Christentum..." etwas wahrhaft Böses sei. Kommentierend schreitet Moynihan indes erst an einer für ihn selbst bezeichnenden Stelle ein: "Dass (Vidkun) Quislings Organisation Nasjornal Samling (Nationale Union) die Entfaltung der altnordischen Religion tatkräftig unterstützt habe, ist jedoch irrig," korrigiert er im Buch kleinkariert "Vikernes' Behauptung" (sic!) über den norwegischen Nazikollaborateur zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

Auch schimmert in Moynihans Einleitung zum Buch dessen Faszination durch für die "Schöpfung einer wahrhaft urwüchsigen Kraft: Black Metal". Das hinterlässt weitere Zweifel daran, ob die Recherche über den "Ausbruch (des) musikalischen Terrorismus", in dem "sich die asozialsten und aggressivsten Tendenzen des Metal fortentwickelten", unparteiisch geführt wurde. Letztgenannte, negativ besetzten Kraftausdrücke mögen verstören, zeugen vielleicht aber auch vom gleichfalls im Autor schlummernden Edelnationalist, der an das Reine glaubt, aber die verachtet, die unkontrollierbare, anarchische Gewalt anwenden, um die unreinen oder - im sozialdarwinistischen Kontext besehenen - schwachen Gegner auszumerzen. Für edle Esoteriker wäre derlei Widersprüchlichkeit durchaus möglich.

Insgesamt durchzieht das Buch ein Stilbruch zwischen reißerisch und polemisch einerseits und sachlich andererseits. Dürfte das Urmanuskript in seiner gestelzten Sprache weitestgehend von Moynihan verfasst sein, lesen sich die Aktualisierungen - etwa zum "Satansmord" in der thüringischen Kleinstadt Sondershausen rund um die Band Absurd und Hendrik Möbus - deutlich besser. Sie wurden wohl weitestgehend vom hauptberuflichen Journalisten Soderlind nachgereicht und behandeln auch neue Gedanken einiger Szene-Aktivisten, etwa zu "Flug-Arieren" und ähnlich Obskurem aus der "modernen Unterart in dieser Welt der Pseudowissenschaften". Vikernes, heißt es in einem solchen Abschnitt einmal, sei "in vielerlei Hinsicht ein reaktionärer Nazi", dessen "politischen Ideen teilweise extremer als die des Dritten Reich selbst scheinen." Zu seltener Klartext.

Michael Moynihan und Didrik Soderlind: Lords Of Chaos; Prophecy; ISBN 3-936878-00-5; 420 Seiten; Preis 20 Euro