Noch mehr blaue Planeten?

US-Forscher vermuten in jedem vierten bisher entdeckten Planetensystem erdähnliche Welten

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Mit dem altehrwürdigen Satz "Ich weiß, dass ich nichts weiß" kann sich die moderne Astrophysik naturgemäß nicht zufrieden geben. Sie entwirft deshalb am laufenden Band neue Spekulationen und Erklärungsmodelle, die uns helfen sollen, den großen Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen. Dass die allermeisten schließlich wieder verworfen werden müssen, scheint die Begeisterung der Wissenschaftler kaum zu beeinträchtigen, und so mochten auch Serge Tabachnik und Kristen Menou von der Princeton University in New Jersey nicht erst die Ergebnisse entsprechender NASA- und ESA-Missionen abwarten, sondern erläuterten der staunenden Öffentlichkeit vor wenigen Tagen lieber schon mal am Beispiel aktueller Computersimulationen ihre Sicht der Dinge über die vermutliche Anzahl erdähnlicher Planeten in unserer "näheren" Umgebung.

Bild: Nasa

In den letzten Jahren haben Wissenschaftler Dutzende Planeten entdeckt, die verhältnismäßig eng um ihr Zentralgestirn kreisen und eine ähnliche Masse wie der Gasriese Jupiter besitzen dürften. Leben - so wie wir es kennen und definieren - wäre aber nur auf Welten denkbar, die eine größere Umlaufbahn um ihr Zentralgestirn beschreiben, sich also in einer bewohnbaren Zone befinden, darüber hinaus weit genug von den Gasriesen entfernt sind, über Wasser und feste Oberflächen verfügen etc. Tabachnik und Menou erstellten deshalb Computermodelle aller 85 im August 2002 bekannten Planetensysteme, um die Existenzmöglichkeiten solcher erdähnlichen Welten abzuschätzen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob diese über einen stabilen Orbit verfügen könnten, der durch die Gravitation der größeren Nachbarn nicht negativ beeinträchtigt wird.

Die vorläufigen Ergebnisse, die im Astrophysical Journal veröffentlich werden, sind immerhin erstaunlich, denn die Forscher fanden heraus, dass etwa jedes vierte Planetensystem Regionen enthält, in denen die Existenz erdähnlicher, sprich: lebensfreundlicher Welten prinzipiell möglich wäre. "Das ist sehr viel mehr als bisher vermutet wurde", sagt Tabachnik und hat damit wohl nicht ganz unrecht, wenn man außerdem noch bedenkt, dass sich diese Zahl auf die gesamte Galaxis hochrechnen ließe. Wissenschaftliche Schützenhilfe bekommen die Forscher von Greg Laughlin von der University of California in Santa Cruz, der im New Scientist sogleich verlauten ließ, dass diese Berechnungen mit seinen eigenen Kalkulationen in etwa übereinstimmen.

Problematischerweise fehlen den Astronomen aber bislang die technischen Voraussetzungen, um ihre Hypothesen überprüfen zu können. Und bis sich daran etwas ändert, werden auch noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen. Die Europäische Weltraumorganisation ESA wird frühestens 2006 das "Bodengestützte Europäische Nullungsinterferometer-Experiment" (GENIE) starten, mit dem unter Verwendung des ESO-Großteleskops VLT zunächst eine Liste derjenigen Sterne erstellt wird, die das Folgeprojekt "Darwin" dann mit einer Flotte von acht Raumfahrzeugen ansteuern soll. Derzeit geht die ESA davon aus, dass sechs dieser Fahrzeuge mit Teleskopen ausgerüstet werden, während das siebte deren Licht bündelt und Nr.8 den Kontakt mit dem bislang einzig bekannten blauen Planten aufrecht erhält.

Vor dem Jahr 2014 wird "Darwin" allerdings sicher nicht an den Start gehen, und auch der Terrestrial Planet Finder der NASA, der in einer Fünf-Jahres-Mission bewohnbare oder schon bewohnte Planeten aufspüren soll, dürfte kaum früher zum Einsatz kommen. Unter diesen Umständen sind die durch Computersimulationen gewonnenen Einsichten mit Vorsicht zu genießen, aber das wissen schließlich auch die Urheber der aktuellen Theorie. Tabachnik und Menou halten es nämlich durchaus für möglich, dass sich in den modellierten Planetensystemen noch bislang unentdeckte Gasriesen befinden, welche die bloße Möglichkeit bewohnbarer Regionen gleich wieder zunichte machen könnten.